14. Jänner 2005 in Aktuelles
Ist die Flutwelle eine Strafe Gottes? Der Erzbischof von Sydney, Kardinal George Pell, zur philosophischen Debatte nach der Tragödie in Südostasien.
Sydney (www.kath.net / Fidesdienst) Weshalb musste die Tsunami-Katatrophe geschehen? Wie kann Gott so viel Tod und Leid zulassen? Weshalb muss die Welt solchen Schmerz ertragen? Antworten auf diese Fragen sucht der Erzbischof von Sydney, Kardinal George Pell, nach der Tsunami-Katastrophe. Zu der weltweiten philosophischen Debatte über die Gründe der Tragöde und die Gegenwart Gottes äußert sich der Kardinal in einem Beitrag, den der Fidesdienst übersetzte und veröffentlichte:
Als sich vor der Insel Sumatra die Erdplatten anhoben, kam es zu einer heftigen Erschütterung in jedem Sinn. Die Erde schwabbelte leicht um ihre eigene Achse und einige Inseln in der Nähe wurden um 20 Meter verschoben. Die Informationen zur Zahl der Toten wurden nur nach und nach bekannt, doch insgesamt starben über 150.000 Menschen und rund 5 Millionen wurden obdachlos, Vor uns liegen viele Jahre des Wiederaufbaus.Da fragen wir uns: Wenn Gott gut ist, die Menschen liebt und allmächtig ist, wo ist er nun, angesichts dieses Leides und all seiner Folgen?
Juden und Christen glauben trotz zahlreiche humaner Tragödien und Naturkatastrophen in der Geschichte über dreitausend Jahre lang an den einen und wahren Gott. Die Juden erinnern Noah und die Sintflut, die Zerstörung von Sodom und Gomorra. Ein Psalmist prophezeite, dass der Herr stets unsere Zuflucht und unsere Stärke, unsere Burg sein wird. Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Erde auch wankt, wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres, wenn seine Wasserwogen tosen und schäumen und vor seinem Ungestüm die Berge erzittern. Der Herr der Heerscharen ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsere Burg (Psalm 46).
Die Christen betrachten das Bild des leidenden Dieners beim jüdischen Propheten Jesaja als Bild für den heilbringenden Tod Jesu und dessen Auferstehung. Den Christen wirft man sogar vor, dass sie dem Leiden Christi, dessen Tod am Kreuz und dem Kreuz als Symbol zu viel Bedeutung beimessen. Gott ist allmächtig, doch in der Krippe von Bethlehem und am Kreuz ist der Sohn Gottes machtlos. Die Christen glauben, dass die Menschen vor allem durch die Art und Weise das Heil erlangen, in der sie auf das Leid reagieren. Im Matthäus-Evangelium heißt es sogar: Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.
Vor dreißig Jahren traf ich einen Wissenschaftler, der einer anderen christlichen Konfession angehörte und der eine Liste mit den großen Katastrophen der Geschichte besaß, die für ihn ein Beweis für die Existenz Gottes waren. Damit war ich nie einverstanden, denn für die Gläubigen sind diese Übel ein Problem, ein Teil, der sich nur schwer in das Gesamtbild einfügen lässt. Das Universum ist nicht vollkommen, es gibt kosmische Defekte, doch es ist auf dem Weg zu Vollkommenheit. Gott hat seinen Geschöpfen die Freiheit geschenkt, die zu bösen Zwecken genutzt werden kann, während sich die Natur nach festen Regeln entwickelt und verwandelt.
Es ist nicht richtig, wenn man sagt, der Tsunami sei ein Werk Gottes, denn es war nicht Gott, der diese Katastrophe bewirkt hat. Doch wir können uns fragen, weshalb Gott nicht eine vollkommenere Welt geschaffen hat, weshalb er so viel Leid zulässt. Wir wissen es nicht. Das Übel bleibt ein Geheimnis, doch wir sind berufen, es zu überwinden und das Übel ist nur ein Teil unserer Geschichte.
Es ist auch nicht richtig, wenn man den Tsunami mit dem Jüngsten Gericht Gottes vergleicht, weil der Tsunami auf willkürliche Weise und unterschiedslos getötet hat.Beim Jüngsten Gericht Gottes wird Gerechtigkeit und Barmherzigkeit herrschen und es werden nur die reuelosen Bösen bestraft werden.
Für Atheisten gibt es keine Erklärung. Für sie ist das Leben ein reiner Zufall, ohne jegliches Ziel. Nur ein guter Gott verlangt und schenkt den Sinn für die universale Liebe und kann das menschliche Leid im nächsten Leben kompensieren.Unsere Aufgabe besteht nun darin, diese Liebe, zu der wir uns bekennen umzusetzen, und den Überlebenden unsere Hilfe anzubieten.
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