
20. November 2025 in Weltkirche
Norwegischer Bischof berichtet von seiner neuen Erfahrung, „dass 16, 17-jährige Jugendliche … bei uns in Trondheim im Buchladen, im Dom oder bei mir im Büro“ auftauchen „und fragen: Worum geht das alles eigentlich? Warum existiere ich?“
Freiburg i.Br. (kath.net/pl) „Ich glaube, die religiöse Indifferenz verändert sich gerade im Moment. Ich sehe eine tektonische Bewegung im Gang… Unsere Länder, Norwegen und Schweden ganz besonders, sind äußerst säkularisiert. Aber ich denke, wir dürfen sagen, dass bei uns die Säkularisierung jetzt zu Ende ist. Ganz einfach deshalb, weil es eigentlich nichts mehr zu säkularisieren gibt… Was ich bestätigen kann in dem, was ich lese, und bei den Menschen, denen ich begegne, ist gerade eine neue Sehnsucht und eine neue Suche nach Sinn, nach Kriterien, nach Gemeinschaft, nach Wahrheit. Dieses in manchen Kreisen verpönte Wort 'Wahrheit' darf man immer noch beim Namen nennen. Und die Leute wollen durchdachte und realistische Antworten, die von Menschen gegeben werden, die diese Sinn- und Wahrheitsangebote aus- und vorleben.“ Das erläutert Bischof Erik Varden OCSO, Prälat von Trondheim (Norwegen) und Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz, im Gespräch mit dem Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück für die Freiburger Zeitschrift „Communio“.
Tück verwies auf eine Studie des „Pew Research Center“, das feststellte, dass Gottesdienstbesuche und Zugehörigkeit zu einer Religion seltener würden. Varden antwortete darauf, dass er zwar „für das Pew Research Center den allergrößten Respekt“ hege, dennoch aber sagen müsse, „dass die Aussage rein empirisch meinen eigenen Beobachtungen nicht entspricht. Nicht nur in Norwegen, sondern auch in anderen, von länger anhaltenden Säkularisierungsprozessen geprägten Ländern, stelle ich einen Zuwachs an religiösem Interesse bei Jugendlichen fest. Ich erfahre deren treue Teilnahme an gut vorbereiteten und sorgfältig gestalteten Gottesdiensten. Freilich rede ich von keinem Majoritätsphänomen; die Tendenz ist aber deutlich und anhaltend wachsend: Die Jugend sehnt sich nach Substanz. Für leeres, gefühlsduseliges Gerede haben sie wenig Geduld, und das ist gut so.“
Varden, von Haus aus eigentlich Trappist, schildert nachdenklich, dass er es für konstruktiv halte, „genau das Thema ‚Sehnsucht‘ zu berühren. Wonach sehnst du dich? In meiner Alltagserfahrung sind die Menschen nicht so zahlreich, die von sich sagen würden: ‚Ich habe schon alles, was ich mir wünsche.‘“ Er stelle „gerade jetzt bei jüngeren Leuten“ eine Änderung der Einstellungen fest. Man könne „in einem großen Wohlstand aufgewachsen sein, ohne materielle, vielleicht auch ohne allzu große menschliche Probleme, alles haben, was man sich wünscht und sich trotzdem sagen, das genügt nicht!“ Der Bischof berichtet von seiner neuen Erfahrung, „dass 16, 17-jährige Jugendliche auftauchen und fragen. Bei uns in Trondheim im Buchladen, im Dom oder bei mir im Büro und fragen: Worum geht das alles eigentlich? Warum existiere ich und was hat mein Leben für eine Bedeutung? Habe ich eine Signifikanz auf der Welt, die auch mein Empfinden überschreitet? Gibt es die Möglichkeit eines endgültigen Sinns? Hat Liebe einen Sinn? Hat meine Sehnsucht nach Liebe einen Sinn? Woran glaubt ihr eigentlich, wenn ihr euch zu Jesus Christus bekennt? Und ich finde, diese jungen Menschen verhalten sich oft ganz empirisch. Also sie sind nicht notwendigerweise von einem sturmvollen, inneren Erwachen motiviert. Aber sie sehen ihre Eltern, Onkel und Tanten an, die alles haben und komfortabel leben und trotzdem nicht wirklich glücklich sind. Und sie stellen sich dann ganz von selbst diese Fragen, die einen größeren Sinnhorizont aufreißen.“
Archivfoto Bischof Varden (c) Territorialprälatur Trondheim
Es gibt nichts mehr zu säkularisieren, sagt Bischof Erik Varden im Gespräch mit COMMUNIO und macht auf das Bedürfnis der Menschen aufmerksam, Sinn- und Wahrheitsangebote vorgelebt zu bekommen. https://t.co/sS4LP2172T
— COMMUNIO - Internationale Katholische Zeitschrift (@CommunioOnline) November 19, 2025
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