‚Habemus Papam‘ – Ein Ruf in die Tiefe, ein Blick der Hoffnung in die Zukunft

26. Juli 2025 in Kommentar


Der 8. Mai 2025, ein neuer Papst und die Wende der Zeit: Leo XIV., das Ende der Anthropozentrik und der Anfang aus der Mitte Christi. Von Walter Kardinal Brandmüller


Rom (kath.net/as/wb) Unerwartet früh, schon am zweiten Tag des Konklave nach dem Tode Papst Franziskus‘ war es weißer Rauch, der dem Kamin der Cappella Sistina entquoll – Habemus Papam! Die Nachricht war wie ein scharfer Windstoß, der die Wolken zerreißt, den Blick in weite Ferne und Tiefen des Himmels öffnet. Und dann die Überraschung: Erst seit kaum drei Jahren Kardinal, Amerikaner, wer hätte es gedacht! Die Spannung löste sich, als der eben Gewählte den Balkon der Basilika betrat. Seine Gestalt, sein Friedensgruß, sein päpstliches Gewand ließen aufatmen, ließen einen neuen Anfang erkennen. Begrüßt vom Jubel der mehr als hunderttausend Gläubigen auf dem Petersplatz erteilte er den ersten Segen Urbi et Orbi.

Schon in diesem Augenblick ließ der Jubel der Menge ein Aufatmen, Erleichterung,. die Hoffnung spüren, die Lösung der wochenlangen Spannung, die seit dem Tod von Franziskus geherrscht hatte: Habemus Papam – Pax vobis!

Es war der 8. Mai, ein mehrfach denkwürdiger Tag. Am 8. Mai des Jahres 1945 war der II. Weltkrieg zu Ende gegangen, vor achtzig Jahren. Und mit der NS-Schreckensherrschaft war auch der Zerfall der Sowjetunion eingeläutet worden. An eben diesem 8. Mai feiert die Kirche das Fest der Erscheinung des Erzengels Michael auf dem Monte Gargano, ein europäisches Fest auch auf dem Mont Saint-Michel in der Normandie. Termin und Ziele europäischer Wallfahrten seit dem Mittelalter.

Und nun auch die Papstwahl an eben diesem Fest des Princeps militiae caelestis, des Führers der himmlischen Heerscharen im Kampf gegen Satan. - Ist es vermessen, in diesem Zusammentreffen einen hintergründigen Zusammenhang, die lenkende Hand des Herrn der Geschichte, zu erkennen? So fragen wir in einem historischen Augenblick, in dem die Weltmächte angesichts der Auflösung der bisherigen Bipolarität von Ost/West sich neu zu ordnen und neue Machtblöcke sich zu bilden scheinen, sich neue Horizonte öffnen. Nunmehr sind Asien, Afrika die Kontinente der Zukunft. Dabei ist es ungewiss, welche Bedeutung der „Alten Welt“, Europa, in Zukunft noch zukommen wird. Allem Anschein nach hat sich der Schwerpunkt des Weltgeschehens von dem alten Dreieck London – Paris – Berlin endgültig nach dem Osten und Süden des Globus verlagert.

Eine ungleich folgenreichere Entwicklung vollzog sich zugleich im Bereich der Wissenschaften. Während noch im 19. Jahrhundert die Geisteswissenschaften den ersten Rang im Gefüge der Universitäten innehatten, vollzog sich durch die explosionsartige Entwicklung der Naturwissenschaften ein kultureller Prozess von säkularer Bedeutung. Dank ihrer spektakulären Erfolge kam es zu einem zunehmenden Bedeutungsverlust der Geisteswissenschaften. Bald bedeutete „Wissenschaft“ schlechthin nur noch Physik, Chemie, Biologie etc. Dem entsprach eine materialistische Weltanschauung, die nun das kulturelle, gesellschaftliche Leben in weiten – besonders städtischen – Milieus bestimmte, in dem Glaube und Kirche nur noch ein Randdasein führten.

Dass seit geraumer Zeit auch Manipulationen am menschlichen Genom möglich sind, zugleich Raumsonden in die Tiefen des Alls vordringen und künstliche Intelligenz den menschlichen Verstand manipulieren, gar ersetzen möchte, zeigt, wie nahe pervertierte Intelligenz der Grenze gekommen ist, die zu überschreiten Selbstzerstörung des Menschen bedeuten würde. In diesem geistesgeschichtlichen Augenblick kommt der Kirche Jesu Christi eine noch nie dagewesene Bedeutung zu: für den Menschen, die Welt. Vor eben diesem Hintergrund sind die jüngste Sedisvakanz und das folgende Konklav.e zu sehen. Nach den Erfahrungen des zu Ende gegangenen Pontifikats war den Wählern die Notwendigkeit von Kurskorrektur und entschiedenem Neubeginn bewusst.

Welcher der einst immer wieder genannten Papabili mochte es sein? Jedenfalls erwarteten viele, wenn nicht die meisten, gewiss kein kurzes Konklave. Umso größer daher die Überraschung, als schon am Abend des 8. Mai es weißer Rauch war, der dem Kamin der Cappella Sistina entquoll. Was war da geschehen? Wie konnte in dieser Situation in so kurzer Zeit ein Ergebnis erzielt werden? Die Überraschung war dann perfekt, als Kardinal Dominique Mamberti den Namen des Gewählten nannte, den außerhalb der Kurie nur wenige kannten, und nun zum ersten Mal in zweitausend Jahren ein US-Amerikaner gewählt wurde: Robert Prevost.

Wer war dieser Papst, dessen Name nur Insidern bekannt war? Bald wusste man mehr über Herkunft und Lebenslauf des Petrus-Nachfolgers. Anfänge im Augustiner-Orden: Lehrer des Kanonischen Rechts, leitende Funktion en in der Priesterausbildung, dann für zwölf Jahre Generaloberer eines Ordens, der in fünfzig Ländern der Erde tätig ist. Schließlich war er Bischof einer Diözese in Peru, und zu guter Letzt für zwei Jahre Präfekt der Bischofskongregation und Kardinal.

Welcher seiner Vorgänger auf der Cathedra Petri hätte jemals eine so langjährige Erfahrung auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens erwerben können, ehe er zum Nachfolger des Ersten der Apostel gewählt wurde? All das wurde nun nach und nach bekannt. Und es begannen die Fragen: würde der neue Papst die je eigenen, persönlichen Erwartungen, Hoffnungen, erfüllen, Befürchtungen zerstreuen? Wird nicht doch alles beim Alten bleiben – oder ein neuer Wind, aus welcher Richtung auch immer, wehen?

So die besorgten, die erwartungsvollen Fragen. Auf sie alle antwortet Papst Leo mit wenigen Worten nur – aber mit bewußtem Handeln. Er trägt am rechten Ort zur rechten Zeit das rechte päpstliche Gewand und findet das rechte Wort: Hier steht, spricht und handelt der Nachfolger jenes Simon Bar Jona, dem Jesus Christus die Schlüssel des Himmelreichs übergeben und den Auftrag erteilt hat: „Weide meine Schafe“. Hinter diesem Auftrag, dem Leo folgt, tritt Robert Prevost aus Chicago nunmehr ganz zurück. Das, in der Tat, scheint die Botschaft zu sein, die er vor jedem Wort durch seine bloße Erscheinung aussendet.

Es ist, wie Johannes der Täufer, der Wegbereiter Jesu Christi, der erkennen lässt: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“. Eben diesen Eindruck erweckt der neue Papst, in dessen Erscheinung Demut, Bescheidenheit sich mit dem Bewusstsein von Vollmacht und Sendung wie selbstverständlich vereinen.

Es ist offenkundig: stillschweigend, aber in vielen Zeichen erkennbar, hat sich eine in ihren Auswirkungen noch nicht abzusehende Wende ereignet: von der Anthropozentrik der letzten Jahre hin zur Theo-Christozentrik. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ beginnen nun Ansprachen, Predigten des Papstes. Und deren Themen sind nicht mehr Umwelt, Klima, Migranten und Ökonomie, sondern die zentralen Botschaften des Evangeliums. Es geht um Offenbarung, Menschwerdung des ewigen Wortes ,um die Erlösung von Mensch und Welt. Mit welch väterlicher Liebe spricht Leo XIV. zu Seminaristen auf dem Weg zum Priestertum., zu den so oft gescholtenen und entmutigten Priestern, durch deren Reihen jetzt schon ein Aufatmen der Erleichterung geht. Es ist sein warmherziger, väterlicher Ton, mit dem der Papst Ohren und Herzen der Seminaristen für sein Wort aufschließt. Fern aller konventionellen Phraseologie ist es gedankliche Tiefe, sprachliche Klarheit, die Leos XIV. Texte auszeichnen. Vor allem aber ist das „Geheimnis des Glaubens“ schlechthin Inhalt der Worte des Hirten.

Welch zentrale Bedeutung dem eucharistischen Opfer und Sakrament in Verkündigung und Lehre zukommt, hat Leo XIV. am eindrucksvollsten an seinem ersten Fronleichnamsfest gezeigt, da er die Monstranz mit dem Allerheiligsten Sakrament vom Lateran bis S. Maria Maggiore eigenhändig getragen und damit ein bewegendes Glaubenszeugnis abgelegt hat.

Streiflichter aus den ersten Wochen seines Pontifikats: Diese Wende in kleinsten Zeichen vollzieht der Papst geradezu im Vorübergehen, ohne Kritik am Vergangenen - und darum umso eindrucksvoller.

Als an jenem denkwürdigen 8. Mai Kardinal Mamberti den Namen des eben gewählten Papstes verkündete, verharrte die Menge auf dem Petersplatz in einem Augenblick des Schweigens. Wer war Robert Prevost? Dann aber brach Begeisterung aus: der erste amerikanische Papst! Nord- und Südamerika konnten ihn für sich in Anspruch nehmen, ihn einen der Ihren nennen – welch ein Schritt in die Zukunft, in die Weite! So wird aus den USA, aus dem Süden des Kontinents, berichtet. Und Europa? Was hörte man aus Frankreich, England, Deutschland?

Keine Frage, dass Italien und das katholische Mittel- und Osteuropa in das Viva il Papa! einstimmten. Aber im Westen, im deutschsprachigen Raum – da war kaum Begeisterung, da war verhaltene vorsichtige Erwartung zu erkennen. In Deutschland wahrte man die Form, drückte eher Erwartungen aus, gab sich loyal, und sah die eigene Agenda auch als jene des Papstes – etwas zu beflissen.

Darin unterschieden sich – reden wir von Deutschland – die Protagonisten des Synodalen Weges, keineswegs von den Anhängern der Tridentinischen Messe“. Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen richteten sich von beiden Seiten auf den neuen Papst.

An ihm ist es nun, Reihenfolge und Tempo von Reformen abzuwägen und zu bestimmen.  An uns alle aber richtet sich die Erwartung, dass wir mit Loyalität und unserem Gebet das Programm des Heiligen Vaters unterstützen, auch wenn unsere Lieblingsideen dabei - vorläufig – in den Hintergrund treten sollten. Also: Oremus pro Pontifice nostro Leone: der Herr erhalte ihn, schenke ihm Lebenskraft und mache ihn glücklich auf Erden und lasse ihn nicht seinen Feinden in die Hände fallen!

 


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