„Klug verwalten – frei leben“

21. September 2025 in Spirituelles


„Wenn wir das Evangelium vom ‚Verwalter der Ungerechtigkeit‘ hören, spüren wir sofort: Hier liegt ein Stein im Weg. Ein unehrlicher Mann… wird von Jesus selbst gelobt?“ Predigt von Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer


Eichstätt (kath.net) [Predigt zum heutigen 25. Sonntag im Jahreskreis C (Lk 16,1–13)]

Liebe Schwestern und Brüder,
wenn wir das Evangelium vom „Verwalter der Ungerechtigkeit“ (οἰκονόμος τῆς ἀδικίας) hören, spüren wir sofort: Hier liegt ein Stein im Weg. Ein unehrlicher Mann, ein Verwalter, der das Vermögen seines Herrn vergeudet, wird von Jesus selbst gelobt? Wie kann das sein? Lässt Jesus die Ungerechtigkeit gelten?

Die gute Nachricht ist: Jesus lobt nicht die Untreue, sondern die Entschiedenheit. Er lobt die geistliche Wachheit eines Menschen, der plötzlich erkennt: Jetzt ist die Stunde, jetzt muss ich handeln. 

Genau dazu lädt uns der Herr heute ein: zu einer freudigen, mutigen Neuorientierung – weg vom Mammon, hin zum Vertrauen, das frei macht und zum Leben befreit.

1. Einordnung des Evangeliums
Lk 16,1–8a erzählt das Gleichnis; Lk 16,8b–13 fügt Jesus-Worte an, die das Gleichnis deuten. Hier begegnen wir einer kleinen Spruchsammlung: der Klugheit der „Kinder dieser Welt“ (V. 8), der Aufforderung zur Freundschaft durch Geld (V. 9), der Mahnung zur Treue im Kleinen (V. 10–12) und schließlich der Entscheidung zwischen Gott und Mammon (V. 13).

Die „Verwaltung der Ungerechtigkeit“ (ἡ οἰκονομία τῆς ἀδικίας) verweist weniger auf eine einzelne Missetat, sondern auf ein ganzes System, in dem Geldflüsse strukturell ungleich verteilt sind.

Der „Mammon der Ungerechtigkeit“ (ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας, Lk 16,9) geht auf das aramäische ’aman zurück: stützen, vertrauen. „Mammon“ meint also Besitz, dem man sein Vertrauen schenkt. Und genau das ist die geistliche Sollbruchstelle des Textes: Wem vertraue ich?1

Die Schuldzettel nennen große Mengen: „Hundert Bat Öl“, „Hundert Kor Weizen“. Exakte Umrechnungen sind unsicher; klar ist nur: Es handelt sich um Großhandel. In der Antike wurden für riskante Waren wie Öl teils Aufschläge von 100 % verlangt, bei Getreide etwa 20–30 %. Die Tora dagegen kennt eine scharfe Kritik des Zinses (Ex 22,24; Dtn 23,20–21; Lev 25,35–38) – zum Schutz der Armen und gegen Schuldsklaverei.2

2. Ein befreiender Blickwechsel
Jesus gibt uns den Schlüssel: „Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons“ – und: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Das heißt: Geld, Besitz, Ressourcen sind Mittel. Entscheidend ist nicht: Was habe ich? Sondern: Wem diene ich? Nicht: Wie vermehre ich? Sondern: Wie verwandle ich das, was mir anvertraut ist, in Liebe, in Brot, in Nähe, in Versöhnung, in Gerechtigkeit?

Der heilige Augustinus bringt es auf den Punkt: „Christus lobt die Klugheit des Untreuen, nicht die Untreue des Klugen.“3 

Jesus will uns sagen: Lerne die Entschiedenheit des Verwalters – aber setze sie für das Gute ein, für das Reich Gottes.

3. Das Herzthema Jesu: Vertrauen
Das Wort „Mammon“ kommt aus dem Aramäischen und bedeutet ursprünglich: etwas, worauf ich mich stütze, worauf ich vertraue. Die Frage lautet also: Worauf baue ich mein Leben? Auf das, was ich zählen kann? Oder auf den, der auf mich zählt?

Der heilige Johannes Chrysostomus sagt: „‘Mammon‘ ist nicht Herr seiner Natur nach, sondern nur, weil Menschen sich unter ihn beugen.“ Das heißt: Diese Bindung ist nicht endgültig. Freiheit ist möglich. Wir können heute neu vertrauen – nicht auf Zahlen, sondern auf den lebendigen Gott. Wer sich ihm anvertraut, entdeckt eine leise, tiefe Freude: Ich darf geben, weil mir so viel geschenkt ist und weil ich gehalten bin.

4. Treue im Kleinen – Werkstatt der Heiligkeit
Jesus sagt: „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen.“

Die kleinen Dinge – das zuverlässige Wort, der Gruß, die Geduld im Alltag der Familie und im Beruf, die pünktliche und faire Bezahlung, – all das ist die Werkstatt, in der Gott unser Herz formt.

Der heilige Franz von Sales nannte es die „Spiritualität der kleinen Schritte“ – die Aufmerksamkeit für die täglichen Kleinigkeiten, in denen wir Gott und den Mitmenschen dienen können.5

5. Stimmen der Mönchsväter
Die Väter des Mönchtums sind uns dabei praktische Lehrer. Einige ihrer Worte seien hier angeführt:

- Benedikt von Nursia: „Der Cellerar betrachte alle Geräte und Güter des Klosters wie heilige Altargefäße.“6 Alles, was uns anvertraut ist, ist eigentlich Gottes Eigentum. Wir sollen es ehrfürchtig und verantwortlich gebrauchen.

- Basilius der Große: „Der Überfluss in deinen Truhen gehört den Bedürftigen.“7 Teilen macht leicht. Vielleicht ist es an der Zeit, etwas Konkretes loszulassen – eine Stunde, eine Gabe, eine Summe – und sie zu verschenken.

- Johannes Cassian: „Gott, komm mir zu Hilfe; Herr, eile mir zu helfen.“8 Dieses Kurz-Gebet empfiehlt er uns wie einen Anker. Es kann uns helfen, in Entscheidungen den rechten Weg zu erkennen.

- Evagrius Ponticus: „Woran dein Geist sich tagsüber gern weidet, das wird dir nachts im Gebet erscheinen.“9 Wenn wir nur um Zahlen kreisen, wird das Herz eng. Wenn wir an Menschen denken und an Gottes Treue, wächst Dankbarkeit.

- Gregor von Nazianz: „Vergiss nicht: Alles ist Gabe – Atem, Licht, Erkenntnis… Sei kein unehrlicher Verwalter, sondern ein Liebender der Brüder.“10

6. Acht kleine Schritte, die uns frohmachen
Das heutige Evangelium konkret in unser Leben übersetzt:
1. Ein kleines „Barmherzigkeits-Budget“ festlegen: Ein kleiner, fester Anteil meines Einkommens oder meiner Zeit für Menschen in Not.
2. „Schuldzettel“ prüfen und erlassen, nicht nur Geldschulden, auch moralische Schuldscheine, alte Vorwürfe oder Verletzungen: Vergeben ist geistlicher Zins-Erlass.
3. Treue im Kleinen üben: Pünktlich zahlen, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Freundlichkeit.
4. Maß und Einfachheit im Lebensstil: Überflüssiges freigeben, Verzicht macht großzügig.
5. Soziale Freundschaft stiften: Teilen wir Talente, Zeit, Netzwerke.
6. Rechenschaft vor Gott ablegen: Was habe ich empfangen, was habe ich gegeben?
7. Beten, bevor man Geld ausgibt: „Herr, lass dieses Geld Leben mehren.“
8. Evangelium als Freude

Das Gleichnis erzählt von Druck – und von einer rettenden Idee. Das Evangelium bezeugt oftmals: Gott schenkt uns immer wieder neue Anfänge. Selbst wenn wir verstrickt sind; wir können heute neu beginnen: großzügig, barmherzig, klug.

Beda Venerabilis sagt: „Wer den Reichtum bedient, wird sein Knecht; wer frei ist, verteilt wie ein Herr.“11

7. Die frohmachende Verheißung
„Macht euch Freunde… damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet.“ – Was wir lieben, vergeht nicht. Jede Geste der Barmherzigkeit ist ein Stein in der Wohnung, die Gott für uns bereitet. Dort wartet die große Familie Gottes – die Armen, denen wir halfen; die Menschen, die uns trugen und vergaben; die Menschen den wir vergeben durften, und alle die Heiligen, die für uns immer beteten.

Ambrosius sagt: „Wer mit irdischen Gütern Barmherzigkeit übt, wird Freunde im Himmel finden.“12 
Liebe Schwestern und Brüder, das ist die Freude, die uns das Evangelium verheißt: Was wir heute in Treue geben, wird in der Ewigkeit hinterlegt sein. Amen.
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Fußnoten
1 Joachim Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, 10. Aufl., Göttingen 1984, S. 199–203.
2 Ex 22,24; Dtn 23,20–21; Lev 25,35–38. Vgl. Norbert Lohfink, Option für die Armen, Freiburg 1987, S. 45–49.
3 Augustinus, Sermo 359,9 (PL 39, 1597).
4 Johannes Chrysostomus, Homiliae in Matthaeum 6 (PG 57, 61).
5 Franz von Sales, Philothea. Einführung in das fromme Leben, III, Kap. 2.
6 Benedikt von Nursia, Regula Benedicti 31,10.
7 Basilius, Homilia in illud: Destrue horrea tua (PG 31, 263–272).
8 Johannes Cassian, Collationes 10,10.
9 Evagrius Ponticus, Praktikos 6.
10 Gregor von Nazianz, Oratio 14,23–25 (PG 35, 865–888).
11 Beda Venerabilis, Homiliae evangelii I,21 (PL 94, 89).
12 Ambrosius, Expositio Evangelii secundum Lucam VIII, 9 (CSEL 32, 356).

Über den Autor: Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer (Link) ist Theologe mit Schwerpunkt auf ökumenischer Theologie, Ostkirchenkunde und ostkirchlicher Liturgie. Er studierte in Eichstätt, Jerusalem und Rom, war in verschiedenen Dialogkommissionen tätig, Konsultor der Ostkirchenkongregation in Rom, Gründungsrektor des Collegium Orientale in Eichstätt und veröffentlicht regelmäßig zu Fragen der Ostkirchen-Theologie, der Liturgie der Ostkirchen und des Frühen Mönchtums.


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