"Es muss auch die andere Seite gehört werden"

27. Februar 2019 in Aktuelles


„Der Redaktion des Konradblatts wäre es nach dem alten Rechtsgrundsatz: „Audiatur et altera pars!“ möglich gewesen, die Stellungnahme der geistlichen Gemeinschaft, in der Doris Wagner lebte, einzuholen.“ Gastbeitrag von Prof. Hubert Gindert


Freiburg (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) Im „Konradsblatt“, der Kirchenzeitung der Erzdiözese Freiburg, wird in der Ausgabe 7/2019, S. 3, im Artikel „Medienarmada mit wenigen Erwartungen“, Untertitel: Weltweites Bischofstreffen gegen Missbrauch in der Kirche, über Missbrauch von Ordensfrauen gesprochen. Im Text heißt es u.a. …“für weitere Aufmerksamkeit sorgt das jüngst erschienene Buch der Ex-Ordensfrau Doris Wagner über „spirituellen Missbrauch in der katholischen Kirche“. Auf der gleichen Textseite ist als „Zitat der Woche“ abgedruckt: „Macht, Ungleichgewicht ist das Prinzip, das Missbrauch in der Kirche möglich macht. Sobald Augenhöhe in einer Beziehung fehlt, wird die Beziehung anfällig dafür, dass es auch Missbrauch gibt, dass der Part, der mehr Macht hat, sich über den anderen hinwegsetzt.“

Unter diesem Text ist ein Foto von Doris Wagner mit der Bildunterschrift: „Die ehemalige Ordensfrau Doris Wagner, die sexuellen Missbrauch erlitt (!), in einem Fernsehgespräch mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn“. Damit wird behauptet, Frau Wagner habe „sexuellen Missbrauch“ erlitten. Frau Doris Wagner war von 2003 bis 2011 Mitglied der geistlichen Gemeinschaft „Das Werk“. Der Redaktion des Konradblatts wäre es, nach dem alten Rechtsgrundsatz: „Audiatur et altera pars – Auch die andere Seite ist zu hören!“ möglich gewesen, die Stellungnahme der geistlichen Gemeinschaft, in der Doris Wagner lebte, einzuholen. Warum geschah das nicht? Die Erklärung der Gemeinschaft „Das Werk“ liegt vor und lautet: „Frau Doris Wagner, jetzt Reisinger, war von 2003 bis 2011 Mitglied unserer geistlichen Gemeinschaft. Im Jahre 2008 hatte sie eine einvernehmliche sexuelle Beziehung mit einem Pater, mit dem sie anschließend noch drei Jahre einen von Herzlichkeit und mitmenschlicher Sorge geprägten schriftlich und mündlichen Kontakt unterhielt. Von Vergewaltigung konnte nicht die Rede sein und war auch nicht die Rede. Im Jahre 2012 stellte sie dann Anzeige wegen Vergewaltigung erst bei der Staatsanwaltschaft Erfurt, die den Tatbestand der Vergewaltigung nicht erfüllt sah, dann noch bei der Staatsanwaltschaft in Österreich in Feldkirch, die das ebenso als einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen ansah. Auch eine gerichtliche Überprüfung kam zu demselben Ergebnis“ (kath.net 9.2.2019).

Gelegentlich ist von Politikern, wie auch von Leuten der Kirche, die Rede von „unseren Werten“. Ist nicht die einseitige Berichterstattung, die nur eine Seite – die bevorzugte – zu Wort kommen lässt, die das Klima vergiftet? Wir erleben das zunehmend, wenn von politischen Vorgängen aber auch, wenn von kirchlichen Ereignissen die Rede ist. Die Medien sollten sich an der Wahrheit und nicht an ihrer Agenda ausrichten!


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