Deutsche Gemeinde Kairo: Vom oft beschworenen 'Dialog' war keine Rede

4. September 2014 in Interview


„Wir wurden“ von der DBK „systematisch mehrfach vor vollendete Tatsachen gestellt“, kritisiert Gemeinderätin Scharawy im kath.net-Interview, „Anspruch und Wirklichkeit in der katholischen Kirche in Deutschland scheinen sehr gegensätzlich zu sein.“


Kairo (kath.net) „Wir selber haben einen ‚Masterplan‘ geschrieben, der für die Seelsorge im Nahen Osten verwendet werden könnte. Er spiegelt die Erfahrung von 20 Jahren wider. Doch es interessiert sich wohl keiner dafür. Die Bischofskonferenz sitzt in Bonn, also dem Nabel der Welt. Und sie wissen wohl schon, was für uns gut ist. Die Dialog-Kirche!“ So pointiert äußert sich Elisabeth Sharawy (Foto), Mitglied im Pastoralrat der deutschsprachigen Markusgemeinde in Kairo/Ägypten, im kath.net-Interview über die neue Situation vor Ort. Die Gemeinde sieht sich mit erheblichen personellen und finanziellen Nöten konfrontiert, nachdem das Auslandsekretariat der Deutschen Bischofskonferenz einige weichenstellende Grundentscheidungen getroffen hatte. Der bisherige Seelsorger, Monsignore Joachim Schroedel, dessen Entsendung nach Ägypten vom DBK-Auslandssekretariat nicht mehr verlängert worden war, ist mit Erlaubnis seines Bischofs Karl Kardinal Lehmann mit nur 60 Jahren in Pension gegangen, um weiter in Kairo wirken zu können.

kath.net: Seit 1. August ist die Markusgemeinde offiziell ohne Pastoralreferenten und ohne Pfarrer. Doch durch die Entscheidung des Mainzer Bischofs, Karl Kardinal Lehmann, durfte dessen Priester seinen Ruhestand nehmen und in Kairo bleiben. Mithin ist doch ein Priester da und alles geht so weiter wie bisher?

Sharawy: Keineswegs! Wir wurden systematisch mehrfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Nie wurde im Vorfeld von „Entscheidungen“, von denen es dann immer wieder hieß, der „Verwaltungsrat“ des Auslandssekretariats habe eben so und so entschieden, mit uns oder dem Pfarrer gesprochen. Anspruch und Wirklichkeit in der katholischen Kirche in Deutschland scheinen sehr gegensätzlich zu sein. Vom oft beschworenen „Dialog“ war keine Rede. Nun haben wir, mit 1. August 2014, beide Hauptamtliche verloren.

kath.net: Aber Sie haben ja ihren Pfarrer noch?

Sharawy: Bischof Lehmann von Mainz sind wir sehr dankbar, dass er die jetzige Lösung für uns gefunden hat. Er hat pastorales und menschliches Gespür!

Doch die Gemeinde selbst wurde durch die Bischofskonferenz total aufgegeben! Dr. van der Velden, unser ehemaliger Pastoraltheologe, hatte durch seine Arbeit als Religionslehrer an der Deutschen Evangelischen Oberschule unseren „Etat“ verdient. Damit konnten wesentliche Aufgaben der Gemeinde, zum Beispiel die Seniorenarbeit für über 100 Seniorinnen und Senioren, finanziert werden. Der Pfarrer hatte Reisekosten, Benzinkosten, Autoreparaturen direkt von Bonn bezahlt bekommen. Und nun? Msgr. Schroedel besucht täglich noch in Kairo unsere Gemeindemitglieder und fährt etwa 100 Kilometer mit seinem Privatwagen. Er besucht Alexandria (hin und zurück 500 km), Hurghada (hin und zurück 900 km) Dahab (hin und zurück 1500 km). Das alles wird nicht mehr von Deutschland finanziert.

kath.net: Welche Lösung stellen Sie sich dafür vor?

Sharawy: Wir werden versuchen, Spenden zu sammeln und eventuell einen Hilfsfonds auch in Deutschland zu errichten. Jedenfalls wurden wir von Seiten des Auslandssekretariats einfach völlig im Stich gelassen. Pfr. Schroedel berichtete, er habe gebeten, die versprochenen Exemplare des „Neuen Gotteslob“ zuzusenden. Das wurde ihm mündlich abschlägig beschieden. Eine nochmalige schriftliche Bitte und die Hilfe und Zusendung des Gotteslobs wurde erst gar nicht beantwortet. Früher bekamen wir auch einige Zeitschriften, finanziert durch den Albert-Büttner-Verein, dessen Aufsichtsratsvorsitzender der Leiter des Auslandssekretariats ist; auch hier ist bis jetzt keine Lieferung mehr gekommen. Wir fühlen uns allein gelassen. Und das in der derzeitigen problematischen Situation für Christen weltweit!

kath.net: Aber man liest doch, auch in den offiziellen Stellungnahmen der Bischofskonferenz, die Zahl der deutschsprachigen Katholiken sei in Ägypten stark zurückgegangen?

Sharawy: Ohne jede Quellenangabe! Ich lebe hier seit über 30 Jahren und bin hier verheiratet. Neben den klassischen drei deutschen Schulen in Alexandria und Kairo, die seit über 130 Jahren fester Bestandteil der Ägyptischen Gesellschaft sind, gibt es wohl etwa vier weitere deutsche Schulen. Ich habe noch nicht gehört, dass deutsche Lehrerstellen gestrichen worden seien. Aber da müssen Sie das „Amt für Auslandsschulwesen“ in Deutschland fragen. Nach dem schlimmen islamistischen Zwischenspiel unter Mursi ist die Hoffnung wieder stark, dass es wieder bergauf geht. Wer nur etwas Ahnung hat, kann sich hier zum Beispiel bei der Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer kundig machen. Massiv eingebrochen ist der Tourismus-Sektor. Aber ich frage Sie: Ist es wirklich so, dass man nach der Anzahl der Katholiken entscheidet? Was machen wir katholische Residenten, die seit Jahrzehnten in Ägypten leben? Ist das Solidarität mit uns Katholiken in einem Umfeld, das 90% muslimisch ist?

kath.net: Ist es nicht doch wirklich gefährlich, in Ägypten zu leben?

Sharawy: Das war ja wohl auch ein Argument des „Verwaltungsrates“ des Auslandssekretariats. Wir hatten ja gehofft, dass der Vorsitzende dieses Verwaltungsrates, Bischof Koch von Dresden, einmal hier her kommt. Aber er stornierte dann seinen Besuch wegen der damals wirklich etwas schwierigen Lage. Andererseits war Erzbischof Schick (Bamberg) zu einem Solidaritätsbesuch im März 2013 bei uns! Dafür sind wir heute noch dankbar. Wenn ein Priester sagt: Ich bleibe bei meinen Schafen, gerade in schwieriger Situation – dann soll er abgezogen werden?! Wenn die Schafe in Bedrängnis sind – bringt man dann zuerst den Hirten in Sicherheit? Obwohl der Leiter des Auslandssekretariats mehrfach in Ägypten war hat er nicht realisiert, was wir brauchen? Schade!

kath.net: Glauben Sie, dass alle Aktionen der Markusgemeinde einen Erfolg haben werden?

Sharawy: Man ist auf uns aufmerksam geworden. Kardinal Marx hat uns geschrieben – wenn auch mit einem eher diplomatisch-zurückhaltenden Brief. Er schrieb, man überprüfe, wie Seelsorge in Nordafrika und dem Nahen Osten neu gestaltet werden soll. Wir wurden bisher in diesen Prozess nicht eingebunden. Nachdem auch Bischof Koch das Gesprächsangebot von Msgr. Schroedel mehrfach abschlägig beschieden hatte, haben wir nicht sehr viel Hoffung. Es wird irgendetwas entschieden, die Akteure vor Ort, unser ehemaliger Pfarrer Schroedel – niemand wird wohl einbezogen.

Wir selber haben einen „Masterplan“ geschrieben, der für die Seelsorge im Nahen Osten verwendet werden könnte. Er spiegelt die Erfahrung von 20 Jahren wider. Doch es interessiert sich wohl keiner dafür. Die Bischofskonferenz sitzt in Bonn, also dem Nabel der Welt. Und sie wissen wohl schon, was für uns gut ist. Die Dialog-Kirche!

kath.net: Sie klingen sehr resigniert und traurig?

Sharawy: Traurig: Ja! Unser Pfarrer hat uns fast zwei Jahrzehnte lang die Treue zur Kirche gepredigt und er hat sie gelebt. Was wir seit November 2013 erlebt haben, erschüttert diese Treue. Resigniert: Nein! Gerade in „schwierigen Situationen“ spüren wir die Nähe des Herrn! Unsere ägyptischen Freunde sagen: Rabbinna mawgud; der Herr ist da! In den schlimmsten Situationen! Die Kirche Ägyptens ist die „Kenisat es-Salib“; die Kirche des Kreuzes! Ob aber der Herr an den Schreibtischen in Bonn oder Dresden sitzt? Das wage ich zu bezweifeln!

Link zur Markusgemeinde Kairo

Hintergrund: „Ist der Streit um die Markusgemeinde Kairo wirklich beigelegt?“

Deutschsprachige katholische Seelsorge in Ägypten vor dem Aus? - Hilferufe aus der Markusgemeinde/Kairo – Mit Statement von Elisabeth Sharawy


Foto Elisabeth Sharawy © Markusgemeinde Kairo


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