11. März 2025 in Deutschland
Nuntius zitiert aus dem Schreiben von Papst Franziskus „an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland“/2019: „Deshalb ist es… notwendig, den Primat der Evangelisierung zurückzugewinnen…, denn die Kirche… beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren“.
Steinfeld-Berlin (kath.net/DBK) kath.net dokumentiert das Grußwort Seiner Exzellenz, des Apostolischen Nuntius in Berlin, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, an die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Kloster Steinfeld in voller Länge:
„Gerecht gemacht also aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Durch ihn haben wir auch im Glauben den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Mehr noch, wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,1-5).
Eminenzen,
Exzellenzen,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!
Die Hoffnung ist für das christliche Leben grundlegend und gehört mit dem Glauben und der Liebe zu den drei göttlichen Tugenden. Diese werden bereits zu Beginn des ersten Briefes des heiligen Paulus an die Thessalonicher erwähnt, der als eines der frühesten Dokumente des Neuen Testamentes gilt. Der Völkerapostel schreibt: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Mühe eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (1 Thess 1,2-3).
„Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5).
Die Reflexion über die Tugend der Hoffnung ist in dieser Zeit in der Katholischen Kirche besonders gegenwärtig, denn der Heilige Vater Franziskus hat als Leitwort für das Heilige Jahr „Pilger der Hoffnung“ gewählt. Das Thema dieses besonderen Jahres, das in der Heiligen Nacht 2024 begonnen hat, wurde als kirchliches Ereignis in der Verkündigungsbulle des ordentlichen Jubiläums „Spes non confundit“ – „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ vom 09. Mai 2024 dargelegt und ist dem erwähnten Brief des heiligen Paulus an die Römer entnommen (vgl. Röm 5,5). In der genannten Bulle kommt das Wort Hoffnung 97-mal und damit in allen 25 Abschnitten des Dokumentes vor. Ich möchte nur die Untertitel erwähnen: Ein Wort der Hoffnung; Ein Weg der Hoffnung; Zeichen der Hoffnung; Appelle für die Hoffnung; In der Hoffnung verankert.
Papst Franziskus hat diesem Thema auch eine Katechese im Jahr 2024 gewidmet. Ich denke, es könnte von Nutzen sein, seine Gedanken aufzugreifen und mit der Beschreibung der christlichen Hoffnung zu beginnen, die er dem Katechismus der Katholischen Kirche entnimmt: „Die Hoffnung ist jene göttliche Tugend, durch die wir uns nach dem Himmelreich und dem ewigen Leben als unserem Glück sehnen, indem wir auf die Verheißungen Christi vertrauen und uns nicht auf unsere Kräfte, sondern auf die Gnadenhilfe des Heiligen Geistes verlassen“1. Nach katholischer Lehre ist die Hoffnung, wie auch die beiden anderen göttlichen Tugenden durch die Gnade Gottes der menschlichen Person gegeben und entstammen daher nicht allein menschlicher Stärke im Unterschied zu den vier Kardinaltugenden von Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Zucht und Maß. Darüber hinaus formen und beleben die drei göttlichen Tugenden alle moralischen Tugenden. Sie „wachsen durch Erziehung durch überlegte Taten und ausdauernde Anstrengung. Die göttliche Gnade läutert und erhebt sie“2.
„Die Welt braucht Hoffnung!“3
Die Tugend der Hoffnung antwortet auf die tiefe Sehnsucht des menschlichen Herzen nach Glück. Das Herz ist unruhig und stellt sich die grundlegenden Fragen: „Was wird aus mir?“ „Was ist das Ziel der Reise?“ „Was ist das Schicksal der Welt?“ Auf diese Fragen antwortet Papst Franziskus: „Wir alle merken, dass eine negative Antwort auf diese Fragen Traurigkeit erzeugt. Wenn der Lebensweg keinen Sinn hat, wenn am Anfang und am Ende das Nichts steht, dann fragen wir uns, warum wir überhaupt unterwegs sein sollen: Hier entsteht die Verzweiflung des Menschen, das Gefühl, dass alles nutzlos ist. Und viele könnten aufbegehren: Ich habe mich bemüht, tugendhaft zu sein, klug zu sein, gerecht, tapfer, maßvoll. Ich war auch ein Mann oder eine Frau des Glaubens… Wozu hat mein Kampf gedient, wenn alles hier endet? Wenn die Hoffnung fehlt, drohen alle anderen Tugenden zu zerbröckeln und zu Asche zu werden. Wenn es kein verlässliches Morgen gibt, keinen hellen Horizont, dann bleibt uns nichts anderes übrig als daraus zu schließen, dass die Tugend vergebliche Liebesmüh ist. »Erst wenn Zukunft als positive Realität gewiss ist, wird auch die Gegenwart lebbar«, sagte Benedikt XVI.“4.
Die Hoffnung ist eine Gabe Gottes und nicht des Menschen eigener Verdienst. Wenn der Christ an die Zukunft glaubt, „dann deshalb, weil Christus gestorben und auferstanden ist und uns seinen Geist geschenkt hat. …Vielen zweifelnden Christen, die nicht völlig in der Hoffnung neu geboren waren, stellt der Apostel Paulus die neue Logik der christlichen Erfahrung vor Augen: »Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen« (1 Kor 15,17-19). Es ist, als würde er sagen: Wenn du an die Auferstehung Christi glaubst, dann weißt du mit Gewissheit, dass keine Niederlage und kein Tod für immer ist. Wenn du aber nicht an die Auferstehung Christi glaubst, dann wird alles leer, sogar die Verkündigung der Apostel“5.
Der Heilige Vater Franziskus ermahnt, nicht gegen die Hoffnung zu sündigen „in unseren schlechten Sehnsüchten, in unserer Melancholie, wenn wir meinen, dass das Glück der Vergangenheit für immer begraben ist. Wir sündigen gegen die Hoffnung, wenn wir über unsere Sünden verzweifeln und vergessen, dass Gott barmherzig ist und größer als unser Herz“6.
Der heilige Paulus hat im Brief an die Römer die Hoffnung mit der Geduld verbunden, die eine der Früchte des Heiligen Geistes ist (vgl. Gal 5,22-23). Auch Papst Franziskus tut dies, wenn er schreibt: „Diese christliche Tugend braucht die Welt heute so sehr! Die Welt braucht Hoffnung, so wie sie Geduld so sehr braucht, eine Tugend, die in enger Verbindung mit der Hoffnung steht. Geduldige Menschen weben das Gute. Sie wünschen beharrlich den Frieden, und auch wenn einige es eilig haben und alles sofort haben möchten, so hat die Geduld die Fähigkeit zum Warten. Auch wenn um ihn herum viele der Enttäuschung nachgegeben haben, so ist derjenige, der von der Hoffnung beseelt und geduldig ist, in der Lage, viele dunkle Nächte zu überstehen. Hoffnung und Geduld gehören zusammen“7.
Papst Franziskus unterstreicht, dass die Hoffnung eine Tugend derer ist, die ein junges Herz haben: „Und hier zählt nicht das Lebensalter. Denn es gibt auch alte Menschen mit leuchtenden Augen, die beständig auf die Zukunft ausgerichtet leben. Denken wir an jene beiden großen alten Menschen des Evangeliums, Simeon und Hanna: Sie wurden nie müde zu warten und sahen den letzten Abschnitt ihres Weges von der Begegnung mit dem Messias gesegnet, den sie in Jesus erkannten, der von seinen Eltern zum Tempel gebracht wurde“8.
„Den Primat der Evangelisierung zurückgewinnen“9.
Im Schreiben an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland vom 29. Juni 2019 hat Papst Franziskus unter anderem die Tugend der Hoffnung erwähnt. Er tut dies vor allem im Abschnitt sieben, wo es heißt: „Deshalb ist es, wie Eure Bischöfe bereits betont haben, notwendig, den Primat der Evangelisierung zurückzugewinnen, um die Zukunft mit Vertrauen und Hoffnung in den Blick zu nehmen, denn die Kirche, Trägerin der Evangelisierung, beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren. Als Gemeinschaft von Gläubigen, als Gemeinschaft gelebter und gepredigter Hoffnung, als Gemeinschaft brüderlicher Liebe muss die Kirche unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muss, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist“10.
Im Licht dieser Betrachtungen versteht man besser die Bedeutung, mit Mut und Freude „einmütig das Evangelium der Hoffnung zu verkünden“11. Daher soll die christliche Hoffnung unser Zeugnis und unsere Verkündigung charakterisieren, vor allem in der gegenwärtigen Welt, die kein Interesse an der Gottesfrage zu haben scheint und sich augenscheinlich der Transzendenz verschließt. Viele Menschen leben daher so, als gäbe es Gott nicht – etsi Deus non daretur. Das dringende Werk der Evangelisierung, das mit dem Lebenszeugnis beginnt und von Worten und Werken der Liebe begleitet wird, muss von der Tugend der Hoffnung beseelt sein. Dabei muss man sich ihrer Bedeutung bewusst bleiben, was mit wenigen Worten zusammengefasst werden kann: „Durch die Hoffnung ersehnen und erwarten wir von Gott in festem Vertrauen das ewige Leben und die Gnaden, es zu verdienen“12. Ohne diese Vision bleiben das Handeln der Kirche, wie auch die verschiedenen Versuche von notwendigen Strukturreformen unvollkommen.
Das Leben der Heiligen und Seligen präsentiert Beispiele der christlichen Hoffnung, die alle verstehen. Dank der göttlichen Vorsehung durfte ich während meines Dienstes als Apostolischer Nuntius bei schon einigen Seligsprechungen in Deutschland dabei sein, vor allem von Märtyrern während der Zeit des Nationalsozialismus. Wenn das Martyrium anerkannt wird, ist für die Seligsprechung kein weiteres Wunder nötig. Leider hatte ich noch keine Gelegenheit, eine Heiligsprechung eines deutschen Seligen mitzufeiern. Um zur Ehre der Altäre in der Heiligsprechung erhoben zu werden ist, wie bekannt, nochmals ein Wunder nachzuweisen, eine Heilung, die man mit gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erklären kann. Es handelt sich dabei um eine Gabe Gottes, die aber nach dem Brauch der Katholischen Kirche von den Gläubigen im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet erfleht werden muss. Hier ist ein konkretes Feld, wo die Gläubigen, angeleitet von ihren Hirten, Zeichen des Wachstums in der Entfaltung der Tugend der Hoffnung geben nach der Aussage des Herrn Jesus: „Alles kann, wer glaubt“ (Mk 9,23). Denn „das Gebet bewirkt Wunder, denn das Gebet dringt bis in Mitte der Zärtlichkeit Gottes vor, der uns als Vater liebt“13.
Ich beschließe meine Gedanken mit der Mahnung von Papst Franziskus: „Lassen wir uns fortan von der Hoffnung anziehen und lassen wir zu, dass sie durch uns auf jene überspringt, die sich nach ihr sehnen. Möge unser Leben ihnen sagen: »Hoffe auf den Herrn, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den Herrn!« (Ps 27,14). Möge die Kraft der Hoffnung unsere Gegenwart erfüllen, während wir zuversichtlich auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus warten, dem jetzt und in aller Zukunft Lob und Herrlichkeit gebührt“14.
Fußnoten:
1 Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Nr. 1817.
2 KKK, Nr. 1839.
3 Papst Franziskus, Generalaudienz, Petersplatz, 08. Mai 2024.
4 A.a.O., ebd. – siehe Papst Benedikt, Enzyklika Spe salvi, Nr. 2.
5 A.a.O., ebd.
6 A.a.O., ebd.
7 A.a.O., ebd.
8 A.a.O., ebd.
9 Papst Franziskus, Schreiben an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland, 29. Juni 2019, Nr. 7.
10 A.a.O., ebd.
11 Papst Franziskus, Ansprache an die Delegation der Evangelischen Baptisten-Mission für Roma in Italien, 12. Dezember 2024.
12 KKK, Nr. 1843.
13 Papst Franziskus, Generalaudienz, Petersplatz 12. Mai 2021.
14 Papst Franziskus, Verkündigungsbulle des ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025, 09. Mai 2024, Nr. 25.
kath.net-Lesetipp: Der vom Nuntius zitierte Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland (2019) (Link)
Foto: Nuntius Eterović bei einer Messfeier der aktuellen DBK-Vorversammlung (c) DBK/Marko Orlovic
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