27. März 2025 in Kommentar
Frag den Theologen – „Wir stehen letztlich vor der Alternative, entweder eine schöpferische Urvernunft anzunehmen oder aber unpersönliche Kräfte und Mechanismen, die nicht wissen, was sie wirken, geschweige denn wozu.“
Heiligenkreuz (kath.net/Antonius) kath.net übernimmt den Beitrag „Vom Kosmos zum Logos?“ von Pater DDr. habil. Dominikus Kraschl OFM (Link) aus dem „Antonius“ in voller Länge und dankt der Zeitschrift der österreichischen Franziskaner für die freundliche Erlaubnis zur Weiterveröffentlichung.
Sehr geehrter P. Dominikus! In einer früheren Ausgabe des Antonius (1/2023) erörterten Sie die Frage, ob es belastbare Gottesbeweise gibt. Bei der Lektüre habe ich mich gefragt: Welcher der Gottesbeweise erfreut sich ihrer Einschätzung nach heute der größten Beliebtheit? (Maria, 42)
P. Dominikus: Zunächst eine terminologische Anmerkung: Es scheint mir weniger missverständlich zu sein, von philosophischen Argumenten zu sprechen, um nicht die Assoziation mathematischer Beweise zu wecken.
Was Ihre Frage betrifft: Historisch gesehen dürften Spielarten des sogenannten teleologischen Arguments für Gottes Existenz am verbreitetsten gewesen sein. Sie führen die kosmische Ordnung auf intelligente Planung zurück. Das Fine-Tuning-Argument, das zur Familie der teleologischen Argumente gehört, stößt auch unter renommierten Philosophen, Physikern, Kosmologen und anderen Wissenschaftler auf großes Interesse und hat nicht wenige Anhänger.
Der Ausgangspunkt teleologischer Argumente sind verschiedene Formen der vorfindlichen Ordnung. Dazu gehört die naturgesetzliche Ordnung (Naturordnung), die Ordnung des Guten (axiologische und moralische Ordnung) und die Ordnung des Schönen (ästhetische Ordnung). Sie lassen uns staunend fragen: Warum gibt es überhaupt Ordnung und nicht vielmehr Chaos? Warum sind diese Ordnungen so beschaffen und nicht anders? Verweist die Logizität des Kosmos über sich selbst hinaus? Verweist sie letztlich auf eine transzendente, schöpferische Urvernunft?
Kosmische Feinabstimmung
Betrachten wir eine populäre Variante des teleologischen Arguments: das sogenannte Fine-Tuning- oder Feinabstimmungs-Argument. Es geht von der Beobachtung aus, dass die Grundkräfte, Naturkonstanten und Ausgangsbedingungen unseres Universums (wie z. B. starke und schwache Kernkraft, Gravitation, kosmologische Konstante, Entropie) mit atemberaubender Präzision und Balance aufeinander abgestimmt zu sein scheinen. Die Abstimmung ist so fein, dass bereits minimalste Abweichungen die Entstehung von intelligentem Leben unmöglich gemacht hätten.
Die kosmische Feinabstimmung verlangt nach einer angemessenen Erklärung. Dafür kommen entweder Zufall, Notwendigkeit oder Design in Betracht. Die Feinabstimmung durch Zufall zu erklären, würde bedeuten, die fein aufeinander abgestimmten Werte der physikalischen Grundkräfte und Naturkonstanten als statistisches Zufallsprodukt aufzufassen. Nach dem Motto: Irgendwelche Werte müssen sie ja haben!
Alles nur Zufall?
Das Hauptproblem dieses Erklärungsansatzes ist: Ein solcher Zufall wäre extrem(!) unwahrscheinlich. In etwa so unwahrscheinlich wie zehnmal hintereinander im Lotto (6 aus 45) sechs Richtige zu haben. Bislang scheint es in der Geschichte des Lottospiels keinen dokumentierten Fall gegeben zu haben, bei dem dieselbe Person auch nur zweimal hintereinander sechs Richtige hatte. Eine Erklärung der kosmischen Feinabstimmung durch Zufall wäre, um eine andere Veranschaulichung zu gebrauchen, fast so unwahrscheinlich wie wenn ein Affe wahllos auf einer Schreibmaschine vor sich hin tippen und dabei beispielsweise der Prolog des Johannesevangeliums herauskommen würde! In einem solchen Fall würden wir nicht geneigt sein zu denken: „Das war Zufall!“ Vielmehr würden wir nach einer anderen, besseren Erklärung suchen.
Eine weitere Erklärung der Feinabstimmung durch physikalische Notwendigkeit erscheint nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch extrem unplausibel. Soweit ich sehe, vertritt niemand ernsthaft, dass die Grundkräfte und Naturkonstanten keine anderen Werte haben könnten.
Das Fine-Tuning-Argument
Der persönlich nicht gläubige Physiker Paul Davies urteilte, man könne sich kaum dem Eindruck entziehen, dass hinter der kosmischen Feinabstimmung ein Plan stehe (vgl. Prinzip Chaos. Die neue Ordnung des Universums, München 1988, S. 289f). Ein Plan verweist aber auf einen Planer. Alles in allem verfügen wir für das erstaunliche Phänomen der kosmischen Feinabstimmung nach wie vor über keine bessere Erklärung, als dass sie von einem unvorstellbar mächtigen und intelligenten Planer oder Designer gezielt hervorgebracht wurde. Das Fine-Tuning-Argument lässt sich nach dem Gesagten in folgende Form bringen:
1. Die kosmologische Feinabstimmung ist das Ergebnis von (a) Notwendigkeit, (b) Zufall, (c) Design.
2. Die kosmologische Feinabstimmung ist nicht das Ergebnis von (a) Notwendigkeit oder (b) Zufall.
3. Folgerung: Also ist die kosmologische Feinabstimmung das Ergebnis von (c) Design. [aus (1.) & (2.)]
4. Entfaltung: Also gibt es einen unvorstellbar mächtigen, höchst intelligenten, von der Welt verschiedenen Designer, den wir Gott nennen. [bezogen auf (3.)]
Multiversum als alternative Erklärung?
Kritiker des Fine-Tuning-Arguments brachten die sogenannte Multiversen-Hypothese ins Spiel. Nimmt man an, es existierten gleichzeitig viele, vielleicht sogar unendlich viele Paralleluniversen mit zufällig verteilten Werten der physikalischen Grundkräfte und Naturkonstanten, so wäre es statistisch gesehen nicht mehr völlig unwahrscheinlich, dass einige davon feinabgestimmte Universen wären. Kurz: In einem Multiversum sei die Design-Hypothese überflüssig.
Die Multiversums-Hypothese hat zwar einige Anhänger, kämpft aber auch mit großen Problemen. Einige seien kurz benannt:
a. Es scheint für die Multiversen-Hypothese bislang keine empirischen Anhaltspunkte, geschweige denn Bestätigungen zu geben, weswegen von einer metaphysisch-kosmologischen Spekulation zu sprechen ist.
b. Zudem lässt sich dafür argumentieren, dass eine Erklärung der Feinabstimmung durch Design aussagekräftiger und einfacher und insofern einer Erklärung durch ein Multiversum vorzuziehen ist.
c. Weiters fragt sich, ob ein Multiversum nicht selbst einer Erklärung bedürfte: Warum existiert es überhaupt und warum ist es so beschaffen, dass unser Universum möglich ist? So würde sich beispielsweise für ein Universum, das immerzu neue Universen hervorbringt – eine Art Universen-Generator –, von Neuem die Frage der Feinabstimmung stellen und die Erklärungsbedürftigkeit nur eine Ebene noch oben verschoben.
d. Sodann ist fraglich, ob ein Multiversum überhaupt schlüssig erklären könnte, warum unser Universum fein abgestimmt ist. Die Begründung lautet: Ein Multiversum ohne empirische Belege zu postulieren, ist ein wenig so, wie wenn man den für sich genommen unwahrscheinlichen Umstand, dass ein auf einer Schreibmaschine tippender Affe den Prolog des Johannesevangeliums produziert, damit erklärte, dass in zahllosen Paralleluniversen Affen ebenfalls vor sich hin tippten und dabei alle möglichen Buchstabenkombinationen zu Papier brächten. Mit solchen Spekulationen ließe sich jedes noch so unwahrscheinlich erscheinende Ereignis in ein wahrscheinliches verkehren!
e. Insgesamt stellt die Multiversen-Hypothese eine bloße Spekulation, ja ein Ad hoc-Argument dar, sofern sie nur ins Spiel gebracht wird, um der Schlussfolgerung des Fine-Tuning-Arguments zu entgehen.
Richard Swinburne, ein bedeutender zeitgenössischer Erkenntnistheoretiker und Religionsphilosoph, urteilt von daher: «Eine Billion Billionen andere Universen vorauszusetzen statt eines Gottes, um die Ordnung des Universums zu erklären, kommt dem Gipfel der Irrationalität gleich.» (Is there a God? Oxford 1996, S. 68)
Un- oder Urvernunft im Ursprung?
Was ist der letzte Ursprung und Grund vernünftiger und damit auch wissenschaftlicher Erkenntnis? Was ist der Ursprung der Ordnungen der Natur, der Moral und des Ästhetischen? Wir stehen letztlich vor der Alternative, entweder eine schöpferische Urvernunft anzunehmen oder aber unpersönliche Kräfte und Mechanismen, die nicht wissen, was sie wirken, geschweige denn wozu.
Sollten wir annehmen, unpersönliche Kräfte, die selbst der Erklärung bedürften, hätten durch puren Zufall vernünftige Wesen hervorgebracht, welche die Ordnung und Schönheit des Universums erkennen und über sie staunen könnten? Eine für viele nachdenkliche Menschen einleuchtendere, teleologische Alternative bringt der Prolog des Johannesevangeliums zur Sprache:
«Im Anfang war der Logos (Wort, Vernunft). … Und der Logos war Gott. Alles ist durch den Logos geworden. Und nichts, was geworden ist, ist ohne den Logos geworden. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.»
P. DDr. habil. Dominikus Kraschl OFM lehrt Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz und am Internationalen Theologischen Institut Trumau
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