Vom Niedergang der deutschen Teilkirche und den Gründen dafür

29. Oktober 2015 in Kommentar


Die Angelegenheit um den umstrittenen Gender-Flyer der Deutschen Bischofskonferenz ist symptomatisch für die Situation der deutschen Teilkirche. Gastkommentar von Dr. Michael Schneider-Flagmeyer


Bonn (kath.net/Forum Deutscher Katholiken) Wir erleben in unseren Tagen einen erschreckenden Niedergang der deutschen Teilkirche. Das Ausmaß der Austritte hat einen Punkt erreicht, an dem die deutsche Teilkirche dringend innehalten sollte und eine Bestandsaufnahme durch die Bischöfe unerlässlich ist. Das Erschreckende an der ganzen Entwickelung ist, dass nun in großer Zahl die alte Generation austritt, die eigentlich noch einen katechetischen Religionsunterricht nach der Lehre der Kirche genossen haben sollte. Neben den Massenaustritten von Laien ist ein besonderes Alarmzeichen, dass viele Priester ihr Amt verlassen, ins Ausland flüchten oder sich in Nischenpositionen zurückziehen, weil sie dem Stress und der unseligen Ordinariatsbürokratie mit ihrem kirchenfernen Tun entfliehen wollen. Hier tut sich besonders das älteste deutsche Bistum Trier hervor, das sich so gut wie gar nicht um seine Priester kümmert und dem entsprechend auch viel zu wenig um seine Gemeinden.

Was sind die Gründe?

Gerade ist von der Deutschen Bischofskonferenz, d.h. von ihrem Sekretariat mit den von diesem verpflichteten „Fachleuten” ein Flyer herausgegeben worden mit dem Titel „Geschlechtersensibel: Gender katholisch gelesen”. Und hier werden nun Auffassungen vertreten, die allen Aussagen von Papst, Kardinälen, der gerade zu Ende gegangen römischen Synode und hier besonders einer Erklärung der deutschen Sprachgruppe der Synodenväter widersprechen.

Die Angelegenheit um diesen Flyer ist symptomatisch für die Situation der deutschen Teilkirche, wie sie in Jahrzehnten entstanden ist, wie wir im Folgenden darlegen wollen.

Über den Flyer selbst ist viel geschrieben worden. Der römische Kurienkardinal i.R Paul Kardinal Cordes hat entsetzt gegen dieses Machwerk protestiert. Die qualifizierteste Kritik zu dem Flyer hat der Regensburger Bischof und ehemalige Ordinarius für Dogmatik an der Universität Trier Prof. Rudolf Voderholzer geleistet, so dass wir hier auf den Flyer in einzelnen nicht mehr eingehen wollen. Sie ist hier nachzulesen.

Hier wird auch auf andere Stellungnahmen verwiesen und verlinkt. Von den Aussagen des Lehramtes über Gender ist besonders die Meinung des Papstes Franziskus als oberster Hirte der Universalkirche zu nennen. Er hat sich verschiedentlich zu Gendermainstreaming geäußert. Seine wohl schärfste Bemerkung war, dass diese Ideologie dämonisch sei. Das läuft an den Machern des Flyers ab wie Wasser an einem Fettkörper, obwohl diese Macher sich ständig aus den Aussagen des Papstes herauspicken, was sie zur ihrem ideologischen Kampf für den Zeitgeist gebrauchen können. Die römische Synode zur Familie hat sich eindeutig gegen die Genderideologie ausgesprochen. Ja, sogar die deutschsprachigen Synodenväter, zu denen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx gehört, hat in einer besonderen Stellungnahme während der Synode am 21. Oktober erklärt. „Alle Theorien, die das Geschlecht des Menschen als nachträglichen Konstrukt ansehen und seine willkürliche Auswechselbarkeit gesellschaftlich durchsetzen wollen, sind als Ideologien abzulehnen.” kath.net hat berichtet.

Auch diese sehr eindeutige Erklärung scheint im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz zu verhallen. Nun könnte man ja anführen, dass der Flyer vor dieser Erklärung unter Teilnahme des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und des Familienbischofs Erzbischof Koch vorbereitet worden war. Aber dann müsste spätestens in den nächsten Tagen der Flyer aus dem Verkehr gezogen und eingestampft werden. Wir glauben nicht, dass das geschehen wird, weil hier wieder das größte Problem der deutschen Teilkirche sichtbar wird, das es nirgendwo in der Weltkirche gibt: Nämlich die Macht des in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgeuferten kirchlichen Apparates (Ordinariate) und der Gremien, die durch gewollt weggelassene Katechese über Jahrzehnten kaum noch Glaubenswissen besitzen, wie mir ein Ordinariatsdirektor einer der größten deutschen Diözesen bestätigte. Er sagte: Man müsste 70 % Prozent der Belegschaft hier entfernen, weil diese mit Christentum nichts mehr am Hut haben. Das große Erzbistum München und Freising hatte 1960 beim Tod von Kardinal Wendel 45 Hauptangestellte und drei Nonnen als Belegschaft im Ordinariat. Heute sind es um die 1.000 (sic!). Und die müssen sich natürlich beschäftigen. Das ist nur in dieser durch unsere Kirchensteuern hoch alimentierten Teilkirche möglich. Das gibt es so sonst nirgendwo in der Weltkirche.

Diese Apparate und Gremien haben inzwischen solch eine Macht, dass sie die meisten Bischöfe in der Hand haben. Aber nur diese können das ändern. Und wie gefährlich es für Bischöfe ist, sich gegen diese Macht aufzulehnen, haben wir am Schicksal der Bischöfe Mixa und Tebartz van-Elst erlebt, der heute in Vatikan an einer für die Weltkirche wichtigen Stelle arbeitet.

Es hat sich in Deutschland eine Parallelkirche gebildet aus diesem kirchlichen Apparat, Gremien, Institutionen und weiten Kreisen der an den staatlichen Universitäten verbeamteten Theologie, die weitgehend hier bei uns die „Macht” ausübt. Das gilt auch besonders für das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, das für den Flyer verantwortlich ist und besonders für die Katholische Nachrichteagentur (KNA) sowie für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die amtskatholische Presse im Druck und im Internet. Ein Prälat des Vatikans sagte mir vor drei Jahren, dass das überdimensionierte Sekretariat der Bischofskonferenz die Bischöfe so mit Vorlagen zuwerfe, dass diese alleine damit ausgelastet wären; denn irgendwie müssten sich diese Leute ja beschäftigen. Ist das nun alles zu schwarz gemalt?

Einer der bekanntesten Vatikanisten, der durchaus liberale John L. Allen, hat in seinem Buch „Das neue Gesicht der Kirche- Die Zukunft des Katholizismus” (The Future Church) in diesem gründlichen 500 Seiten-Werk, unserer Teilkirche und denen des Nordens diesen Niedergang, den wir erleben, gründlich und schlüssig dargelegt und die von uns genannte „Parallelkirche” benannt und beschrieben. Er hat dem, was wir hier als „Parallelkirche” bezeichnet haben, den Untergang vorausgesagt.

Helfen wir durch Gebet und Unterstützung der Bischöfe, dass die Parallelkirche so schnell wie möglich verschwindet und die Kirche hierzulande nun wirklich einmal auf die ganze Botschaft wenigstens dieses Papstes Franziskus hört und tatkräftig die von ihm fast täglich an praktischen Beispielen geforderte Entweltlichung vollzieht. Dazu mögen uns unter der Führung der Muttergottes, der Patron der Deutschen, der himmlische Heerführer St. Michael (der deutsche Michel), der heilige Bonifatius und alle unsere großen Heiligen durch die Kraft ihrer Fürsprache helfen.

Dr. phil. Michael Schneider-Flagmeyer (Foto) ist Gründungsmitglied des Forums Deutschen Katholiken. Weitere Informationen siehe Eintrag auf kathpedia .

Zur Dokumentation: Der Gender-Flyer der Deutschen Bischofskonferenz



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