13. Jänner 2005 in Deutschland
Paderborner Evangeliums-Christen unterrichten ihre Kinder wegen Sexualkunde- und Religionsunterricht zu Hause - Das Schulamt kündigt eine "zwangsweise Zuführung" anAußer - Den Eltern droht der Entzug des Sorgerechts
Paderborn (kath.net/idea)
Im Landkreis Paderborn gehen die Behörden verschärft gegen Christen vor, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, sondern zu Hause unterrichten. Betroffen sind sieben Aussiedlerfamilien aus Gemeinden, die zur Vereinigung der Evangeliums-Christen-Baptistengemeinden in Deutschland gehören. Ihre insgesamt 15 Kinder, die fünf verschiedene Grundschulen besuchen müßten, werden von den Eltern mit Materialien der Deutschen Fernschule (Wetzlar) und der Freien Christlichen Philadelphia-Schule (Siegen) unterrichtet. Im Dezember erhielten die Eltern Bußgeldbescheide von 250 Euro pro Erziehungsberechtigten und Kind. Als die Kinder auch im Januar nicht in die Schule kamen, kündigte das Schulamt eine zwangsweise Zuführung an. Außerdem droht den Eltern der Entzug des Sorgerechts. Zuvor soll sich der Integrationsbeauftragte der nordrhein-westfälischen Landesregierung, Klaus Lefringhausen, um eine gütliche Einigung bemühen.
Bibeltreue Christen: Anstoß an Sexualkunde
Die Aussiedlerfamilien nehmen Anstoß vor allem am Sexualkunde- und Religionsunterricht, der in weiten Teilen den Grundsätzen der Evangeliums-Christen-Baptistengemeinden widerspreche. So werden beispielsweise Klassenfahrten und gemeinsamer Schwimm- und Sportunterricht von Jungen und Mädchen abgelehnt. Auch Rollenspiele, Theatervorstellungen und der Besuch von Festen seien nicht mit ihrem Glaubensverständnis vereinbar. Sexualkundeunterricht wird als Angriff auf den biblischen Glauben betrachtet, da er Schüler für Hurerei und Unzucht öffne. Im Religionsunterricht drohe die Gefahr, mit esoterischen und okkulten Praktiken beeinflußt zu werden, etwa durch Stilleübungen oder Fantasiereisen. Nach Angaben eines Gemeindeleiters, Johann Braun (Schloß Holte bei Paderborn), nehmen die meisten Schulen Rücksicht auf die Überzeugungen der Eltern. Wo aber Schulleitungen oder Ämter sich stur stellten, komme es zu Konflikten. Bibeltreue Christen seien bereit, für ihren Glauben Verfolgung zu erleiden, sagte Braun gegenüber idea. Zur Vereinigung gehören 60 Gemeinden mit rund 6.000 Mitgliedern.
Landkreis: Schulpflicht darf nicht unterlaufen werden
Die Kreisverwaltung verweist auf zahlreiche vergebliche Bemühungen des Schulamtes und der Grundschulen um einen tragfähigen Kompromiß. Grundsätzlich dürfe die Schulpflicht nicht unterlaufen werden. Religiöse Gründe rechtfertigten keinen Schulboykott, betonte eine Sprecherin, Michaela Pitz, gegenüber idea. Vertreter des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) distanzierten sich von den Schulverweigerern, die von den Medien meist als Baptisten bezeichnet werden. Diese Aussiedler gehörten nicht zu einer Gemeinde seines Dachverbandes, erklärte Pastor Friedrich Schneider von der Bundesgeschäftsführung in Elstal bei Berlin. Unterschiedliche Einschätzungen der Unterrichtsinhalte einer Schule dürften nicht die Schulpflicht als ein Grundelement unserer Gesellschaft in Frage stellen.
Baptisten gegen illegale Kleinstschulen
Schneider kritisiert illegale Kleinstschulen, die ohne irgendeine staatliche Kontrolle vermutlich sektiererische Inhalte an Kinder weitergeben. Die in der größten deutschen Freikirche zusammengeschlossenen Baptisten sähen sich als integrierter Bestandteil der Gesellschaft. Die Baptistengemeinden in Paderborn und Detmold äußerten sich ähnlich. Schätzungen zufolge werden in Deutschland mindestens 500 Kinder von ihren Eltern unterrichtet. In vielen Staaten ist der Hausunterricht möglich, etwa in den USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, der Schweiz, den Niederlanden und Österreich. Die meisten Länder kennen zwar eine Unterrichtspflicht, überlassen es aber den Eltern, wie sie dieser Pflicht Genüge tun.
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