80 Jahre Frieden sind genug – oder wie die Weltpolitik gerade an der Zündschnur rumfummelt

3. März 2025 in Kommentar


Nein, hier wird nicht beantwortet, wer den Eklat im Oval Office verursacht hat.Es ist das Zündeln mit dem globalen Krieg, das jeden verantwortungsvollen Menschen auf den Plan rufen sollte und uns Christen allen voran.Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Es fällt gerade leicht, die politische Berichterstattung mit dem politischen Feuilleton zu verwechseln. Man ist sich nur in einem einig: der jeweils andere trägt die Schuld. Gemeint ist der Eklat im Oval Office. Linke geben Trump die Schuld, Rechte sehen eindeutig Selenskyj als den Sündenbock. Trump wirft dem Ukrainer vor, nicht dankbar genug zu sein. Selenskyj murmelt ein ukrainisches Schimpfwort, der Vizepräsident gießt Öl ins Feuer und der Außenminister blickt stumm im Oval Office herum. Es lohnt sich das Video über die ganze Länge anzusehen, um zu verstehen, dass man in Wirklichkeit gar nichts versteht. Wie die unreifen Knaben sind sie übereinander hergefallen. Als Römer würde man nun einen Auguren bitten, in öffentlichen Auspizien den Vogelflug oder die Eingeweide eines Opfertieres zu deuten. In modernen Zeiten sucht man sich den Journalisten seines Vertrauens, der einem die Welt erklärt. Spätere Historiker werden diesen Tag dann wohl mal als den faktischen Beginn des dritten Weltkrieges ansehen. Historische Parallelen sollte man nicht leichtfertig ziehen, aber das Video aus Washington erinnert an den (zweiten) Prager Fenstersturz, der den Dreißigjährigen Krieg auslöste. Nicht aus dem Fenster, aber aus dem Weißen Haus, flog der Präsident der Ukraine, der ohne ein friedenssicherndes Abkommen abreisen musste. Die Kommentare aller Couleur sehen darin den nächsten Schritt der Aufkündigung des politischen Westens und der Weltordnung von 1945 / 1990.

Selenskyj flüchtete sich in die Arme der EU, wo man ihm auch prompt und erneut alle nur denkbare Unterstützung zusichert, nur leider nichts, was helfen würden, den andauernden Stellungskrieg in seinem Land zu beenden. Das europäische Dogma lautet, man dürfe es dem Aggressor Putin nicht durchgehen lassen, ein Land zu überfallen. Moralisch sind die Europäer damit auf der richtigen Seite, doch leider hält sich die Realpolitik nicht an Moral, sondern nur an die Macht des faktischen. Trotz aller Unterstützung ist es der Ukraine bis heute nicht gelungen, den Aggressor nach Hause zu schicken. Das ist Fakt. Wenn man dem US-Präsidenten in einem Recht geben muss, dann in seiner Auffassung, dass das Sterben endlich aufhören muss. Der Krieg kann weder von Russland noch von der Ukraine gewonnen werden. Putin kommt nicht voran, die Ukraine vermag den Russen nicht zu vertreiben. Es wäre hoch an der Zeit zu verhandeln, die wenigsten Kriege enden durch bedingungslose Kapitulation.

So viel zur Politik, was sich an dieser Stelle nicht vermeiden ließ. Nun noch etwas Zeitgeschichte. Wir haben in Zentraleuropa seit 80 Jahren Frieden. Allein die Verwerfungen in dem ehemaligen Jugoslawien, wo der Titostaat brutal zerbrach, als die Gewalt fehlte, ihn zusammen zu halten, bescherten Europa eine Reihe brutaler und blutiger Auseinandersetzungen, die am Ende eine Folge von unterdrücktem sich jetzt bahnbrechenden Nationalismus waren. Europa bemühte sich damals die Flammen auszutreten, damit der Balkan nicht Europa entzündet. Das ist jetzt anders. In der Ukraine gibt es keine Bemühungen die Flammen auszutreten. Mit der Lieferung immer neuen Kriegsgerätes legt man immer wieder Feuerholz nach. Was fehlt, ist eindeutig die Doppelstrategie, den Freund zu schützen und den Gesprächsfaden mit dem Feind nicht abreißen zu lassen. Das nämlich war das Geheimnis, warum die verfeindeten Blöcke NATO und Warschauer Pakt nicht übereinander herfielen. Man rüstete sich gegenseitig unter Verbündeten auf, blieb aber immer mit dem Feind im Gespräch. Das Friedensprojekt Europäische Union tat sein Übriges. Solange sie reden, schießen sie nicht, das war das Erfolgsrezept von OSZE und anderen Initiativen. Und heute? Sie reden nicht mehr miteinander.

Mit den Päpsten ausgehend von Benedikt XV. über Pius XII. bis Johannes XXIII., Paul VI. und ganz besonders Johannes Paul II. hatten wir in Europa starke Stimmen für den Frieden. Die Kirche stand immer für den Frieden in Europa ein. Man konnte die Ostpolitik von Paul VI. kritisieren, es folgte jedoch Johannes Paul II., der den Ostblock zu Fall brachte. Heute schaut Rom kaum noch nach Europa. Für die Kirche wird ist es hoch an der Zeit, zu einer realistischen Sicht der gegenwärtigen Krise zurückzufinden. Ja, es gilt den Aggressor Putin zu verurteilen. Es gilt aber auch demselben Aggressor in Gewissen zu reden, um Wege zum Frieden zu finden. Wir waren in den vergangenen 80 Jahren noch nie so nahe an einer erneuten großen militärischen Auseinandersetzung von globalen Ausmaßen. Jetzt, da Europa von den USA aufgegeben und aus eigener Kraft kaum fähig ist, sich zu verteidigen, ist die Gefahr unermesslich groß.

Zynisch fragte einst der russische Diktator Stalin, wie viele Divisionen der Papst habe. Nicht Pius XI. oder Pius XII. waren es, die ihm die Antwort gaben, sondern Johannes Paul II. antwortete: Genug! Der Kommunismus verging. Heute sitzt wieder ein Diktator im Kreml, der seine Finger gen Westen streckt. Er hat sogar den frommen Mann gegeben, Klöster gebaut und die russische Kirche reich gemacht. Doch was war davon echt, was war Kalkül? Immer wieder zeigte er sein wahres Gesicht. Wer wissen will, wer Wladimir Putin ist, schlage bei Otto von Habsburg nach. Wie viele Divisionen hat der Papst heute? Immer noch genug. Die Fastenzeit steht bevor. Fasten und Gebet für den Frieden sind in dieser Zeit sicher kein Fehler. Dann wird man schon merken, wie die Truppen des Papstes aufmarschieren. Das Gebet zur Regina Pacis, so sagte der Gründer des Opus Dei, wirkt sofort. Man bete und meditiere die Litanei zur Regina Pacis von Gertrud von Le Fort, die diese unter dem Eindruck des II. Weltkrieges schrieb. (https://www.prwi.nrw/?p=6424) Nicht nur die eindringliche Bitte um Frieden, auch die schonungslose Beschreibung, was Krieg für jeden von uns bedeuten würde, sind stark, klar und eindrücklich. Die große Politik mag vielleicht denken, 80 Jahre Frieden seien genug, als Christen können und dürfen wir dem nicht zustimmen und es ist unsere Aufgabe für den Frieden zu streiten und zu beten. Man bedenke, keiner derjenigen, die jetzt große Weltpolitik machen, haben den II. Weltkrieg und das Grauen dieses Krieges noch erlebt. Warum nicht wieder mal einen Krieg riskieren? Scheint ein Krieg doch eine Menge Probleme zu lösen, für die es gerade scheinbar keine andere Lösung gibt. Diese Haltung ist zynisch und leider doch nur allzu weit verbreitet.

Jeder Krieg bringt Armut, Hunger, Tod und Elend in die Länder, die er heimsucht. Es wäre hoch an der Zeit, den Krieg endlich aus dem Leben der Menschen zu verbannen und doch erscheint er den Mächtigen der Welt immer wieder ein Ausweg zu sein. Diabolisch ist dieser Ausweg im wahrsten Sinne, denn er führt in reihenweise Dilemmata. Soll man sich denn dem Aggressor hilflos ausliefern? Generationen von Theologen haben sich mit der Frage nach dem gerechten Krieg befasst. Es gibt ihn einfach nicht. Gerecht ist es, sich mit aller Kraft gegen den Aggressor zu verteidigen, der sein Land überfällt. Aber das Ziel muss immer der Frieden sein. Man erkennt es jetzt, da der Versuch, das Töten zu beenden an ungeschickter Diplomatie gescheitert ist. Es ist die Logik des Krieges, das Töten zu eskalieren. Diese Logik zu durchbrechen, verlangt viel Mut, es verlangt viel Gebet und es verlangt den Blick für die Realität jenseits der Moral. Ist nicht am Ende doch der Frieden das höhere moralische Gut?

Man möchte verzweifeln, dass in diesen Tagen die Stimme des Papstes wegen seiner Krankheit schweigt, bräuchten wir doch gerade jetzt eine starke Stimme der Kirche, die den Frieden einfordert und die Politiker zur Ordnung ruft. Einen Eklat, wie wir ihn im Oval Office erleben durften, braucht niemand. Beten wir auch für mehr Verantwortlichkeit der Politiker. Mögen sie sich hinter verschlossenen Türen anbrüllen, in der Öffentlichkeit haben sie Contenance zu wahren. Auch wir sollten angesichts der drohenden Gefahr nicht etwa im Panik verfallen oder wilde Spekulationen anstellen. Wer aber als einfacher katholischer Christ etwas für den Frieden tun will, kann täglich darum beten und andere auffordern, dies auch zu tun. Jedes Gebet um Frieden hilft. Man kann Briefe an Politiker schreiben und sich eindringlich dafür aussprechen, dass sich diese für den Frieden einsetzen. Ja und man kann auch öffentlich für den Frieden reden, sich in seinem Umfeld dafür einsetzen. Last not least könnte auch unser Episkopat mal aufwachen und eine Friedensinitiative der Katholiken ins Leben rufen. Man kann das übrigens tun, ohne Moralinsäure in die eine oder andere Richtung zu verspritzen. Das wäre hilfreich, würde Grenzen überwinden und Menschen zusammenführen, die einander gerade eher meiden. Auch die Spaltung unserer Gesellschaft ist nämlich ein Aspekt von Unfrieden und leider haben Vertreter der Kirche durch aktive Ausgrenzung daran munter mitgewirkt. Um es noch mal und noch mal und noch mal klarzumachen, hier mit den Worten der Dichterin Gertrud von Le Fort: „Lasset uns beten für den Frieden unsrer Erde, denn der Friede der Erde ist todkrank.“

 

Bild oben: Krieg bringt nichts als Elend, Zerstörung, Armut und Leid. Grund genug sich entschieden für den Frieden einzusetzen. Foto: Pixabay.


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