Jubiläum der Teenager. Barmherzigkeit - die Botschaft von Papst Franziskus

27. April 2025 in Aktuelles


Kardinal Parolin: Die Osterfreude, die uns in Zeiten der Prüfung und der Traurigkeit Kraft gibt, ist heute auf diesem Platz deutlich zu spüren


Rom (kath.net/as) Weißer Sonntag, Sonntag der Barmherzigkeit. Für dieses Jahr war die Heiligsprechung von Carlo Acutis geplant gewesen, die zum Jubiläum der Teenager stattfinden sollte (25.-27. April). Der Tod von Papst Franziskus führte zu einer Verlegung des Termins der Heiligsprechung. Nichtsdestoweniger sind zehntausende Jugendliche nach Rom gekommen, die auch an der Totenmesse für Papst Franziskus am vorhergehenden Samstag teilnehmen konnten. Nach Angaben der Behörden hielten sich am Sonntag rund 200.000 Gläubige im Bereich des Petersplatzes auf.

Der Barmherzigkeitssonntag ist auch der zweite Tag der „Novendiali“ (von lateinisch novem dies, „neun Tage“). Diese sind die neuntägige Trauer- und Gebetszeit nach dem Tod eines Papstes. Der erste Tag der Novendiali ist der Tag des Begräbnisses des verstorbenen Papstes. Während der Novendiali wird an jedem der neun Tage eine feierliche Messe für den verstorbenen Papst gefeiert, meistens im Petersdom. Diese Messen heißen „Missa pro Papa defuncto“ („Messe für den verstorbenen Papst“). Sie sind besonders gestaltet, mit Gebeten für die Seele des verstorbenen Papstes und für die Kirche in der Zeit der Sedisvakanz (also der Zeit ohne Papst). An der ersten Messe (am Begräbnistag) und an der letzten (am 9. Tag) nehmen traditionell besonders viele Kardinäle teil

„Ich grüße euch ganz besonders und möchte euch gern die Umarmung der Kirche und die Zuneigung von Papst Franziskus spüren lassen, der euch so gern getroffen hätte und sich gewünscht hätte, euch in die Augen zu schauen und durch eure Reihen zu fahren, um euch zu grüßen.“

Im Folgenden die Predigt von Kardinal Pietro Parolin am Barmherzigkeitssonntag 2025 bei der Messe auf dem Petersplatz, Jubiläum der Teenager, zweiter Tag der „Novendiali“ (27. April 2025):

Liebe Brüder und Schwestern,

Der auferstandene Jesus erscheint seinen Jüngern, während sie sich aus Angst im Abendmahlssaal eingeschlossen haben und die Türen verriegelt sind (Joh 20,19). Ihre Gemütsverfassung ist aufgewühlt, und ihre Herzen sind voller Trauer, da der Meister und Hirte, dem sie gefolgt waren und für den sie alles aufgegeben hatten, ans Kreuz genagelt worden war. Sie haben Schreckliches erlebt und fühlen sich verwaist, allein, verloren, bedroht und schutzlos.

Das erste Bild, das uns das Evangelium an diesem Sonntag vermittelt, mag auch die Stimmung von uns allen, der Kirche und der ganzen Welt, gut widerspiegeln. Der Hirte, den der Herr seinem Volk geschenkt hat, Papst Franziskus, ist aus seinem irdischen Leben geschieden und hat uns verlassen. Der Schmerz angesichts seines Todes, die Traurigkeit, die uns überkommt, die Betroffenheit, die wir in unseren Herzen spüren, das Gefühl der Verlorenheit: All das erleben wir gerade, wie die Apostel, die um den Tod Jesu trauerten.

Und doch sagt uns das Evangelium, dass gerade in solchen dunklen Momenten der Herr mit dem Licht der Auferstehung zu uns kommt, um unsere Herzen zu erhellen. Papst Franziskus hat uns seit seiner Wahl immer wieder daran erinnert und die Freude des Evangeliums in den Mittelpunkt seines Pontifikats gestellt, die – wie er in Evangelii gaudium schrieb – »das Herz und das gesamte Leben derer [erfüllt], die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere und von der Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – die Freude« (Nr. 1).

Die Osterfreude, die uns in Zeiten der Prüfung und der Traurigkeit Kraft gibt, ist heute auf diesem Platz deutlich zu spüren. Sie spiegelt sich vor allem in euren Gesichtern wider, liebe Jugendliche, die ihr aus aller Welt gekommen seid, um das Heilige Jahr zu feiern. Ihr kommt aus vielen verschiedenen Gegenden: aus allen Diözesen Italiens, aus Europa, aus den Vereinigten Staaten, aus Lateinamerika, aus Afrika, aus Asien, aus den Arabischen Emiraten … durch euch ist wirklich die ganze Welt hier vertreten!

Ich grüße euch ganz besonders und möchte euch gern die Umarmung der Kirche und die Zuneigung von Papst Franziskus spüren lassen, der euch so gern getroffen hätte und sich gewünscht hätte, euch in die Augen zu schauen und durch eure Reihen zu fahren, um euch zu grüßen.

Vergesst angesichts der vielen Herausforderungen, denen ihr euch stellen müsst – ich denke beispielsweise an die Themen Technologie und künstliche Intelligenz, die unsere Zeit besonders prägen –, niemals, euer Leben mit der wahren Hoffnung zu nähren, die in Jesus Christus Gestalt angenommen hat. Mit ihm wird euch nichts zu groß oder zu schwer sein! Mit ihm werdet ihr niemals allein oder euch selbst überlassen sein, auch in den schlimmsten Momenten nicht! Er kommt euch entgegen, wo immer ihr seid, um euch den Mut zu geben, euer Leben zu leben, eure Erfahrungen, eure Gedanken, eure Gaben, eure Träume zu teilen, und in den Gesichtern der Menschen, die euch nah oder fern sind, einen Bruder oder eine Schwester zu sehen, denen ihr Liebe schenken sollt, denen ihr so viel zu geben und von denen ihr so viel zu empfangen habt, um euch zu helfen, großzügig, treu und verantwortungsbewusst zu sein in dem Leben, das vor euch liegt, um euch verstehen zu lassen, was im Leben am meisten zählt: die Liebe, die alles versteht und alles hofft (vgl. 1 Kor 13,7).

Heute, am zweiten Sonntag nach Ostern, dem Weißen Sonntag, feiern wir das Fest der Barmherzigkeit.

Gerade die Barmherzigkeit des Vaters, die unsere Grenzen und Berechnungen übersteigt, hat das Lehramt von Papst Franziskus und sein intensives apostolisches Wirken geprägt, ebenso wie sein Bestreben, diese Barmherzigkeit zu verkünden und mit allen zu teilen. Die Verkündigung der Frohen Botschaft, die Evangelisierung, war das Leitmotiv seines Pontifikats. Er hat uns daran erinnert, dass „Barmherzigkeit“ der Name Gottes ist und dass daher niemand seiner barmherzigen Liebe, mit der er uns aufrichten und zu neuen Menschen machen will, Grenzen setzen kann.

Es ist wichtig, dass wir diese von Papst Franziskus so eindringlich hervorgehobene Botschaft wie einen kostbaren Schatz bewahren. Und – wenn ich das sagen darf – unsere Zuneigung zu ihm, die sich in diesen Stunden so deutlich zeigt, darf nicht nur eine momentane Emotion bleiben. Wir müssen sein Vermächtnis annehmen und es mit Leben füllen, indem wir uns der Barmherzigkeit Gottes öffnen und auch selbst barmherzig miteinander umgehen.

Die Barmherzigkeit führt uns zurück zum Kern des Glaubens. Sie erinnert uns daran, dass wir unsere Beziehung zu Gott und unser kirchliches Leben nicht nach menschlichen oder weltlichen Maßstäben betrachten dürfen, denn die Frohe Botschaft des Evangeliums ist in erster Linie die Entdeckung, von einem Gott geliebt zu sein, der Mitgefühl und Zärtlichkeit für jeden von uns empfindet, unabhängig von unseren Verdiensten. Sie erinnert uns außerdem daran, dass unser Leben von Barmherzigkeit durchdrungen ist: Wir können nur dann nach unseren Niederlagen wieder aufstehen und in die Zukunft blicken, wenn wir jemanden haben, der uns bedingungslos liebt und uns vergibt. Deshalb sind wir aufgerufen, unsere Beziehungen nicht mehr nach berechnenden Kriterien oder blind vor Egoismus zu leben, sondern uns dem Dialog mit den anderen zu öffnen, diejenigen anzunehmen, denen wir auf unserem Weg begegnen, und ihnen ihre Schwächen und Fehler zu vergeben. Nur Barmherzigkeit heilt und schafft eine neue Welt, indem sie das Feuer des Misstrauens, des Hasses und der Gewalt löscht: Das ist die großartige Lehre von Papst Franziskus.

Jesus zeigt uns dieses barmherzige Antlitz Gottes in seiner Verkündigung und in seinen Taten; und wie wir gehört haben, schenkt er uns bei seinem Erscheinen im Abendmahlssaal nach der Auferstehung den Frieden und sagt: »Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten« (Joh 20,23). Damit erklärt der auferstandene Herr, dass seine Jünger, seine Kirche, Werkzeuge der Barmherzigkeit für die Menschheit sein sollen, für alle, die Gottes Liebe und Vergebung annehmen wollen. Papst Franziskus war ein lichter Zeuge einer Kirche, die sich mit Zärtlichkeit den Verwundeten zuwendet und sie mit dem Balsam der Barmherzigkeit heilt; und er hat uns daran erinnert, dass es keinen Frieden geben kann ohne die Anerkennung des anderen, ohne Aufmerksamkeit für die Schwächsten und vor allem kann es niemals Frieden geben, wenn wir nicht lernen, einander zu vergeben und untereinander dieselbe Barmherzigkeit walten zu lassen, die Gott uns allen entgegenbringt.

Brüder und Schwestern, gerade am Sonntag der Barmherzigkeit gedenken wir mit Zuneigung unseres geliebten Papstes Franziskus. Diese Erinnerung ist besonders lebendig unter den Mitarbeitern und Gläubigen der Vatikanstadt, von denen viele hier anwesend sind und denen ich für ihren Dienst danken möchte, den sie täglich leisten. Euch, uns alle, die ganze Welt schließt Papst Franziskus vom Himmel aus in seine Arme.

Wir vertrauen uns der seligen Jungfrau Maria an, der er so sehr verbunden war, dass er die Basilika Santa Maria Maggiore zu seiner letzten Ruhestätte erwählte. Sie möge uns beschützen, für uns Fürsprache einlegen, über die Kirche wachen und die Menschheit auf ihrem Weg in Frieden und Geschwisterlichkeit begleiten. Amen.

 


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