Kardinal Ratzinger 1993: ‚Man kann Abtreibung nicht mit der Todesstrafe vergleichen‘

4. Oktober 2025 in Prolife


Persönlich sei er für die Abschaffung der Todesstrafe. Er wolle aber nicht so weit gehen, dass ‚sie absolut und für immer und unter allen Umständen ausgeschlossen sein muss“, sagte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation.


Madrid (kath.net/jg)
Kardinal Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, hat in einem Interview im Jahr 1993 den Unterschied zwischen Abtreibung und Todesstrafe betont. Auf die Frage, warum die Kirche beim Thema Abtreibung rigoros, bei der Todesstrafe aber „großzügig“ sei, antwortete Kardinal Ratzinger: „Man kann Abtreibung nicht mit der Todesstrafe vergleichen, als ob es sich hier um das Gleiche handeln würde.“

Bei der Abtreibung werde offensichtlich ein völlig unschuldiger Mensch getötet, „indem man begrenzte Lebensziele über das Lebensrecht eines anderen Menschen stellt.“ Die Todesstrafe setze hingegen ein schweres Verbrechen voraus, das von der Gesellschaft geahndet werde.

Persönlich sei er für die Abschaffung der Todesstrafe, sagte Kardinal Ratzinger weiter. Er wolle aber nicht so weit gehen, „dass sie absolut und für immer und unter allen Umständen ausgeschlossen sein muss.“ Könne man bei Verbrechern wie Adolf Eichmann und anderen „Schwerstkriminellen“, die das Vernichtungslager Auschwitz betrieben haben, wirklich davon ausgehen, dass ein Rechtsstaat im Irrtum sei, wenn er in diesen Fällen überlege, ob die Verbrecher die Todesstrafe verdient hätten, fragt Ratzinger. 

Sein persönlicher Wunsch und die gesellschaftliche Zielsetzung zur Abschaffung der Todesstrafe könnten sich aber nicht auf eine Glaubenslehre stützen, in dem Sinn, „dass die Kirche zu jeder Zeit und unter allen Umständen die Todesstrafe für unvereinbar mit dem Glauben zu erklären und damit zu untersagen hätte“. Die Frage der Todesstrafe sei „nicht unmittelbar ein Inhalt oder Gegenstand des christlichen Glaubensbekenntnisses“, betonte Kardinal Ratzinger. 

Es gehe hier vielmehr um ein Mittel der Rechtspflege im Staat, zu dem man „vom Glauben und von der Sittenlehre als Christ und als Kirche eine Stellungnahme abgeben kann.“ Die Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe ergebe sich aber nicht zwingend aus dem christlichen Glaubensbekenntnis, betonte Kardinal Ratzinger noch einmal. 

Kardinal Ratzinger hat das Interview, aus dem hier zitiert wird, am 9. Juli 1993 im Rahmen eines internationalen Kurses zum Katechismus der Katholischen Kirche im Escorial in Spanien gegeben. Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat es aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzt.

 


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