
23. November 2025 in Spirituelles
"Und heute? Auch wir leben in einer Welt, in der es immer noch einige egomanische Herrscher und Diktatoren gibt, und in der es viele kleine und große andere Götzen gibt." Von Archimandrit Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer
Eichstätt (kath.net) 1. Hinführung – Ein König ohne Krone
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
wir feiern heute das Hochfest Christkönig, - das große Finale des Kirchenjahres. Es ist einer der Höhepunkte, an denen uns noch einmal zusammenfassend das Wesentliche unseres Glaubens vor Augen geführt wird: Jesus Christus ist der Herr über Zeit und Ewigkeit, über Leben, Sünde und Tod, über unsere Herzen.
„König-Sein“ – das klingt nach Krone und Zepter, nach Glanz und Macht. Aber das Evangelium des heutigen Tages zeigt uns das wahre Königtum Christi. Es führt uns nicht in einen Palast, sondern auf den Hügel Golgotha. Dort steht kein Thron, sondern ein Kreuz. Dort sitzt kein Herrscher in Purpur, sondern hängt ein Mensch – nackt, verwundet, verhöhnt, dem Tode übergeben. Und über seinem Haupt steht geschrieben: „Das ist der König der Juden.“
Was ist das für ein König?
Ein König, der seinen Jüngern die Füße wäscht. Ein König, der sich von Bettlern und Sündern berühren lässt. Ein König, der nicht herrscht, um zu unterdrücken, sondern um zu befreien und zu erlösen.
Er ist der König, der Brot bricht für die Hungrigen, der die Verlorenen sucht, der den Traurigen tröstet. Seine Krone ist aus Dornen, sein Zepter das Kreuz, sein Thron das Herz des Vaters.
So ein König passt nicht in die Kategorien dieser Welt – und gerade darum ist er der wahre König. Denn seine Herrschaft geschieht nicht über, sondern in den Menschen: dort, wo Liebe stärker ist als Hass, Güte stärker als Gewalt.
Der heilige Augustinus sagte: „Christus ist ein König, der nicht herrscht, um zu unterdrücken, sondern um zu befreien; er regiert, indem er dient, und erhöht, indem er sich erniedrigt.“¹
Das ist das Wesen des christlichen Königtums: Dienen ist herrschen.
2. Die Geschichte des Christkönigsfestes – Antwort auf die Zeit
Das Christkönigsfest ist erstaunlich jung. Papst Pius XI. führte es 1925 ein – in einer Zeit, die von Gewalt, Nationalismus und Ideologien geprägt war. Europa taumelte zwischen Kriegen und Revolutionen, und viele suchten Halt in Führern, Nationen, Idealen – aber oft nicht mehr in Gott.
Pius XI. wollte dem eine klare, geistliche Antwort geben. In seiner Enzyklika „Quas primas“ schrieb er: „So wie Christus das Haupt der Kirche ist, so soll er auch über die menschliche Gesellschaft herrschen – in den Herzen, in den Familien, in den Staaten.“²
Das Fest ist also kein nostalgischer Rückblick auf Monarchien, sondern ein prophetisches Bekenntnis: Christus allein ist der wahre Herr der Geschichte.
Und heute? Auch wir leben in einer Welt, in der es immer noch einige egomanische Herrscher und Diktatoren gibt, und in der es viele kleine und große andere Götzen gibt. Diese sind die „stillen Tyrannen“ unserer Zeit: Erfolg, Konsum, Kontrolle, Selbstverwirklichung. Wie leicht lassen wir sie herrschen über unser Herz!
Das Christkönigsfest ruft uns heute zu: Lass Christus König sein in deinem Leben: nicht die Angst, nicht den Markt, das Geschäft, nicht die Meinungsmache – sondern den, der dich liebt.
3. Ist Christkönig heute noch zeitgemäß?
Manche sagen: „König“ – das ist doch ein Wort vergangener Zeiten. Aber gerade, weil Jesus kein weltlicher König ist, bleibt er zeitlos.
Er herrscht nicht mit Gewalt, sondern mit Güte. Er zwingt nicht, sondern lädt ein. Er besiegt nicht durch Waffen, sondern durch Wunden.
Der heilige Johannes Chrysostomus sagte: „Willst du das Reich Gottes erkennen? Sieh das Kreuz! Nägel und Holz – das ist das Zeichen des Reiches. Ich rufe ihn, den ich am Kreuz hängen sehe, zum König aus. Denn was ist königlicher, als für die Seinen zu sterben?“³
Christkönig bedeutet also nicht Macht, sondern Hingabe; nicht Triumph, sondern Treue; nicht Unterwerfung, sondern Freiheit.
So wird Christus gerade im Kreuz als König sichtbar. Denn er herrscht über das, was alle Machtmenschen entwaffnet: über das Herz. Er gewinnt Menschen nicht durch Furcht, sondern durch Vertrauen.
Darum ist das Christkönigsfest aktueller denn je: weil unsere Zeit nach wahrer Autorität hungert – einer Autorität, die dient, die heilt, die befreit.
4. Die theologische Bedeutung – Das Reich der Liebe
Das Königtum Christi ist kein Reich von Grenzen oder Nationen, sondern das Reich Gottes – das Reich der Liebe, der Wahrheit, des Friedens.
Es wurde nicht mit Macht gegründet, sondern mit Blut aus Liebe besiegelt. Es wohnt nicht in Palästen, sondern in den Herzen der Glaubenden.
Der heilige Gregor der Große sagte: „Das Zeichen des Königtums Christi ist Demut. Er hat die Macht zu richten, weil er zuerst die Macht zu lieben geübt hat.“⁴
So regiert Christus: nicht über uns, sondern in uns. Er zwingt nicht – er verwandelt. Seine Macht ist das Erbarmen.
Dieses Reich wächst überall dort, wo Menschen einander dienen, vergeben, aufrichten. Wenn du einem Traurigen zuhörst, wächst sein Reich. Wenn du verzeihst, wächst sein Reich. Wenn du betest, wächst sein Reich.
Der heilige Basilius der Große schrieb: „Wer über seine Leidenschaften herrscht, der trägt das Abbild des Königs Christus in sich.“⁵
So beginnt das Königtum Christi im Inneren – nicht in einem goldenen Palast, sondern im Herzen, das liebt.
5. Christkönig für unser Leben – Gesalbt zum Dienen
Meine Lieben, durch die Taufe sind wir Gesalbte – das heißt wörtlich „Christen“. Wir sind gesalbt zu Königinnen und Königen – aber nach der Art dieses Königs: nicht herrschend, sondern dienend; nicht besitzend, sondern teilend; nicht über anderen, sondern mit ihnen.
Im Evangelium hören wir den reuigen Schächer: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und Jesus antwortet: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“
Das ist das Vermächtnis des Königs: Er rettet nicht sich selbst, sondern uns.
Der heilige Cyrill von Jerusalem sagt: „Er trägt eine Dornenkrone, damit wir die Krone des Lebens empfangen.“⁶
Darum dürfen wir glauben: Wir gehören zu seinem königlichen Priestertum, zu seinem heiligen Stamm. Er ist da, wenn wir lieben, wenn wir mittragen, wenn wir glauben.
Das Hochfest Christkönig ist also nicht das Ende des Kirchenjahres, sondern sein Höhepunkt: eine Einladung, das Königtum Christi weiterzutragen – in Gesten der Güte, in Werken des Friedens, in einem Herzen, das liebt.
6. Schlussgedanke – Christus regiert in den Herzen
Unser König ist nicht fern. Er thront nicht über den Wolken, sondern sein „Zelt“ (latein. tabernaculum „Zelt“, „Hütte“, „Wohnstätte“; griech. ἡ ἁγία σκηνή „heiliges Zelt“; hebr. מִשְׁכָּן / Mischkan „mobiles Heiligtum in der Wüste“), das „Zelt der Begegnung und seiner Gegenwart“, hat er unter uns aufgeschlagen. Er herrscht nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Brot des Lebens. Er kommt zu uns, geht mit uns, um in uns zu wohnen.
Darum dürfen wir heute mit Freude und Vertrauen bekennen und singen: Christus vincit – Christus regnat – Christus imperat! Christus siegt – Christus herrscht – Christus regiert!
Nicht in Prunk, sondern in Liebe. Nicht in Distanz, sondern in Nähe. Nicht in Macht, sondern in unkündbarer Barmherzigkeit.
Möge er auch in uns herrschen, in unseren Worten, in unseren Gedanken, in unseren Herzen. Dann wird sein Reich sichtbar – schon hier, mitten unter uns.
Amen.
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Endnoten:
1. Augustinus, Enarrationes in Psalmos 99, 7.
2. Pius XI., Quas primas (1925), Nr. 12–13.
3. Johannes Chrysostomus, In Joannem homilia 85.
4. Gregor der Große, Homiliae in Evangelia I, 21.
5. Basilius der Große, Homilia de gratia actionis.
6. Cyrill von Jerusalem, Catecheses XIII, 29.
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