Welt und Herz – „Warum wir die Welt verbessern wollen, das aber eigentlich nicht unser Ziel ist“

22. Mai 2025 in Kommentar


„Richtungsentscheidungen in der Kirche sind nicht nur im Konklave relevant. Jesus fragt jeden von uns, wie wir in Seiner Kirche leben wollen.“ Gastkommentar von Dr. Lukas Matuschek


Köln (kath.net) Richtungsentscheidungen in der Kirche sind nicht nur im Konklave relevant. Jesus fragt jeden von uns, wie wir in Seiner Kirche leben wollen. Wichtiger noch ist zu verstehen, wie Er Seine Kirche mit uns als Seinen Heiligen entwickeln will. Dazu ist das vergangene Konklave ein guter Anlass.

Mir scheint in der Kirche fließen zwei Strömungen. Beide Seiten schließen sich nicht zwangsläufig gegenseitig aus. Ihr Unterschied ist sehr subtil und die Grenze verläuft zumindest bis jetzt ziemlich fließend. Oft zieht sich dieser Unterschied durch die Predigten bei Priestern und unseren Bischöfen. Aber der Unterschied tangiert etwas Essentielles, eine Frage, die von jedem persönlich beantwortet werden muss.

Die eine Seite spricht davon Jesus nachzufolgen. Von der Botschaft des Evangeliums. Von der Notwendigkeit das Reich Gottes aufzubauen. Die Welt besser zu machen, unsere Gesellschaft wieder zusammen zu bringen. Nach dem Vorbild Jesu zu leben um viele unserer Probleme zu lösen. Diese Position ist sehr einprägsam. Insbesondere ist sie offen auf die Welt hin, offen auch auf Menschen, die die christliche Botschaft nicht kennen. Ungewollt stellt sie die kirchliche Moral gewissermaßen in den Mittelpunkt, bietet die kirchlichen Positionen als Maßstab an, weiß mit Argumenten zu überzeugen. Wer würde auch widersprechen, dass mehr Nächstenliebe, Pazifismus, Achtsamkeit, Gerechtigkeit, der Welt in Ihrer aktuellen Lage wirklich helfen würde. Jesus ist der Meister der menschlichen Natur, deshalb hat er in den zehn Geboten und seiner Lehre Antworten auf alle zwischenmenschlichen Schwierigkeiten. Dies kann eine Gesellschaft formen und durchdringen. Am Ende profitieren alle davon, sogar diejenigen, die Gott noch fernstehen, eben weil Werte der Geschwisterlichkeit, der Würde des Menschen, Fairness so universell sind wie Gott selbst. Gott will, dass wir in Frieden auf dieser Erde leben.

Die andere Seite wird der ersten nicht widersprechen. Warum sollte sie auch. Ihr Fokus ist aber ein anderer. Eine Predigt der zweiten Seite verweist auf Jesus, den Sohn Gottes, der für uns gestorben ist um uns den Himmel zu öffnen. Der uns so sehr geliebt hat, dass Er alles auf sich genommen hat um uns von der Sünde zu befreien. Seine Liebe, die wir unverdient empfangen, befreit uns, und ermöglicht eine Antwort unserer eigenen Zuneigung. Für seine Erlösung preisen wir Gott, nennen Jesus, den Sohn Gottes, unseren Bruder und Herr. Aus Liebe zu Ihm legen wir unser Leben Ihm hin zum Dienst, damit er Lob und Dank empfängt. In der Eucharistie vereint sich unser schwaches Opfer mit seinem unendlich wertvollen Kreuz, zu Seiner Freude und unserer Stärkung. Wir empfangen den Leib unseres Gottes um im Herzen bei Ihm zu sein. Unser größtes Ziel, unsere Berufung und die Sehnsucht unserer Seele ist Ihn in Seiner überwältigenden Schönheit zu begegnen. Hier im Jetzt und noch mehr im neuen Jerusalem Seines Reiches.

Wahrscheinlich wird deutlich, dass beide Seiten Ihre Berechtigung haben. Gibt es auch Fallstricke?

Die Versuchung der ersten Seite ist, Gott im Ganzen zu vergessen. Es fällt leicht Fehlschlüsse zu ziehen. Man könnte denken, die Kirche wäre für den Menschen da (Sie ist für Gott da, seine Braut in Ewigkeit). Man könnte meinen, dass die Person Jesus weniger wert ist als die Botschaft der Nächstenliebe (Er selbst ist die Botschaft). Überhaupt, könnte man zu Kompromissen neigen, dass Brüderlichkeit und Einheit im Zweifel wichtiger sind, als die Frage wo die Wahrheit liegt (Nur die Wahrheit befreit). Die Frage ob Jesus Gott war (und ist!), oder nur Lehrer, ein Vorbild, erscheint zweitrangig, wenn man sich auf das Verbessern der Welt konzentriert. Der Kampf gegen Klimawandel, für soziale Gerechtigkeit, gegen Unterdrückung erscheint plötzlich als höchste Priorität, weil Jesus es vermeintlich auch so getan hätte. Ist das echte Freiheit, die Freiheit der Kinder Gottes, die Jesus gebracht hat? Die Versuchung der ersten Seite ist, Jesus, unseren König und Herrn, zu verzwecken. Aber das Evangelium ist kein weiterer Baukasten für eine bessere Welt. Das Evangelium ist einzigartig. Es ist die einzige Chance dem Höchsten nah zu kommen.

Der Fallstrick der anderen Seite ist schnell gefunden, weil er in unserer atheistisch-aufgeklärten Kultur der Hammer ist, den jeder gegen seine Religion in die Hand bekommt. Religion wäre Opium. Der Himmel nur Vertröstung. Ein Gebetsleben sinnlos. Gottesliebe unfruchtbar, wenn man sie nicht in Taten sieht. Es ist die natürliche Angst, dass man das Ich in Gott verlieren könnte, und dabei das richtige Leben und reale Mitmenschen vergessen könnte.

Aber ich glaube die Gefahr ist minimal. Ich habe in meinem Leben noch niemanden getroffen, der ansatzweise so fromm ist, dass er seine weltlichen Pflichten (und Vorlieben und Laster) vernachlässigt. Und aus eigener Erfahrung bin ich mir sicher, dass ein tiefes Gebetsleben dazu führt, dass wir unsere Aufgaben besser wahrnehmen. So wie ich unseren Herrn kenne, neigt Er dazu uns unsere Pflichten bei Bedarf sehr klar vor Augen zu führen. Es mag in einigen Phasen des Lebens Momente geben, wo man zu Gott kommt um Problemen aus dem Weg zu gehen. Der Heilige Geist und jeder Beichtvater wird einem dann aber den Weg aufzeigen, sich der Realität so zu stellen, wie der Herr es gewollt hat. Deshalb lohnt es sich, Gott sein Leben ganz und ohne Angst zu schenken. Er erwidert es schon hier auf Erden und noch mehr dann in seinem Haus.

Man muss es auch klar sagen: Der erste Weg ist weltlich zum Scheitern verurteilt. Jesus selbst konnte die Welt äußerlich nicht verbessern, sondern hing am Kreuz. Wir sollen Ihm nachfolgen aber wir wissen wie es für uns endet, wenn wir konsequent sind. Jeder der Hoffnung darin setzt mit eigener Anstrengung, Argumenten und reinem Optimismus positive Veränderungen herbeizuführen, wird enttäuscht werden, weil er die menschliche Sünde unterschätzt. Unsere Hoffnung muss darin liegen in unserem Kampf Christus zu begegnen. Deshalb sind christliche Werte ohne Glauben nutzlos. Mehr noch, wenn wir christliche Werte nur leben, weil wir sie selbst gut und richtig finden, bauen wir auf unserem eigenen Urteil. Folgen wir Gott oder folgen wir unserem eigenen Herz? Was ist unser Fundament? Der erste Weg neigt dazu unsere wahren Beweggründe zu verschleiern. Niemand kann unterscheiden warum wir Gutes tun. Wenn wir es nicht für Gott tun, was ist das größte Opfer dann wert? Sind wir für den ersten Weg wirklich bereit?

Deshalb ist es so wichtig, dass jeder für sich selbst, die zweite Seite mehr verinnerlicht, und die zweite Seite in unserem Umfeld mehr zur Sprache bringt. Es geht wirklich um das Warum. Jeder kleine Akt der Liebe kann mit der Hingabe an Gott zu einem ewigen Schatz werden, wenn es Ihm und nicht nur uns wohlgefällt. So werden wir zu Heiligen die unsere Kirche braucht.

Es ist eine Freude, dass unser neuer Papst, Leo XIV, in seinen ersten Ansprachen gerade den zweiten Weg zur Geltung bringt. Tun wir es ihm gleich.

Der Autor Dr. Lukas Matuschek (36) ist Ehemann und vierfacher Vater. Er lebt im Erzbistum Köln.


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