Lebensschutz ist und bleibt ein Kernthema für Christen

25. August 2025 in Kommentar


Der arbeitsrechtliche Prozess eines Gynäkologen in Westfalen zeigt deutlich, wie groß die Notwendigkeit zu maximaler Klarheit in Fragen des Lebensschutzes für die Kirche sein muss. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Bonn (kath.net)

In Lippstadt in Westfalen wurde ein evangelisches Krankenhaus von einem katholischen Träger übernommen. In diesem Krankenhaus ist Joachim Volz als Chefarzt in der Frauenheilkunde tätig. Außer seinem Dienst als Arzt hatte Volz in der Vergangenheit auch die Dienstleistung ungeborene Kinder zu töten im Portfolio. Nebenher führt dieser Arzt noch eine Privatpraxis in Bielefeld, in der er ebenfalls diese „Dienstleistung“ angeboten hatte. Mit Übernahme der Klinik durch einen katholischen Träger musste damit Schluss sein. Katholische Einrichtungen erlauben die Abtreibung nur in Grenzfällen, wenn das Leben der Mutter unmittelbar gefährdet ist. Der arbeitsrechtliche Prozess, den Volz gegen den Träger anstrebte, ging in erster Instanz zu Gunsten des Trägers (und zu Gunsten der ungeborenen Kinder) aus. Der Prozess geht nun in die nächste Instanz und sollte es dort keinen Erfolg (zu Ungunsten der ungeborenen Kinder) geben, wird man, so ließ der Arzt verlauten, den politischen Weg gehen müssen. Der Prozess findet unter lebhafter Begleitung der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) statt. Joachim Volz wird von einem Beirat des „Institut für Weltanschauungsrecht“, den die Stiftung als ihre juristische Taskforce bezeichnet, begleitet. Spätestens hier sollte es klingeln. Wie auf der Seite der GBS nachzulesen ist, kam Volz durch Renate Hänel mit Stiftung und Institut in Berührung.

Nun kann man wissen, worum es im Kern wirklich geht. Erst jüngst, in der Debatte um die Position zur Menschenwürde, die die umstrittene Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf vertritt, war deutlich geworden, dass politisch linke Kräfte in Deutschland endlich zum Sturm auf den §218 StGB blasen wollen. Man spricht in kampfatheistischen Kreisen gerne von einem „katholischen Abtreibungsverbot“ und framt dies als frauenfeindlich. Auch linken und grünen Kräften im deutschen politischen Spektrum ist die noch immer einigermaßen klare Haltung des deutschen Staates und der deutschen Rechtsprechung zum Schutz des menschlichen Lebens, welcher direkt aus der unverlierbaren Würde eines jeden Menschen zu jeder Zeit seines Lebens resultiert, ein Dorn im Auge. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1993 sehr klar festgestellt, dass es eine Legalisierung der vorgeburtlichen Kindstötung nicht geben kann. Die Rechtssystematik der bundesdeutschen Verfassung lässt das schlicht und ergreifend nicht zu. Naturrechtlich gibt es keine Rechtfertigung dafür. Ein Staat wie Frankreich, wo man ein erfundenes Recht auf Abtreibung in die Verfassung schreibt, richtet sich gegen die Natur und damit am Ende auch gegen die Frauen, denen man ein vermeintliches Recht einräumt. In Deutschland wurde eine – schlechte – Kompromissformel gefunden, die Abtreibung nach wie vor für rechtswidrig erklärt, aber von Bestrafung in den ersten 12 Wochen absieht. Das ist nicht gut. Das ist auch nicht hilfreich, wenn nach wie vor über 100.000 Kinder Jahr für Jahr vor ihrer Geburt getötet werden. Es ist noch schlimmer, dass der Staat sich nicht um die Pflicht kümmert, die Schutzwirkung dieses Gesetzes zu evaluieren, was ihm von den Bundesverfassungsrichtern damals auferlegt wurde.

Im derzeitige Koalitionsvertrag hat sich die CDU in mehr als einem Punkt über den Tisch ziehen lassen. Bei der Finanzierung der vorgeburtlichen Kindstötung durch die Krankenkasse ist der Fall besonders dramatisch. Krankenkassen dürfen keine rechtswidrigen Maßnahmen bezahlen. Abtreibung ist hingegen rechtswidrig, folglich können die Kassen die Kosten nicht tragen. Man wird also weiterhin damit leben müssen, dass eine Initiative zur Abschaffung des §218 StGB die nächste jagt. Joachim Volz, jener Arzt, der hier nun als hehrer Streiter wider das Leben ungeborener Kinder auftritt, ist 67 Jahre alt. In einem Interview sagt er aus, dass er in zwei Jahren in Rente gehen wolle. Bei Ärzten, insbesondere bei Chefärzten, kann man davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Interessen kurz vor der Verrentung nicht mehr die allergrößte Rolle spielen dürften. Volz könnte sich in seine Privatpraxis zurückziehen und dort die letzten Jahre bis zur Rente verbringen. Bei Verhandlungen über einen Auflösungsvertrag würde sich der gegenwärtige Arbeitgeber vermutlich sogar mit einem ordentlichen goldenen Handschlag einverstanden erklären. Berufliche oder wirtschaftliche Ziele dürften also nicht im Mittelpunkt stehen. Es geht ums Prinzip. Der §218 soll weg. Und Volz bietet seinen Fall offensichtlich nur zu gerne als einen Baustein in diesem politischen Kampf an. Von der linken Flanke assistiert die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carmen Wegge. Diese forderte gegenüber der taz am 14. August, dass konfessionelle Krankenhäuser verpflichtet werden sollen, Abtreibungen durchzuführen, wenn sie öffentlich finanziert werden. Mit öffentlich finanziert ist vermutlich ein Versorgungsvertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen gemeint. Würde eine solche Regelung Gesetzeskraft erlangen, müssten alle gynäkologischen Abteilungen in katholischen Krankenhäusern schließen. Mehr noch, es käme einem Berufsverbot für katholische Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern gleich, da diese dann ja auch eine Mitwirkung an Abtreibungen nicht verweigern dürften. Glaube bitte niemand, dass linke Ideologen des Todes hier irgendwelche Rücksichten nähmen.

Gehen wir einen Schritt weiter. Fiele der §218 StGB und würde dann – was sicher zu erwarten ist – die vorgeburtliche Kindstötung Kassenleistung, so wie es beispielsweise auch von Berichten im EU-Parlament immer wieder im Rahmen „reproduktiver Gesundheit“ gefordert wird, dann gälte sofort das Wirtschaftlichkeitsprinzip. Das heißt, dass im Falle einer während einer Schwangerschaft festgestellten Erkrankung oder Behinderung des ungeborenen Kindes der Arzt gezwungen wäre, die Wirtschaftlichkeit aller folgenden Maßnahmen abzuwägen. Für ein krankes oder behindertes Kind wäre das immer das Todesurteil, wenn die Eltern nicht unterschreiben, dass sie selbst die Folgekosten – hier die Behandlung des Kindes – künftig tragen. Das kann unter Umständen bedeuten, dass die Kasse nicht einmal mehr eine komplizierte oder aufwändigere Geburt bezahlen würde. Das vermeintliche Recht sein Kind zu töten, würde zu einer grausamen Pflicht, wenn das Kind einer von Versicherungsmathematikern erfundenen Norm nicht entspricht.

Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass die Kirche in dieser Frage nicht nur größte Klarheit braucht, sondern auch entschieden und klug ihre Rechte unbedingt vertreten muss. Um es auf eine ganz einfache Formel zu bringen: Die schwangeren Frauen und ihre ungeborenen Kindern brauchen die Sicherheit, dass es Kliniken gibt, in denen die Kinder überleben dürfen. Es liegt hier wirklich nicht zuletzt an den Bischöfen, den Menschen im Land klarzumachen, dass sich die Kirche niemals an einer Unkultur des Todes beteiligen wird. Die Kirche darf aber auch nicht aufhören, dafür zu streiten, dass sie Kindern und ihrem Müttern den Schutz des Lebens unbedingt garantieren kann. Und das geht nur in eigenen Kliniken!  Machen wir uns bitte keine Illusionen. In absehbarer Zeit kann der §218 StGB fallen. Je nach Besetzung des Bundesverfassungsgerichts kann es sein, dass künftig auch das höchste deutsche Gericht das Leben der ungeborenen Menschen durch (partielle oder temporäre) Aberkennung der – dem Grunde nach unverlierbaren – Würde, nicht mehr schützen wird. Wer, wenn nicht die Kirche, wird dann das Leben noch schützen? Wer wird den Menschen erklären, dass auch das kranke und behinderte Leben geliebt, gewollt und lebenswert ist? Wer wird Müttern beistehen, die intuitiv ahnen, dass es nicht recht wäre, ihr Kind zu töten? Wer wird Ärzte, Hebammen und Krankenschwestern davor bewahren an den Untaten gegen das ungeborenen Leben mitwirken zu müssen? Das wird niemand anders sein als die Kirche! Jeder Bischof, der sich heute meint aus vermeintlicher politischer Klugheit hier eines klaren und deutlich vertretenen Standings für das Leben enthalten zu können, öffnet die Tür zur Unkultur des Todes. Und sei es nur ein winziger Spalt, schon das ist schlimm genug!

Gehen wir zurück in die Antike: Eines der stärksten Argumente für die Christen war es, dass wir die Kranken pflegen, uns um die Alten kümmern, die Armen speisen, die Kinder nicht aussetzen und die Leibesfrucht nicht töten. Die Caritas, nicht als gewinnorientierter Sozialkonzern, sondern als gelebte Nächstenliebe, die von der Gottesliebe nicht zu trennen ist, war es, was die Menschen zu den Christen trieb. Das kann – und das wird – auch in der Zukunft wieder so sein, wenn das Neubarbarentum und das Neuheidentum den Weg in unsere Gesellschaft, in unser Recht und in unsere Medizin unbegrenzt fortsetzt. Heute und immer wieder heute müssen sich Christen entscheiden, dem Leben mit aller Kraft und egal unter welchen politischen oder rechtlichen Vorzeichen jeden nur möglichen Schutz zu gewähren. Etwas anderes wäre vor Gott und den Menschen nicht vertretbar. 

Bild oben: Die Gesichter kleiner Kinder sind unterm Strich das beste Argument für das Leben. Doch auch mit Vernunft und mit dem Recht müssen wir argumentieren lernen. Foto: Pixabay


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