Rosenkranzmonat Oktober – „Der Rosenkranz als geistliches Kompendium des Glaubens“

1. Oktober 2025 in Spirituelles


„Der Rosenkranz ist eines der großen geistlichen Geschenke der Kirche an die Gläubigen. Er ist einfach und zugleich tief, vertraut und doch immer wieder neu.“ Von Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer


Eichstätt (kath.net) Einleitung
Der Rosenkranz ist eines der großen geistlichen Geschenke der Kirche an die Gläubigen. Er ist einfach und zugleich tief, vertraut und doch immer wieder neu. Vielen ist er seit Kindheitstagen ans Herz gewachsen, andere entdecken ihn neu als Quelle von Frieden und Hoffnung.

Papst Johannes Paul II. nannte ihn ein „Gebet, das meinen Herzschlag begleitet hat“ und fügte hinzu: „Der Rosenkranz ist mein liebstes Gebet. Er ist wunderbar in seiner Schlichtheit und Tiefe“¹. Diese Erfahrung haben unzählige Christen gemacht: Wer sich in den Rosenkranz hineinbetet, findet darin einen Weg der Nähe zu Christus – durch die Augen und das Herz Mariens.

1. Wesen und Bedeutung des Rosenkranzes
Der Rosenkranz ist kein Sammelsurium von Gebeten, sondern ein geistliches Kompendium des Glaubens. Das Credo, das Vaterunser, das Ave Maria und die Doxologie verdichten die ganze Glaubenslehre.

Doch mehr noch: Der Rosenkranz ist eine Form der liebenden Betrachtung. Er lädt dazu ein, bei den Geheimnissen des Lebens Jesu zu verweilen. Jede Zehnerreihe von Ave Maria ist wie ein kleiner Atembogen, in dem das betrachtende Geheimnis zur Seele spricht.

Der hl. Padre Pio, selbst ein Mann des Rosenkranzes, sagte einmal: „Liebt die Madonna und betet den Rosenkranz, denn ihr Rosenkranz ist die Waffe gegen die Übel der Welt von heute.“² So ist der Rosenkranz nicht nur Andacht, sondern auch geistliche Kraftquelle.

2. Der Rosenkranz – ein christologisches Betrachtungsgebet
Oft gilt er vorschnell als „marianisches“ Gebet. Aber er ist zutiefst christologisch: Maria steht im Hintergrund und führt uns zu Christus. „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5) – dieser Auftrag Mariens ist das Grundgesetz des Rosenkranzes.

Die Geheimnisse zeigen uns Christus in allen Etappen seines Lebens: freudenreich, schmerzlich, glorreich und – seit Papst Johannes Paul II. – lichtreich. Wer sie betet, „liest“ das Evangelium mit den Augen des Herzens.

Papst Paul VI. formulierte: „Ohne Betrachtung ist der Rosenkranz ein Leib ohne Seele.“³ So wird er zu einer Schule des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.

3. Ursprung und Entwicklung
Seit den Wüstenvätern im 3. Jahrhundert nutzen Christen Gebetsschnüre. In Irland zählten Laienmönche ihre Vaterunser als Ersatz für die Psalmen. Daraus entwickelten sich im Hochmittelalter die Ave-Maria-Reihen, bis die heutige Form im 15. Jahrhundert entstand.

Seither hat der Rosenkranz entscheidende Stunden der Kirchengeschichte geprägt – von der Schlacht bei Lepanto bis zu den Marienerscheinungen in Lourdes und Fatima. Immer wieder hat Maria die Gläubigen gebeten: „Betet den Rosenkranz!“

Die hl. Thérèse von Lisieux schrieb in ihrer schlichten Weise: „Der Rosenkranz ist eine lange Kette, die den Himmel mit der Erde verbindet. Ein Ende liegt in unseren Händen, das andere in den Händen der Gottesmutter.“⁴

4. Geistliche Tiefe: Christus in uns Gestalt gewinnen lassen
Im Rosenkranz geht es nicht um die Wiederholung als solche, sondern darum, dass Christus „Gestalt gewinnt in uns“ (Gal 4,19).

Die Perlen sind wie ein gleichmäßiger Pulsschlag. Sie beruhigen, öffnen das Herz und schenken Raum für die Betrachtung. Romano Guardini brachte es auf den Punkt: „Der Rosenkranz ist kein Weg, sondern ein Raum. Er hat kein Ziel, sondern eine Tiefe.“ Diese Tiefe ist Christus selbst. Wer ihn betrachtet, wird verwandelt.

5. Rosenkranz und Jesusgebet – Ost und West in Einheit
Das Jesusgebet der Ostkirche und der Rosenkranz der Westkirche sind wie zwei Geschwister: Beide zentrieren den Beter auf Christus, beide atmen in der Wiederholung, beide führen zur Kontemplation.

Der hl. Serafim von Sarow, ein russischer Mönch, der gerne seinen westlichen Rosenkranz, den er von einer Polin geschenkt bekam, benutzte, verband beide Formen und sagte: „Wo Maria ist, da ist Jesus. Und wo Jesus ist, da ist das Heil.“ So kann das gemeinsame Beten von Ost und West eine Brücke der Einheit werden.

6. Psychologische und spirituelle Wirkung
Der Rosenkranz ist nicht nur theologisch wertvoll, er wirkt auch heilend auf Seele und Körper. Der Psychotherapeut Christian Spaemann nennt ihn einen „Anker der inneren Ruhe“. Gleichmäßige Wiederholung beruhigt Herz und Atem, schenkt seelische Balance und Geborgenheit.

Aber noch mehr: Der Rosenkranz ist ein Gebet der Liebe. Mutter Teresa von Kalkutta sagte: „Haltet den Rosenkranz fest, wie ein Kind die Hand seiner Mutter hält.“⁵

Wer so betet, erfährt Nähe und Trost. Selbst wenn man ihn allein spricht, ist man nie einsam: Man betet im Schoß der Kirche, in Gemeinschaft mit Millionen von Gläubigen weltweit.

7. Gefahren und Chancen
Natürlich droht die Gefahr der Gedankenlosigkeit. Aber wie in jeder Liebesbeziehung ist Wiederholung kein Nachteil, sondern Ausdruck der Treue. Ein Mann, der seiner Frau oft „Ich liebe dich“ sagt, meint es nicht mechanisch, sondern bekräftigt seine Liebe. So ist es mit dem Rosenkranz: Er ist das immer neue „Ja“ zu Christus.

8. Der Rosenkranz – ein Seil der Hoffnung
Viele Gläubige berichten, dass sie im Rosenkranz Halt gefunden haben – in Krankheit, Trauer, Angst und Not. Der hl. Johannes Paul II. sprach davon, dass man sich „an diesem Seil festhalten“ könne, wenn alles andere bricht.

So ist der Rosenkranz ein Gebet der tröstlichen Hoffnung. Er schenkt Freude, Frieden und Zuversicht.

Schluss
Der Rosenkranz ist keine nostalgische Frömmigkeitsübung, sondern ein lebendiges Instrument, um Christus tiefer kennenzulernen, sich von Maria führen zu lassen und Frieden im Herzen zu finden.

In einer Welt voller Lärm, Hektik und Sorgen ist er ein Ort der Stille, ein Band der Liebe, ein Seil der Hoffnung.

„Der Rosenkranz ist mein liebstes Gebet. Wunderbar in seiner Schlichtheit und Tiefe.“ (Johannes Paul II.)

Möge er neu entdeckt werden – als alltäglicher Begleiter, als Hilfe in schwierigen Stunden, als Schule der vertrauenden Liebe zu unserem barmherzigen und menschenliebenden Herrn Jesus Christus.

Quellenhinweise (Auswahl)
1.    Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Rosarium Virginis Mariae, 2002.
2.    Padre Pio, zitiert nach C. M. Bouchard: Padre Pio. Prophet des Rosenkranzes, 1999.
3.    Paul VI., Apostolisches Schreiben Marialis cultus, 1974.
4.    Thérèse von Lisieux, Briefe und Aufzeichnungen, 1896.
5.    Mutter Teresa, Einfach geborgen, 1997.

Über den Autor: Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer (Link) ist Theologe mit Schwerpunkt auf ökumenischer Theologie, Ostkirchenkunde und ostkirchlicher Liturgie. Er studierte in Eichstätt, Jerusalem und Rom, war in verschiedenen Dialogkommissionen tätig, Konsultor der Ostkirchenkongregation in Rom, Gründungsrektor des Collegium Orientale in Eichstätt und veröffentlicht regelmäßig zu Fragen der Ostkirchen-Theologie, der Liturgie der Ostkirchen und des Frühen Mönchtums.


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