Einige grundsätzliche Anmerkungen zur Trierer Synode

23. Februar 2016 in Kommentar


Brief an Bischof Ackermann und die Trierer Weihbischöfe: „Durch die Einberufung der Synode hat man sich auf einen Weg begeben, der in mehrfacher Hinsicht problematisch ist.“ Gastbeitrag von Pfr. Dr. Helmut Gehrmann


Trier (kath.net) In einem Brief an alle Trierer Bischöfe erläutert Pfr. Dr. Helmut Gehrmann seine Anfragen an die „Trierer Synode“ und die daraus erfolgenden Umstrukturierungen in der Diözese Trier. Gehrmann, der im Bistum Trier inkardiniert ist, aber außerhalb des Bistums im Bistum Chur eine Pfarrei betreut, hat den Brief zum Jahresende 2015 an die Trierer Bischöfe gesandt. Bisher hat er noch keine Antwort oder auch nur Empfangsbestätigung erhalten. kath.net dankt Pfr. Dr. Gehrmann für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung dieses Briefes.

Sehr geehrte Bischöfe, sehr geehrte Priester in Leitungsämtern, liebe Mitbrüder,

nachdem der Priestertag vorüber ist, sich die Synode im „Endspurt“ befindet und ich mich während meiner Freizeit eingehend mit den „Empfehlungen“ der Trierer Synode beschäftigen konnte, erlaube ich mir als Priester der Diözese Trier einige grundsätzliche Anmerkungen zur Synode, insbesondere deren Zusammensetzung, Empfehlungen und den sich abzeichnenden Folgen, zumal laut „Presbyterorum Ordinis“ Priester nicht nur allein für ihre Gemeinden Verantwortung tragen, sondern ihnen der sorgende Blick auf das Gesamte der Kirche angelegen sein sollte und somit die geistige Auseinandersetzung mit Entwicklungen und Ergebnissen von Synoden keine Usurpation einer Diskursebene darstellt, die ihnen eigentlich nicht zukommen würde.

Die noble Atmosphäre der Promotionsaula und das gute Mittagessen am 14. Oktober konnten nicht den Eindruck verdecken, dass ich auf Seiten vieler Priester große Unsicherheit und resignative Ansätze hinsichtlich der beruflichen Zukunft beobachten konnte. Davon zeugen Aussagen mancher älterer Mitbrüder, dass sie froh seien, wenn sie bald pensioniert würden. Bei jüngeren Priestern äußerte sich die Reserve gegenüber der ungewissen Zukunft eher in abfälligen Bemerkungen gegenüber denjenigen Strategen im Generalvikariat, die man für die sich abzeichnende Entwicklung für verantwortlich hält. Da in letzter Zeit einige Priester vorzeitig aus dem Dienst ausgeschieden sind, auch solche, denen ich freundschaftlich verbunden bin, stelle ich meinem Schreiben die Bitte voran, meine Ausführungen als Ausdruck des Willens zur Abhilfe einer Notsituation und als Anstoß zur Nachdenklichkeit zu werten.

Das amtliche Dokument des II. Vatikanischen Konzils „Presbyterorum Ordinis“ beschreibt im II. Kapitel das Verhältnis der Priester zu ihrem Bischof. Dort ist unter II. 7. im Verhältnis zum Bischof festgehalten, dass die Priester an „ein und demselben Priestertum und Amt Christi“ teilhaben: „Einheit der Weihe und Sendung“ erfordert „hierarchische Gemeinschaft mit dem Stand der Bischöfe.“ Priester sollen zwar im Bischof die Autorität Christi erkennen, aber aus diesem vom II. Vatikanischen Konzil beschlossenen Text geht auch hervor, dass ein Bischof in einer gewissen väterlichen Sorge zu seinen Priestern zusammen mit diesen die Diözese leitet.

Eine solche Vorgabe lässt eine Vermutung als berechtigt erscheinen, dass bei einer anstehenden strukturellen Reform eines Bistums der zuständige Bischof bei der Konzeption für die in Angriff zu nehmenden Veränderungen vor allem die Priester als seine engsten Mitarbeiter hinzuzieht. Stattdessen wurde für die Synode, deren Ergebnisse fundamentale Auswirkungen auf die Existenz der Priester sowohl hinsichtlich ihres Lebens als auch ihres Wirkens haben werden, in der Mehrheit Teilnehmer aus dem Laienstand bestellt (Verhältnis 120/143).

Es ist unbestritten, dass es zahlreiche Laien gibt, die ihren Glauben in dieser Welt leben und bezeugen. Sie besitzen ein großes „sentire cum ecclesia“, ein Wissen um Wesen und Bedürfnisse der Kirche. Diese Laien schätzen die Kraft, die ihnen aus der Mitfeier der Eucharistie und dem Empfang anderer Sakramente erwächst. Deshalb suchen und schätzen solche Gläubige die Nähe zum Priester mit ihrem sakramentalen Dienst. Diese Gläubigen leben und erneuern ihre Taufgnade durch ihre Teilnahme an den Gottesdiensten, weil sie wissen, dass uns in der Eucharistie Christus selbst begegnet, ohne den wir, auf uns allein gestellt, nichts tun können. (Vgl. Joh 15,1)

Es gibt aber auch – und diese Zahl ist leider im Wachsen begriffen – Laien, die sich selbst den Sakramenten der Kirche entziehen, in dem sie bewusst auf die Teilnahme an der Eucharistie und vor allem auch auf den Empfang des Bußsakramentes verzichten.

Dieser Vorgang hat nicht nur Konsequenzen für die Betroffenen selbst, sondern auch für konkrete Gemeinden oder sogar Bistümer, wenn solchen Personen Einfluss auf kirchliche Entwicklungen gewährt wird. Denn eine sich selbst auferlegte Abstinenz vom sakramentalen Leben der Kirche, bedeutet nicht nur im moralischen Bereich für die Betreffenden eine Zustimmung zu einem Zustand, der immer als sündhaft bewertet worden ist, sondern hat auch Konsequenzen für deren Fähigkeit, geistlich - geistige Vorgänge richtig beurteilen zu können. Das selbst gewählte Verharren in der Kirchenferne hat eine Verdunkelung des Glaubenslichtes zur Folge, wie die Kirche immer geglaubt und gelehrt hat. Das kann auf Dauer zur völligen geistliche Blindheit führen.

Es soll nicht bestritten werden, dass es kirchliche Distanz auf Grund des Versagens von Priestern gibt. Dennoch kann man, wenn man an seinem eigenen Glaubensleben wirklich existenzielles Interesse hat, gerade bei der heutigen Mobilität, Seelsorger finden und aufsuchen, welche in der Lage sind, kirchlich verursachte Wunden heilen zu helfen. Dies geschieht häufig nicht und Getaufte, die sich von der Kirche distanziert haben, nisten sich gerne in ihren Lieblingsgründen ein, warum sie die Kirche meiden. Empfehlungen zur Erneuerung der Kirche, die aus solchen Kreisen heraus vorgebracht werden, wurzeln vor allem in der Apologie der eigenen Entscheidung zum Fernbleiben.

Wenn man die Bedingungen für die Mitgliedschaft für die Teilnahme an der Synode unter Artikel 2, §2 der Statuten liest, ist leicht erkennbar, dass man bei der Berufung der Synodenteilnehmer auf Vorgaben hinsichtlich der Teilnahme am Leben der Kirche weitgehend verzichtet hat. In vielen Fällen scheint die Synode von Leuten bestückt zu sein, die nur sporadisch an der Eucharistie ihrer Gemeinden teilnehmen, wie mir Pfarrer solcher Synodalen glaubhaft berichtet haben. Zieht man das oben schon gesagte hinzu, müssen dem entsprechend auf Grund dieser selbst gewählten sakramentalen Abstinenz, manche „Empfehlungen“ solcher Fernstehenden zur Erneuerung der Kirche, als Ergebnis ihres Apologiebedürfnisses des eigenen Fehlverhaltens und als Manifestationen der Unfähigkeit, geistliche Vorgänge richtig beurteilen zu können, als geistige Entgleisungen direkt erwartet werden.

Stattdessen werden wir von dem von mir sonst so geschätzten Weihbischof und Mitbruder Helmut Dieser in der Predigt in der abschließenden Vesper des Priestertages dem Sinne nach aufgefordert, darauf zu vertrauen, dass die Laien schon die richtigen Wege für die Zukunft der Kirche finden würden. Worin gründet eigentlich die Berechtigung für die Einforderung einer solchen Zuversicht? In durchgängig rechtgläubigen Einlassungen des Zentralrates der deutschen Katholiken zu Fragen der Moral? Begründet der Gender-Flyer, der von der „Arbeitsstelle für Frauenseelsorge“ herausgegeben worden ist, einen solchen Vertrauensvorschuss? Oder begeben wir uns auf die Gemeindeebene: Wenn ich durchschnittlich gebildete Laien eines örtlichen Musikvereines unbegleitet ein Adventskonzert zusammenstellen lasse, muss ich mit allem möglichen und unmöglichen rechnen, aber doch eher nicht mit wirklichen Adventsliedern. Es herrscht eine Art magisches Verständnis über die Wirkung der Tauf- und Firmspendung vor, so, als würde durch die Spendung dieser Sakramente den Empfängern eine Art Unfehlbarkeit in der Beurteilung von Glaubensdingen zufallen. Ich verstehe auch nicht, warum Priestern gegenüber als Argument für die Aufwertung der Laien immer auf die Tauf- und Firmgnade verwiesen wird, so, als ob Priester diese Sakramente nicht empfangen hätten, oder die Wirkung der Taufe und der Firmung durch den Empfang der Priesterweihe irgend eine Einschränkung erfahren würde. Man müsste sich dann aber auch fragen, warum Priesteramtskandidaten überhaupt noch eine Ausbildung benötigen, wenn der Empfang der Taufe und der Firmung per se mit der Vermittlung eines unfehlbaren Glaubenssensus verbunden wäre. Die Taufe muss nicht nur empfangen, sie muss auch gelebt werden. Unser geistliches Leben braucht Nahrung. Diese Nahrung ist Christus selber, mit dem wir uns vor allem in der Eucharistie verbinden.

Die Einsicht in diese Zusammenhänge ist im Schwinden begriffen. Das sticht ganz deutlich bei einem Abschnitt ins Auge, der von der so genannten Sachkommission „Der Sonntag und die Gestaltung des Sonntaggottesdienstes“ herausgegeben worden ist. Dort heißt es, unter der Überschrift „Abschiede“ unter Punkt 2.: „Wir nehmen Abschied von der Vorstellung, dass alle Gläubigen das Bedürfnis haben, am Sonntag die heilige Messe oder sonstige Gottesdienste zu besuchen; das gilt auch für die in der Kirche Engagierten.“

Diese Passage ist ganz bezeichnend für die heutige Kirchenkrise. Generell wird aus der Kapitulation vor dem faktischen Verhalten vieler Getaufter ein Maßstab für die Entscheidungsfindung der Kirche abgeleitet. Aber auch in anderer Hinsicht lohnt es sich, auf diesen Punkt näher einzugehen:

1. In sprachlicher Hinsicht: Eigentlich wird in diesem Punkt ein Wegfall des Sonntagsgebotes billigend in Kauf genommen. Wäre das konkret so formuliert worden, würde die Gefahr bestehen, dass dem offen widersprochen werden könnte. Um einer Zurechtweisung zu entgehen, schreibt man nicht „Abschaffung der Sonntagspflicht“, sondern flüchtet sich in einen „Neusprech“ und nennt das ganze verharmlosend und verschleiernd „Abschied von einer Vorstellung etc.“.

2. In fundamentaltheologischer Hinsicht: Es ist in diesem Abschnitt von „Bedürfnis“ der Gläubigen die Rede. Jesus Christus hat sich nicht ans Kreuz schlagen lassen und ist vom Tode auferstanden, um religiöse Bedürfnisse zu befriedigen. Er hat die Menschen erlöst von Sünde und Tod. Durch die Teilnahme an den Sakramenten erhalten wir Anteil an der Erlösung. Die Sakramente werden somit zu Werkzeugen unserer Rettung und sind nicht im Grunde verzichtbare Garnierungen unserer „geistlichen Freizeitgestaltung“.

3. In pastoraler Hinsicht: Die Konsequenz dieses „Neusprechs“ würde für die Pastoral bedeuten, dass wir den Menschen nicht mehr Jesus Christus zu verkünden um sie somit vor dem ewigen Verderben zu retten, sondern dass die Verkündigung im Fach „Unterhaltung“ angesiedelt werden würde, zu deren Beurteilung als Maßstab eine im Grunde nicht konkret greifbare geistliche Bedürfnisbefriedigung der Zuhörerschaft dienen müsste.

Ich selbst empfinde mich nicht nur als Priester, sondern zutiefst auch als Sünder, der immer wieder der Umkehr zu Gott und der liebenden Zuwendung unseres Herrn Jesus Christus bedarf, um nicht nur das priesterliche Amt leben zu können, sondern um auch meine menschliche Existenz der rettenden Fürsorge Gottes anheimzustellen. So verschieden andere Theologen und einfache Gläubige in der Kirche auch sein mögen, sehe ich in ihnen von Gott geliebte Menschen, die ebenfalls der Erlösung bedürfen und sich zusammen mit mir nach ihr sehnsuchtsvoll ausstrecken müssten. Ich bin mit anderen – Priester wie Laien- gemeinsam vor Gott erlösungsbedürftiger Sünder. Das betrachte ich als Grundkonsens für christliches und priesterliches Handeln.

Die sogenannte Verabschiedung von der Vorstellung, dass alle Gläubige das Bedürfnis haben würden, am Sonntag die heilige Messe zu besuchen, bedeutet im Grunde, die Aufgabe dieses fundamentalen Grundkonsenses für die Verkündigung. Die unwidersprochene Hinnahme dieser Passage bedeutet nicht nur ein Gutheißen eines sündigen Zustandes, sondern auch indirekt Zulassung der Infragestellung der sakramentalen Verfasstheit der Kirche und die in ihr zum Ausdruck kommenden Rettungssorge Gottes.

Im Zusammenhang mit den Umstrukturierung vieler deutschen Diözesen klagt Pfarrer Dr. Guido Rodheudt aus Herzogenrath im Bistum Aachen bei einem Vortrag über die herrschende Stimmung in den Ordinariaten: „Ein Kasernenhofton ist wiederentdeckt worden, an den sich selbst Mitbrüder von Weihejahrgängen der 50er Jahre nicht mehr erinnern können.“

Und es scheint tatsächlich so zu sein: Wer sich als Priester den strukturellen Neuentwicklungen versagt, und irgendwelchen sekundären administrativen Direktiven nicht sofort nachkommt, hat mit unverhältnismäßig scharfen Reaktionen zu rechnen. Wenn schon zweitrangige Verstöße von Priestern gegen die Disziplin mit einer Abmahnung geahndet werden, wieviel mehr müsste dem Fallenlassen des theologischen Grundkonsenses, die Kirche als Heilswerkzeug Gottes zu begreifen und zu vertreten, mit aller Entschiedenheit begegnet werden. Doch schon die erstaunlich muntere Ungeniertheit, mit der die Aufgabe der Sonntagspflicht vorgetragen wird, deutet darauf hin, dass die Synodalen nicht mehr mit einschränkenden oder korrigieren Direktiven seitens der Bistumsleitung rechnen. Dieser Eindruck wurde auf dem Priestertag durch den Einwurf bestätigt, viele Empfehlungen der Synode könnten wegen der Höhe der anfallenden Kosten gar nicht umgesetzt werden. Wenn die theologische Beurteilung mancher „Empfehlungen“ offenbar keine entscheidungsrelevante Rolle mehr spielt, muss die, als Beruhigung der Priester gedachte Bemerkung, ungewollt Anlass für Befürchtungen werden.

Was soll den Priester in der Zukunft erwarten? Ständige Qualitätskontrolle seiner Verkündigung, Abdrängung in ein kultisches Nischendasein und vor allem praktische Eliminierung seiner Hirtenaufgabe. Ich erlaube mir, in Erinnerung zu rufen, dass die Leitung einer katholischen Pfarrei durch einen Priester nicht einfach nur einer willkürlich festgelegten kirchenrechtlichen Vorgabe entspricht, sondern dem priesterlichen Sein wesenhaft zukommt. In „Presbyterorum Ordinis“ wird der priesterliche Dienst im Lehren, Heiligen und Leiten definiert. Das Leiten einer Pfarrei wächst dem Priester sozusagen ontologisch zu. Auch im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe wird die leitende Funktion des Priesters hervorgehoben: „In der Ausübung der Seelsorge jedoch nehmen die Diözesanpriester den ersten Platz ein. Sie sind ja einer Teilkirche inkardiniert oder zugewiesen und sollen sich ihrem Dienst ganz widmen, um einen Teil der Herde des Herrn zu weiden.“ Die „Empfehlungen“ der Synode, nach denen die Leitung einer Seelsorgeeinheit nur in einem Dreierteam erfolgt, in welchem der Priester nur eine Stimme neben den anderen besitzt, ignorieren das Kirchenrecht – wiewohl ich mir darüber im Klaren bin, dass man irgendwo einen Heilspropheten von Kirchenrechtler finden wird, der auch das als vertretbar hinstellen wird – und setzen sich vor allem über die Definition der Aufgaben des Priesters des II. Vaticanums hinweg. Hier wird deutlich, dass die Synode die Sendung des Priesters nicht im Auge hat, sondern sein Wirken irgendwie nur beschränkt partiell-funktional zu beurteilen in der Lage ist, was aber nicht erstaunt, wenn man eine gewisse selbst auferlegte sakramentale Abstinenz im Auge hat.

Eigene Erfahrung lehrt mich, dass priesterliche Existenz bezüglich der Ehelosigkeit und des Gehorsams nur im Zusammenhang bestimmter Sicherheiten gelebt werden kann. Dazu gehören neben der „stabilitas loci“ die Sicherheit, dass Glaubenswahrheiten nicht zur Disposition gestellt werden, sowie das Bewusstsein, durch die väterliche Fürsorge des Bischofs angenommen zu sein. Durch die sogenannten „Empfehlungen“ der Synode wird all dies in Frage gestellt. Die Leitung einer Seelsorgeeinheit durch ein Team wird ein anderes rechtliches Konstrukt erfordern, als es die bisherige klassische Ernennung zum Pfarrer darstellt. In diesem neuen Konstrukt kann die Stellung des Pfarrers vor Ort im Vergleich zur bisherigen Situation gar nicht mehr so stark sein wie bisher. Der Priester wird leichter versetzbar werden müssen, weil Konflikte in solchen Teams auf Grund unterschiedlicher theologischer Überzeugungen vorhersehbar sind. Innerhalb solcher Teams werden gewisse theologische Sachverhalte, wie beispielsweise der Erwerb eines Ablasses für die Gläubigen, gar nicht mehr mehrheitsfähig sein, so dass eine solche Glaubenswahrheit zwar nicht direkt geleugnet wird, da die Ablassordnung ja in der Regel die Unterschrift des Bischofs trägt, aber die faktische Umsetzung wird verhindert werden, wie ich das selbst schon erlebt habe.

Durch die Qualitätskontrolle der Priester durch noch näher zu definierenden Instanzen, wird die Unmittelbarkeit der Beziehung eines Priesters im Verhältnis zu seinem Bischof noch mehr ausgehöhlt werden, als sie ohnehin schon erfahren wird. Der Priester ist nicht mehr rechenschaftspflichtig seinem Bischof gegenüber, sondern gegenüber einer Kontrollinstanz, an welche der Ortsordinarius seine diesbezügliche Kompetenz abgetreten hat. Das dauernde Umorganisieren, die sich wiederholenden Qualitätskontrollen, das sich „Ständig-beweisen-müssen“ vor Instanzen, denen das besondere Priestertum weitgehend wesensfremd ist, wird die priesterliche Existenz nur noch als schwer lebbarer Lebensentwurf erscheinen lassen.

Hinzu kommt erschwerend, dass gegen wirklich gravierende Verstöße in Liturgie, Verkündigung und Kirchendisziplin von Seiten einer Aufsichtsbehörde für mich wahrnehmbar immer seltener reagiert wird. So haben die Schweizer Bischöfe in einem kürzlich veröffentlichten Dokument zwar einerseits die Vermischung der Rollen von Priestern und Laien festgestellt, die weder „biblisch noch sakramentaltheologisch zu begründen“ sei, doch in weiteren Schreiben haben die Bischöfe von Basel und Sankt Gallen darauf hingewiesen, dass sich trotzdem an der Praxis in ihren Diözesen nichts ändern würde. Neu dürfte bei diesem Vorgang sein, dass zum ersten Mal schriftlich manifestiert wird, dass Verantwortliche nicht mehr gegen Verstöße vorzugehen gedenken. Soweit dürfte man in Deutschland noch nicht sein. Aber auch von Gläubigen aus der Diözese Trier, die schon wiederholt auf liturgische Missstände aufmerksam gemacht haben, weiß ich, dass sie sich vertröstet oder im Grunde ignoriert fühlen, oder sogar noch mit negativen Folgen für ihre Person durch die Missstandsverursacher zu rechnen hatten, die auf Dekanatsebene angesiedelt sind, weshalb Ich hier bewusst auf die Nennung von Namen und Orte verzichten muss.

Die Auswirkungen auf den zu erwartenden Priesternachwuchs sind geradezu greifbar. Ein Priester muss bei der Ausübung seines Amtes in der Lage sein, seinem an den kirchlichen Normen gebildeten Gewissen folgen zu können. Das ist durch das Eingebundensein in einem Team, in welchem es ständig um eine Konsensbildung und Kompromissfindung gehen wird, gar nicht mehr möglich. Das empfohlene neue System erfordert Priester, die sich allen möglichen oder unmöglichen Forderungen fügen müssen, um überleben zu können. Auf diesem Wege muss eine permissive Charakterstruktur von anzuwerbenden Priesteramtskandidaten geradezu Voraussetzung werden, um in dem neuen kirchlichen System zurechtkommen zu können. So erscheint der zukünftige Priester als eine Art „Zelebrationsprostituierter“, sich willenlos jeder Zumutung fügend. Welcher Mann mit einem integeren Charakter wird sich noch für einen solchen Beruf begeistern können? Daher ist sowohl mit einem Rückgang von Berufungen, als auch mit einer Zunahme von Frühpensionierungen zu rechnen.

Möglicherweise wird man hier einwenden, dass es Priester gibt, die ihr Amt mit einer gewissen selbstherrlichen Rücksichtslosigkeit ausüben. Ich will gar nicht bestreiten, dass es so etwas gibt. Man erwartet von einem Priester in der Diözese Trier, der weiterhin leitender Seelsorger sein will, dass er sich mit den Umstrukturierungsmaßnahmen völlig identifiziert. Beseelt durch den Wunsch, die eigene Haut als Pfarrer zu retten, ist bei manchem ein gewisser Übereifer festzustellen, mit dem Pfarrhäuser abgestoßen, Pfarrämter geschlossen und Küster- und Organistenstellen zusammengelegt werden. Dabei werden Konflikte sowohl mit Einzelnen als auch mit Gemeinden durchaus in Kauf genommen. Bei mir ist der persönliche Eindruck entstanden, dass von Seiten der Bistumsverantwortlichen eine gewisse Rücksichtslosigkeit von Priestern gegen diejenigen toleriert wird, welche dem Umbau des Bistums reserviert gegenüber stehen. So wird manchem Priester in seinem Bestreben, sich das Wohlwollen der Bistumsleitung zu erwerben, um weiter Pfarrer sein zu können, ein seelsorgefremdes, menschlichkeitsfernes, effizienzorientiertes Managerverhalten geradezu antrainiert.

Durch die Einberufung der Synode hat man sich auf einen Weg begeben, der in mehrfacher Hinsicht problematisch ist. Das beginnt schon mit der einfachen wie fundamentalen Feststellung, dass die Irrtumslosigkeit nur der Gesamtkirche zugesagt ist. Die Geschichte lehrt, dass regional begrenzte Synoden häufig in die Sackgasse geführt haben, aus welcher das zentrale Lehramt wieder herausführen musste. Dazu kommt, dass solche Veranstaltungen eine gewisse Eigendynamik zu entwickeln pflegen, der man nur schwer wieder Herr wird.

Die „Empfehlungen“ der Trierer Synode bedeuten in mancher Hinsicht nicht nur ein Aufweichen des sakramentalen Priestertums in der Praxis, verbunden mit den Folgen, von denen schon die Rede war, sondern sind geeignet, dem Wunsch nach einer anderen, insgesamt entsakramentalisierten Kirche zu entsprechen. Dieses Ergebnis müsste aber bei Kenntnis der Zulassungsbedingungen zur Teilnahme, wie schon dargelegt, vorhersehbar gewesen sein. Würde man die gleichen Leute veranlassen, Empfehlungen für die Umstrukturierung der Bistumsleitung zu entwickeln, sähe sich unser hochwürdigster Herr Bischof mit gleicher Stimme eingebunden in ein Triumvirat, bestehend aus ihm selbst unter Hinzuziehung des jeweiligen Vorsitzenden des Katholikenrates und einer Gender-Beauftragten aus Brüssel, wahrscheinlich mit Doppelnamen, versteht sich.

In den Vorschlägen der Synodalen wird eine Haltung erkennbar, die im Priestermangel keinen bedauerlichen Missstand erkennt, sondern die Chance erkennt, die Option eine entsacerdotalisierte Glaubensorganisation entwickeln zu können. Es wird der Entwurf einer Glaubensgemeinschaft sichtbar, die diakonisch, sozialraum- und projektorientiert und natürlich geschlechtersensibel sein will, aber nicht mehr von Umkehr und Heiligung spricht. Im Grunde charakterisiert das, was in den Texten fehlt, die Stoßrichtung dieser Synode. Es fehlt neben dem schon genannten ein überzeugender Ausdruck des Bedauerns über den Rückgang der Eucharistiefeiern, der Beichte und damit verbunden der Priesterzahl. Der Eindruck der Glaubensfremdheit wird verstärkt durch die feststellbare Neigung, die Eucharistie anderen Gottesdienstformen gleichzustellen.

Im Zusammenhang mit der Erörterung neuer Pläne vermisse ich die Auswertung der Auswirkungen des Planes 2020. Durch die Reduzierung der wirklichen Pfarrstellen auf ungefähr die Hälfte der Anzahl der noch zur Verfügung stehenden Priester wurde eine Tendenz erkennbar, das Leitungsamt der Priester zurückzudrängen. Das hat zur Entpersonalisierung geführt. Der zu beobachtende Rückgang des kirchlichen Lebens hat an Tempo zugenommen, anstatt sich zu verlangsamen. Deshalb halte ich nach Zurücklegung der ersten Etappe ein Innehalten und eine auswertende Rückschau für durchaus angebracht. Es wären aus meiner Sicht, bevor man auf dem eingeschlagenen Weg weitergeht, Fragen zu beantworten: Hat die Umsetzung des Planes 2020 die Erwartungen erfüllt, die im Vorfeld an ihn geknüpft wurden? Ist die Umsetzung dieser Umstrukturierung ursächlich für einen verstärkten Rückgang der Glaubenspraxis verantwortlich zu machen? Eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen kann ich nicht erkennen. Die kritiklose Beibehaltung der Fahrtrichtung lässt die ganze Entwicklung als Ergebnis einer Ideologisierung erscheinen, die gar keine Selbsthinterfragung verträgt und zulässt. Es würde mich sehr freuen, wenn ich mich in diesem Punkte täuschen würde.

Während ich diesen Brief schreibe, ist die Rede von Papst Franziskus zum „Ad-limina-Besuch“ der deutschen Bischöfe im Wortlaut bekannt geworden. Darin wird im Hinblick auf das besondere Priestertum die Sorge des Papstes über dessen Erhalt, und die Feier der Eucharistie als Zentrum des Glaubens greifbar. Durch die Ermahnungen des Papstes wird sichtbar, dass die „Empfehlungen“ der Trierer Synode im Grunde Themen beinhalten, deren Behandlung nicht Aufgabe einer Bistumssynode sein können, sondern in den Zuständigkeitsbereich der Weltkirche gehören.

Eine Ausgliederung der Jugendarbeit aus dem normalen Pfarrleben erachte ich als sehr problematisch. Die in diesen Jugendkirchen gehaltenen Gottesdienste zeichnen sich in der Regel durch antisakrale Militanz aus. Traditionelle Verehrungs- und Liturgieformen werden bewusst ignoriert. Eine solche Jugendarbeit wird nicht zur Eingliederung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in das normale Leben der Kirche führen, sondern zu einer Glaubenshaltung, welche sich in Gottesdiensten von Freikirchen besser beheimatet fühlt, als in der Sonntagsmesse der Heimatgemeinde. Die Projektorientiertheit und Spezialisierung in der Seelsorge wird zu Parallelstrukturen und damit zur Schwächung des ohnehin abnehmenden Gemeindelebens führen, wie sich das mancherorts schon beobachten lässt.

Deshalb erlaube ich mir abschließend, folgende Vorschläge als Bitten zu äußern:

1. Zunächst bitte ich, die „Empfehlungen“ der Synode zur Beurteilung der Glaubenskongregation oder der Kleruskongregation vorzulegen.

2. Kritische Auseinandersetzung mit der Situation in Bistümern (Beispiel Basel), in welchen die Verkündigung des Glaubens, Spezialisierung der Seelsorge, und die administrative Verantwortung schon weitgehend in die Hände von Laien gelegt worden ist.

3. Bevor weitere Schritte zum Umbau der Diözese unternommen werden, bitte ich, die schon im Zusammenhang mit der Umsetzung des Planes 2020 getätigten Umstrukturierungen hinsichtlich auf ihre Auswirkungen zu analysieren.

4. Laien, denen Einfluss auf Veränderungen im kirchlichen Leben eingeräumt wird, sollten einen Nachweis über die Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche vorlegen können.

5. Die Anzahl der Pfarrstellen sollte ungefähr der Anzahl der zur Verfügung stehenden Priester entsprechen.

6. Falls das aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich sein sollte, bitte ich, den „überzähligen“ Priestern in der Seelsorgeeinheit, in der sie tätig sind, eine Kirche zuzuweisen, in welcher sie als rector ecclesiae eigenverantwortlich Eucharistie feiern können.

7. Allgemeine Erfahrbarkeit der Wertschätzung des Priestertums heben, Verstärkung des Gebetes um Berufungen.

In der Hoffnung, dass meine Ausführungen auf wohlwollende Erwägung stoßen, verbleibe ich, um den Segen bittend, mit achtungsvoll-herzlichen Grüßen in meine Heimat: Möge der Segen des menschgewordenen Gotteskindes Euch alle durch das kommende Jahr begleiten!
Pfr. Dr. Helmut Gehrmann




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