23. September 2025 in Kommentar
„Eine seltsame Gebetsformel macht sich unter einigen Messzelebranten breit. Anstatt der vorgegeben Form ‚...der lebt und herrscht in Ewigkeit‘ beten sie ‚...der lebt und wirkt in Ewigkeit‘.“ Gastkommentar von Johanna M.
Linz (kath.net) Eine seltsame Gebetsformel macht sich unter einigen Messzelebranten breit. Anstatt der vorgegeben Form „...der lebt und herrscht in Ewigkeit“ beten sie „...der lebt und wirkt in Ewigkeit“.
Man kann nur Vermutungen darüber anstellen, was sie dazu bewegt. Vielleicht hört sich das Wort „herrschen“ für sie zu hart an. Das Verb „wirken“ klingt weicher und damit vermeintlich passender.
Als Gläubiger ist man allerdings überrascht, dass den Zelebranten hier biblisches und theologisches Bewusstsein zu fehlen scheint. Jesus selbst legt dar, wie er Herrschaft versteht. „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“ (Mt 20, 25–27) In der Offenbarung nach Johannes heißt es zur Herrschaft Jesu etwas drastischer: „Aus seinem Mund kam ein scharfes Schwert; mit ihm wird er die Völker schlagen. Und er herrscht über sie mit eisernem Zepter, und er tritt die Kelter des Weines, des rächenden Zornes Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung.“ (Off 19,15)
Schaut man aber in den griechischen Text, dann steht dort für das Wort „herrschen“ - „ποιμανει“. Die Wortbedeutung des Wortstammes (ποιμαινοω) wird wie folgt übersetzt: Hirte sein, die Herde weiden oder hüten, lenken, nähren, hegen, pflegen, lindern und regieren. Wer würde sich davor scheuen das Wort „herrscht“ in diesem Sinn zu verwenden. Ist es nicht genau das, was die Welt braucht, wonach sich viele sehnen, dass einer herrscht, der die Titel Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens (vgl. Jes 9,5) trägt, und über den gesagt wird, dass seine Herrschaft groß sein wird, und der Friede kein Ende haben wird, dass er das Reich festigt und stützt durch Recht und Gerechtigkeit für alle Zeiten (vgl. Jes 9,6)?
Wenn man ausdrücken möchte, dass jemand evtl. ein falsches Verhalten zeigt, und man lieber sehen würde, dass er es ändert, wird manchmal gesagt „man sollte auf ihn einwirken“. Die Formulierung macht deutlich, dass es sich eher um einen Versuch handelt und mit keiner Autorität ausgestattet ist. Man ist sich auch nicht sicher, ob die Person durch das „Einwirken“ das schlechte Handeln aufgeben wird.
Gott hat sich entschieden, den Menschen mit einem freien Willen auszustatten, er zwingt ihn also nicht. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht herrscht. Seine Herrschaft hat Autorität, die auf Wahrheit, Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit beruht. Umso wichtiger ist es, dass er herrscht, denn dann herrscht der Frieden, der den Menschen verheißen wurde.
Hier stellt sich für mich die Frage, ob nicht gerade durch die eigenmächtige Veränderung der Worte eine Form von Herrschaft über die liturgischen Texte und Gläubigen ausgeübt wird, die man vorgeblich ablehnt. Es wirkt wie ein Versuch, etwas weichzuspülen, weil man den Gläubigen vermeintlich nicht so viel zumuten kann. Es ist ärgerlich immer wieder zu erleben, wie niedrig der Standard ist, den Messzelebranten an die Gläubigen anzulegen scheinen. Das ist im Letzten eine Form von Überheblichkeit, die nicht mit dem übereinstimmt, was Jesus im Matthäusevangelium über die wahre Ausübung von Autorität in seiner Nachfolge sagt und nicht im Sinne der Wortbedeutung ποιμανει – weiden, hüten, lenken, nähren, hegen, pflegen, lindern und regieren.
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