Kirchliche Grenzüberschreitungen

31. Jänner 2025 in Kommentar


Der Alleingang des Prälats Karl Jüsten und des ZdKs - In beiden Fällen, bei Jüsten und bei Stetter-Karp, muss man nicht nur von Machtmissbrauch und Anmaßung sprechen sondern auch Kompetenzüberschreitung - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt


Regensburg (kath.net)

Der Alleingang des Prälats Karl Jüsten beschäftigt nun auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). In einem Schreiben stützt die Vorsitzende Irme Stetter-Karp nicht nur den Prälaten sondern mischt sich auch in die politische Debatte ein. In beiden Fällen, bei Jüsten und bei Stetter-Karp, muss man nicht nur von Machtmissbrauch und Anmaßung sprechen, sondern auch von Kompetenzüberschreitung und von Übertretung des Kanonischen Rechts.

Das CIC sieht ein allgemeines Politikverbot für Amtsträger vor. Katholische Laien dürfen und sollen sich dagegen in die Politik einbringen, aber nicht, wie im Fall des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK): Das ZdK sieht sich selbst als Vertretung der deutschen Katholiken. ZdK-Vorsitzende Irme Stetter-Karp äußert also nicht ihre persönliche Meinung, sondern spricht in Namen aller Katholiken in Deutschland, wenn sie vermeintlich die Unionsfraktion maßregelt und sagt, das Zustrombegrenzungsgesetz transportiere „eine populistische Botschaft“. 

Dies ist genauso grenzüberschreitend wie das Vorpreschen von Jüsten, der sich über die Köpfe von Bischöfen hinweggesetzt hat, als er sich in die Migrationsfrage einmischte — wenn auch beide vermutlich aus unterschiedlichen Motiven handelten: In Fall des ZdK riecht es nach einem verzweifelten Versuch, die Deutungshoheit nicht zu verlieren. Und Jüsten meint wohl, dass Kirche mehr in der Politik erreichen könne als in der Pastoral. Das ist jedoch reine Hybris. Und hat der Kirche keine Vorteile gebracht. Im Gegenteil: Jüsten hat sich im Grunde faktisch von den Linksparteien vereinnahmen lassen, die bekanntermaßen nicht die besten Freunde der katholischen Kirche sind, ihn aber genüsslich zitiert haben, weil er ihnen in die Hände gespielt hat.

Bei der Suche nach dem „Warum“ von Jüstens Aktion stochert man im Nebel. Aus diversen Medienberichten geht lediglich hervor, dass die Bischöfe sich in die Debatte nicht einmischen wollten. Die Bischöfe von Regensburg und Eichstätt haben sich von dessen Aktion ausdrücklich distanziert. Niemand weiß, ob Jüsten mit Billigung des Vorsitzenden agiert hat. Wenn dies der Fall wäre, trägt dieser die Verantwortung. Hat er ohne dessen Billigung gehandelt, müsste er zurücktreten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Fakten auf dem Tisch liegen.

Bisher ist nur eines klar: Als Mitarbeiter der Bischöfe muss der Prälat selbigen loyal sein. Sein Alleingang ist ein schwerer Vertrauensbruch, ja Machtmissbrauch. Das CIC lässt beim Politikverbot für Amtsträger zwar Ausnahmen zu, wie im Can. 287 § 2 beschrieben steht, diese müssen jedoch begründet und von der zuständigen kirchlichen Autorität genehmigt sein. Dies ist bei Jüsten nicht der Fall.

Die Aufgabe der Kirche ist, das Evangelium zu verkünden. Politik zu machen ist Aufgabe der Parteien. Wenn die Kirche allerdings bei bestimmten politischen Fragen ihren Standpunkt vom Evangelium her oder aus ihrer Lehre ableiten kann, darf sie sich politisch einbringen. So tun es die Bischöfe bei der Abtreibungsfrage. Im aktuellen Fall berief sich aber weder das ZdK auf die Lehre, die Katholische Soziallehre oder das Evangelium, noch Jüsten.

Außergewöhnlich ist, dass für den Prälaten die bischöfliche Ablehnung offenbar keine Relevanz hatte. Und man fragt sich, ob sein „Beispiel“ nicht sogar ein Zeichen für die allgemein einsetzende Ignoranz der bischöflichen Kompetenzen und Aussagen widerspiegelt. Das könnte man eine Frucht des Synodalen Weges nennen, auf dem die Bischöfe selbst daran gearbeitet haben, sich mit Laien auf gleiche Stufe zu stellen — allerdings nicht so, wie der Papst Synodalität und Teilhabe meint: Die katholische Kirche in Deutschland war und ist bestrebt, die kirchliche Hierarchie zugunsten einer demokratisch-parlamentarischen Kirche nach evangelischem Vorbild preiszugeben und das Bischofsamt durch Selbstbindungen und kirchenparlamentarische Ausschüsse zu nivellieren — eben politisch zu werden.

Der „Fall Jüsten“ zeigt also auch, was passiert, wenn Bischöfe nicht mehr als Hirten (agieren und) wahrgenommen werden, sondern als Teil einer demokratischen Vereinigung, die die Lehre der Kirche und deren Verfasstheit nurmehr als Verhandlungsmasse betrachtet. Insofern müsste und sollte die so hohe Wellen schlagende Aktion Jüstens als Weckruf verstanden werden: Nicht auf dem parteipolitischen Parkett sollte die Kirche mittanzen, sondern sich wieder mehr der Pastoral und Katechese widmen und vor allem selbst wieder zu ihrer wahren Identität und zum Kern der Frohen Botschaft zurückfinden.

Die Aufgabe der Kirche ist primär die Verkündigung des Evangeliums, nicht mehr und nicht weniger. Sie soll den Menschen helfen, sich wahrhaft in den Leib Christi zu integrieren, und damit den Nährboden zu bieten, auf dem moralisch-ethisches Denken, gegründet auf der Lehre der Kirche, wieder Wurzeln schlagen kann. Daraus können dann überzeugte katholischen Politiker von morgen hervorgehen.

Katholisches Büro Berlin


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