Kardinal Meisner: Kolping wollte keine Gummibaum-Christen

10. Dezember 2013 in Spirituelles


Meisner in Kolping-Festpredigt: „Wenn unsere Verbände und Gemeinden heute etwas nötig brauchen, dann ist es gerade dieses kompromisslose Einstehen für Jesus Christus und seine Kirche zugunsten der Welt“


Köln (kath.net/pek) „Adolph Kolping ist der Mann, der gerade steht, fest verwurzelt in Gott und seiner Kirche, der sich nicht verbiegen und hineinbiegen lässt in zweifelhafte Denkmodelle des Zeitgeistes, sondern aufrecht dem Himmel Gottes entgegenwächst. Wenn unsere Verbände und Gemeinden heute etwas nötig brauchen, dann ist es gerade dieses kompromisslose Einstehen für Jesus Christus und seine Kirche zugunsten der Welt.“ Daran erinnerte der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner bei seiner Predigt am Sonntag anlässlich des 200. Geburtstages des seligen Adolph Kolping in einer Festmesse in Kolpings Geburtsort Kerpen. kath.net hat bereits berichtet.


kath.net dokumentiert die Predigt des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner Predigt zur Jubiläumsmesse anl. des 200. Todestages des sel. Adolph Kolping in St. Martinus in Kerpen am 8. Dezember 2013:

Liebe Kolpingschwestern und liebe Kolpingbrüder!

1. Wir feiern heute den 200. Geburtstag unseres sel. Kolpingvaters Adolph. Hier vor Ort in Kerpen hat er vor 200 Jahren das Licht der Welt erblickt. Wie viel Licht von ihm in unsere Welt ausgegangen ist und noch immer ausgeht, zeigt unübersehbar das große sozialreligiöse Werk, das seinen Namen trägt. Die erste Lebenswirklichkeit, die ihn geprägt und bestimmt hat, ist seine Familie hier vor Ort gewesen. Er war das vierte von fünf Kindern. Es gibt eine Untersuchung, in der man große Persönlichkeiten der Welt von ihrer familiären Situation her deutet. 90 Prozent von ihnen sind dritte, vierte, fünfte, sechste oder siebente Kinder in einer Familie. Kinderlosigkeit oder Kinderarmut stehen für sterbende Kulturen und Völker. Die Familie Adolph Kolpings lebte in materieller Bescheidenheit, aber in menschlicher und geistlicher Fülle. Die Kolpinger waren nicht reich, aber sie waren glücklich. Wie sehr Adolph gerade dieses Familienleben geprägt und für sein ganzes Leben bestimmt hat, zeigt sein bemerkenswerter Werdegang: von der Familie in den Beruf eines Schuhmachers, von der Schuhmacherwerkstatt auf das Gymnasium, vom Gymnasium ins Priesterseminar und vom Priesterseminar in die Welt. Von Adolph Kolping gilt ein wenig, was Maria von sich im Magnificat singt: „Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ und weiter heißt es: „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48).
Kardinal Frings pflegte immer zu sagen so wird mir berichtet , das „Heilige Köln“ erhalte diese Bezeichnung wegen der vielen Heiligen aus der Vergangenheit, die aber alle Importe aus anderen Regionen waren: so zum Beispiel die hl. Ursula und ihre Gefährtinnen aus England, die hl. Legionäre von St. Gereon aus Afrika, die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland. Köln und das Rheinland – so Kardinal Frings – wären nicht der Boden, um Heilige hervorzubringen. Ich glaube, darin hat sich der gute Herr Kardinal Frings ein wenig getäuscht. Das Rheinland hat den seligen Adolph Kolping hervorgebracht, der zum Segen nicht nur des Rheinlands, sondern Europas und darüber hinaus der ganzen Welt geworden ist. Das ist auch wirklich ein Grund, dass wir seinen Geburtstag in besonderer Weise in seiner Geburtsstadt Kerpen feiern. Ihr Kerpener habt wirklich Grund, auf euren seligen Landsmann stolz zu sein!

2. Adolph Kolping hat seine familiäre Lebenserfahrung als Strukturelement mit hineingetragen in sein immenses sozialcaritatives Werk. Die einzelnen Kolpinggruppen sind Kolpingsfamilien. Die Mitglieder sind Kolpingschwestern und Kolpingbrüder. Dieses Strukturelement hat sich bewährt bis in die Gegenwart hinein, in der die Familie im gesellschaftlichen Bewusstsein nicht mehr die erste Rolle spielt. Adolph Kolping wusste von seiner Herkunft her, wie und wo das Brot auf dem Acker wächst, das Gemüse in den Gärten, die Früchte auf den Bäumen. Aus dieser Verwurzelung in den Mutterboden des Zuhauses ist Adolph Kolping gewachsen. Sein Lebensbaum bildete einen festen und starken Stamm. Er war kein Gummibaum, den man jeweils nach der Richtung zu biegen vermag, die gerade in Mode ist. Das erwartet er auch von seinen Kolpingschwestern und –brüdern. Das geht aber nur, wenn sie einen geraden Rücken und ein festes Rückgrat haben, sodass sie sich nicht biegen und verbiegen lassen. Man sagt heute, dass es mehr aufrechte Bäume als aufrechte Menschen gäbe. Hoffentlich nicht bei Kolping?!

Adolph Kolping ist der Mann, der gerade steht, fest verwurzelt in Gott und seiner Kirche, der sich nicht verbiegen und hineinbiegen lässt in zweifelhafte Denkmodelle des Zeitgeistes, sondern aufrecht dem Himmel Gottes entgegenwächst. Wenn unsere Verbände und Gemeinden heute etwas nötig brauchen, dann ist es gerade dieses kompromisslose Einstehen für Jesus Christus und seine Kirche zugunsten der Welt. Schon der alttestamentliche Prophet mahnt uns, indem er sagt: „Wie lange noch schwankt ihr nach zwei Seiten?“ (1 Kön 18,21). Tragt nicht auf zwei Schultern, sondern entscheidet euch für Jesus Christus! Unentschiedenheit bedeutet Lebensuntüchtigkeit und ist eine Dauerqual. Wenn wir uns nicht selbst entscheiden, wird über uns entschieden, und zwar von anderen, von der so genannten öffentlichen Meinung. Dann leben wir nicht selbst, sondern wir werden gelebt. Entschiedenheit lässt uns standhaft und gerade für eine Sache einstehen. Unser Herz, geteilt durch zwei, ergibt immer die Angst. Christus will mein ganzes Herz: Alles oder Nichts! Unsere Vorfahren haben den schlichten, aber wahren Vers geprägt:

„Willst du ein Leben dunkel und kalt,
dann werde ein Christ und werde es halb.
Willst du ein Leben voller Licht und Glanz,
dann sei ein Christ und sei es ganz!“

Nicht Gummibaumexistenz, sondern Eichenbaumdasein ist gefragt. Nochmals sei es hier gesagt: Es gibt mehr aufrechte Bäume als Menschen! Das sollte niemand im Hinblick auf einen Kolpingbruder oder auf eine Kolpingschwester sagen dürfen. Kolping stand und Kolping steht. Darum möchte ich als Bischof in jeder Gemeinde unseres Kölner Erzbistums eine Kolpingsfamilie haben. Denn dann weiß ich, dass die Kirche dort steht und besteht und dass sie nicht ins Wanken kommt, sondern Zeugnis gibt, ganz für Christus, ungeteilt, ein Leben voller Glanz: Darum sei ein Christ und sei es ganz!

3. Je tiefer der Stamm verwurzelt ist im Erdreich, also in Christus, umso breiter kann sich dann das Geäst ausbreiten, um Schatten zu spenden und den Vögeln des Himmels Nistmöglichkeiten zu bieten. Je weniger Christen wir in unserer Welt sind, desto größer muss die Reichweite unserer Hände und Arme werden. Das war schon immer ein Spezifikum von Adolph Kolping und seinem Werk, dass man sich nicht gefürchtet hat, die nötigen Dinge anzupacken und zu bewegen, auch wenn man sich dabei die Finger schmutzig machte. Das Christentum begann mit schmutzigen Windeln in Bethlehem und endete mit blutigen Tüchern auf Golgotha. Wer sich davor scheut, die Dinge Gottes anzupacken, auch dort, wo man sich die Hände schmutzig macht, der kann wohl kein Christ sein. Ich wünsche mir, dass Kolping und die Seinen immer die Hände dazwischen behalten: in den Gemeinden, in den Verbänden, im Bistum und auf Weltebene. Dass Kolping dort zupackt, wo es nötig ist: in Ost und West, in Nord und Süd. Das ist ein Gebot der Stunde. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14).

Christentum ist also kein Intellektualismus, sondern Christentum ist Praxis. Vielleicht sind gerade die Praktiker besonders geeignet für das Evangelium. Kolping ist wohl deshalb eine so glückliche Synthese von geistlicher Kompetenz und werktätiger Bewährung. Damit kann das weltweite Kolpingwerk gerade heute dazu beitragen, die Depressionen in den Industrienationen zu überwinden und zu neuen Denk und Handlungsmodellen zu ermutigen. Wir sind dabei, riesige wirtschaftliche Großräume zu erschließen, wie unser gemeinsames Europa zeigt. Dass dabei der Mensch nicht verloren geht, dazu brauchen wir Adolph Kolping. Er und sein Werk kennen die überaus wichtige und unersetzbare Aufgabe der Familie in Welt und Kirche.

Adolph Kolping und sein Werk wissen um die Wichtigkeit und Angemessenheit von Arbeitsmöglichkeiten für die Gestaltung eines gesunden Familien und Menschenlebens. Adolph Kolping und sein Werk wissen um die Unverzichtbarkeit eines lebendigen Gottesglaubens, der die Menschheit zu einer Familie zusammenwachsen lässt, in der einer für den anderen einsteht. Denn dort, wo Gott Vater ist, sind wir Kinder Gottes und Geschwister miteinander und untereinander.

Als Protektor des Internationalen Kolpingwerkes und als Erzbischof von Köln ist es mir wirklich ein Herzensanliegen, heute den 200. Geburtstag von Adolph Kolping in seinem Heimatort zu feiern, in der Kirche, in der er getauft worden ist und von der aus der Segen Gottes auf so viele Menschen durch die Jahrhunderte – so wird man schon sagen dürfen – ausgegangen ist. Aber als Kardinal der Weltkirche sage ich auch an dieser Stelle „Gott vergelt’s für alles!“, was das Kolpingwerk in aller Welt der Kirche und der menschlichen Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart geschenkt hat und noch schenkt. Ich kann hier nur aus ganzem Herzen sagen, wie die Kirche in ihren Gebeten spricht: „Wie es war im Anfang (hier vor 200 Jahren in Kerpen), so auch jetzt (2013) und allezeit und in Ewigkeit“. Amen.

Treu Kolping!

+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln

Link zum kathpedia-Artikel über Adolph Kolping

Heilige Messe anlässlich des 200. Geburtstags von Adolph Kolping in der Minoritenkirche in Köln mit Generalpräses Msgr. Ottmar Dillenburg/Messgewand des Zelebranten war ein Geschenk von Pius IX. an Kolping


Kurzvideos über Adolph Kolping:
Adolf Kolping zum 200. Geburtstag




Foto Kardinal Meisner (c) kath.net/Petra Lorleberg


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