12. Juni 2025 in Spirituelles
Willst du ein Leben als homo viator führen oder ein Leben als homo superbus? Du musst wissen, wer du bist, ehe du wissen kannst, wohin du gehst.
New York (kath.net / pk) Wie findet man zu einem erfüllten Leben? Man müsse sich damit befassen, wer wir als Menschen eigentlich sind, schreibt Joseph Pearce in einem Artikel im „National Catholic Register“. „Wir alle müssen damit beginnen, uns selbst im Kontext der grundlegenden Realität, deren Teil wir sind, kennenzulernen, bevor wir den besten Weg im Leben erkennen können. Wir müssen wissen, wer wir sind, bevor wir wissen können, wohin wir gehen sollen.“
Er analysierte sechs anthropologische Zuschreibungen, die jeweils auf einem bestimmten Verständnis oder Missverständnis dessen beruhen, wer wir als Menschen sind: Homo sapiens, Homo technologicus, Homo economicus, Anthropos, Homo superbus und Homo viator.
Homo sapiens: Dies bedeutet wörtlich „weiser Mensch“ und sei „offensichtlich eine absurde Zusammenfassung des Hauptmerkmals der menschlichen Spezies“, meint Pearce. „Wenn es eine Eigenschaft gibt, die nicht auf die kollektive Erfahrung der Menschheit im Laufe ihrer Geschichte zutrifft, dann ist es Weisheit.“ Jede Generation mache ähnliche Fehler wie die vorherige und weigere sich, die Lehren aus der kollektiven Erfahrung der Geschichte zu beherzigen. Der Begriff „homo sapiens“ wolle nicht wirklich sagen, dass wir „weise“, sondern lediglich, dass wir „klug“ seien, wofür der Begriff „homo technologicus“ passe, schreibt Pearce.
Homo economicus: Dieser Begriff reduziert den Menschen auf einen Faktor von Produktion und Konsum, „der auf dem Markt für Waren und Dienstleistungen sowohl als Produzent als auch als Konsument seine Rolle spielt“. Unser Zweck sei es, „ein Rädchen im Marktmechanismus zu sein, was der entmenschlichende Preis ist, den wir für die Dinge zahlen, die der Mechanismus für unseren Komfort und unser Vergnügen bereitstellt“.
Anthropos: Diese Bezeichnung geht zurück auf die Griechen. Nach Auffassung Platos ist der „anthropos“ einer, der sich nach oben wendet, was ihn von anderen Lebewesen grundlegend unterscheidet. „Während andere Lebewesen Sklaven ihrer Instinkte und Begierden sind, überwindet der Mensch seine materiellen Bedürfnisse, indem er nach transzendentalen Dingen wie Güte, Wahrheit und Schönheit strebt.“ – „The animal grazes, whereas man gazes“, schreibt Pearce. Während das Tier frisst und seinem Instinkt folgt, ist es der Mensch, der schaut, wahrnimmt und staunt.
Thomas von Aquin sah darin den Weg zur Wahrnehmung der tiefsten Realität. Er lehrte, dass es einen fünffachen Prozess der Wahrnehmung gebe: Zunächst einmal ist Demut die notwendige Voraussetzung. Die tugendhafte Frucht dieser Demut ist ein Gefühl der Dankbarkeit, das die Augen für das Wunderbare öffnet. Nur wenn die Augen vor Staunen geöffnet sind, werden wir zur Kontemplation bewegt, und nur durch Kontemplation erfahren unser Verstand und unser Herz „dilatatio“ – die Öffnung unserer Wahrnehmung für die Fülle der tiefsten metaphysischen Wahrheiten. Diese könnten als die fünf metaphysischen Sinne (Demut, Dankbarkeit, Staunen, Kontemplation, Dilatation) betrachtet werden, denen unsere fünf physischen Sinne dienen sollen, schreibt Pearce.
Homo superbus: Während der „anthropos“ Demut voraussetzt, ist der homo „superbus“ der stolze Mensch, welchem die Demut fehlt. „Der stolze Mensch, dem es an Demut mangelt, hat kein Gefühl der Dankbarkeit“, erklärt Pearce. „Da ihm Dankbarkeit fehlt, sind seine Augen nicht voller Staunen, sondern verschlossen aus Zynismus.“ Ohne Staunen entstehe eine narzisstische Verschlossenheit. „Ein solcher Narzissmus, der nur ein Spiegelbild seiner selbst sieht, kann nicht über sich selbst hinausblicken, um sich mit der metaphysischen Realität auseinanderzusetzen.“
Homo viator: Dies bedeutet der Mensch auf einer Reise, einer Suche oder einer Pilgerreise. „Dieses Verständnis davon, wer wir sind, betrachtet unser individuelles Leben als eine Reise mit einem bestimmten Ziel, nämlich der Vereinigung der individuellen Seele mit ihrem Schöpfer in dessen ewiger Gegenwart im Himmel. Deshalb ist der homo viator nicht nur auf einer Reise, sondern auch auf einer Suche oder einer Pilgerreise. Er hat seinen Blick auf den Himmel gerichtet und richtet sein Leben auf das Ziel aus, dorthin zu gelangen.“
Der „homo viator“ ist untrennbar mit dem „anthropos“ verbunden. „Nur die wahrhaft demütige Seele, die mit staunenden Augen den Blick offenhält, wird den Pilgerweg weitergehen; der stolze Mensch wird in jede Richtung wandern, die ihm im gegenwärtigen Moment gefällt, ohne Rücksicht auf das Ziel, weshalb er sich wie Dante im dunklen Wald der Sünde verirrt“, schreibt Pearce.
„An diesem Punkt kann er entweder eine Bekehrungserfahrung machen und göttliche Hilfe suchen, um ihm die höllischen Folgen der Sünde und die läuternden Früchte der Reue zu zeigen, oder er kann in seinem Stolz hartnäckig bleiben und sein Leben wie Macbeth beenden, in dem Glauben, dass das Leben nichts anderes ist als ,eine Geschichte, erzählt von einem Idioten, voller Lärm und Wut, die nichts bedeutet‘.“
„Letztendlich können wir entweder erkennen, wer wir sind, indem wir uns daran erinnern, wozu wir berufen sind, nämlich anthropos und homo viator, oder wir können nichts erkennen, weil wir als homo superbus glauben, dass das Leben nichts ist und keine Bedeutung hat. Es ist die Wahl zwischen Leben und Tod, zwischen der Kultur des Lebens und der Kultur des Todes. Es ist die Wahl zwischen Leben und Selbstmord. Letztendlich ist es die Wahl zwischen Himmel und Hölle.“
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