8. Oktober 2015 in Kommentar
De facto haben wir in der katholischen Kirche Deutschlands schon seit längerem schismatische Zustände oder zumindest schismatische Gefahren. Gastkommentar von Prof. em. Hubert Windisch
Vatikan-Freiburg (kath.net) Ich bin Simon Löschke für seinen kirchenrechtlichen Hinweis dankbar. So kann ich noch einige Präzisierungen in Bezug auf das Anliegen meines Beitrags anbringen:
1. Ein Schisma ist immer eine Trennung von Rom und damit eine Verletzung der Einheit der katholischen Kirche. Einer schismatischen Trennung liegt abgesehen von wenigen Ausnahmen politischer Art immer eine mehr oder weniger häretische Einstellung (de fide sive moribus) zugrunde. Kirchenrechtlich ist ein Schisma ein juristischer, öffentlich vollzogener Akt der Trennung von welcher Seite aus auch immer. Diesem De-jure-Zustand geht aber immer ein De-facto-Verhalten von Einzelnen, Gruppen oder Gemeinschaften voraus.
2. De facto haben wir in der katholischen Kirche Deutschlands schon seit längerem schismatische Zustände oder zumindest schismatische Gefahren. Da ist z. B. die Betonung der deutschen Kirche, die keine Filiale Roms sei. Da ist vor einigen Jahren ein unsägliches Memorandum vieler vor allem praktischer Theologen mit im Kern unkatholischen Forderungen (Priesterweihe von Frauen, Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften usw.). Da sind umstürzende Erklärungen vom ZdK und BDKJ im Vorfeld der jetzigen Bischofssynode und viele kleine antirömische Selbstherrlichkeiten in den Gemeinden vor Ort.
3. Es kann nicht sinnvoll sein, all die De-facto-Schismen mit einem harmonisierenden Zuckerguss eines allgemeinen, unverbindlichen Verstehens und Rechtfertigens zuzudecken und die ganze Melange katholisch zu nennen. Ein salopper Spruch lautet: Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht. Die katholische Kirche hat sich auf dem Boden von Schrift und Tradition quer durch die Jahrtausende nie so verstanden.
4. Ich habe nicht zu einem schismatischen Verhalten gegenüber dem Papst aufgerufen, hoffe und erwarte aber, dass die Synode zusammen mit dem Papst klar und deutlich an der gesunden Lehre (vgl. 2 Tim 1,13) festhält, die allein zu einer gesunden und auch gesundenden Praxis in der Seelsorge führen kann. Wenn sich dann auch De-jure-Schismen gegenüber Rom ergeben, ist das schmerzhaft, aber sinnvoll.
5. Dass der Fall eines häretischen Papstes im Kirchenrecht nicht vorkommt, liegt in der Natur der Sache des augenblicklichen positiven Rechts. Gleichwohl müsste ein solcher Fall gehandhabt werden können. Würde dann etwa ein Papst aufgrund seiner Häresie in einen schismatischen Zustand gegenüber seinem Amtsauftrag, also in Widerspruch zu sich selbst geraten? Ich glaube aufgrund meines Glaubens an den Heiligen Geist allerdings nicht, dass es diesen Fall geben wird.
Prof. Dr. Hubert Windisch (Foto) ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg
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