17. September 2018 in Weltkirche
Umstrittener Papstberater Maradiaga zum Viganò-Statement: Man hätte diese Frage administrativer Natur mit ruhigeren Kriterien öffentlich machen sollen, nicht in negativer Anklage voller bitterer Äußerungen. Von Petra Lorleberg
Vatikan (kath.net/pl) Schönreden, Zudecken, Disqualifizieren der Gegenposition mittels Totschlagargumenten. Das scheint die Methode des Papstberaters Oscar Kardinal Maradiaga angesichts des in den USA regelrecht explodierten Skandals um innerkirchlichen sexuellen Missbrauch und seiner gezielten Vertuschung zu sein. Der Vorsitzende des K9-Kardinalsrates (dem engsten Beraterkreis von Papst Franziskus) und Erzbischof von Tegucigalpa/Honduras sagte im Interview mit dem spanischen Portal Religión Digital: Es kommt mir nicht korrekt vor, etwas, das [eigentlich] privater Natur ist, zu einer Bomben-Headline zu machen, die weltweit explodiert und deren Splitter den Glauben vieler Menschen verletzten. Ich denke, man hätte diese Frage administrativer Natur mit ruhigeren und objektiveren Kriterien öffentlich machen sollen, nicht in einer negativen Anklage voller sehr bitterer Äußerungen. Ich glaube, dass der Bischof Viganó, den ich kannte, nicht derselbe ist, der solche Dinge schreibt und sagt. Er bezog sich auf den Skandal, den der emeritierte Nuntius Erzbischof Carlo Viganò ausgelöst hat, kath.net hat berichtet. Viganò, der jahrelang Nuntius in Washington DC./USA gewesen war, hatte Papst Franziskus zum Rücktritt aufgefordert mit der Begründung, Franziskus habe die Maßregelung McCarricks durch Benedikt XVI. wissentlich aufgehoben und McCarrick zu seinem Ratgeber und Vertrauten erhoben. Die Vorwürfe Viganò lassen sich bisher weder bestätigen noch widerlegen.
Die Frage von Religión Digital, ob es stimme, dass man das Viganò-Dossier im Zusammenhang mit einer [postulierten] Verschwörung sehen müsse, die von amerikanischen extremen Rechten organisiert sei, welche das Lehramt von Franziskus nicht akzeptierten, bejahte Maradiaga. Angesichts der Heterogenität der Menschen sind Spannungen zwar unvermeidlich, aber es sei die Pflicht jedes einzelnen, die Wahrheit zu suchen und die Einheit der Kirche zu lieben, besonders wenn man aus dem Glauben handelt. Damit unterstellte Maradiaga denen, die das Viganò-Dossier ernst nehmen, dass sie weder die Wahrheit suchen noch die Einheit der Kirche lieben würden. Die Ablehnung des Papstes durch seine innerkirchlichen Kritiker versuchte er auf die Frage von Sympathie oder Antipathie zu Franziskus zu lenken, hier fehle der Glaube und damit das Fundamentale, kritisierte er dann die innerkirchliche Gegenposition.
Das Konzept einer Schwulenlobby im Vatikan werde unverhältnismäßig hochgepusht, behauptete Maradiaga weiter. Es ist etwas, das weitaus mehr in der Zeitungstinte als in der Realität existiert. Es ist für mich offensichtlich, dass der Zweck all dieser Ausdrücke, die mit Gift und Verleumdung aufgeladen sind, darin besteht, den Heiligen Vater zu treffen.
In den Antworten Maradiagas fällt auf:
1.) Er redet den Begriff der Schwulenlobby klein. Allerdings vergisst er zu erwähnen, dass sogar Papst Franziskus bereits 2013 gesagt: Es wird von einer Gay-Lobby gesprochen, und das ist wahr, die gibt es. Wir müssen sehen, was wir tun können, kath.net hat berichtet.
Kardinal Maradiaga erwähnt auch nicht, dass er sogar persönlich 2016 in einem Zeitungsinterview vertreten hatte, dass es eine Gay-Gemeinschaft im Vatikan gebe. Wörtlich erläuterte er damals weiter: Nicht nur das. Auch der Papst sagte, dass es sogar eine Lobby dafür in diesem Sinne gibt. Nach und nach möchte der Papst dies bereinigen, kath.net hat berichtet.
2.) Im aktuellen Interview benutzt Maradiaga kein einziges Mal Worte im Umkreis von Sünde, Verbrechen, Ermittlungen durch staatliche Autoritäten, Missbrauchsopfer, Vertuschung. Das der sogenannte Kardinal McCarrick unter dem Druck der öffentlichen Anschuldigungen inzwischen mit Zustimmung des Papstes aus dem Kardinalskollegium ausgeschieden ist und seither allgemein als Ex-Kardinal bezeichnet wird, bleibt völlig unerwähnt.
3.) Es gibt keinerlei Entschuldigung bei den Missbrauchsopfern oder wenigstens ein Anerkennen ihres Leidens, ebenso wenig eine Ermahnung an Geistliche, ihren Zölibat künftig vollständig keusch zu leben - dabei sollte dies eine absolute Selbstverständlichkeit sein, egal, ob der betreffende Geistliche homo- oder heterosexuell orientiert ist.
Sind Vorgänge, zu denen in den USA seit Jahren ausführliche behördliche Ermittlungen laufen, wirklich privater Natur, nur ein Problem von angeblichen Papstfeinden und sollten besser nicht an die Öffentlichkeit geholt werden?
Fakt ist vielmehr: Völlig unabhängig vom Viganò-Statement bestätigt immerhin der Grand Jury Report des US-Bundesstaates Pennsylvania (dessen Erwähnung vergessen wurde, übrigens schuldhafterweise auch seitens Religión Digital): Es geht um Verbrechen und ihre Vertuschung. Es geht um Vergewaltigungen bzw. sexuelle Verführung Minderjähriger, es geht um gezielte sexuelle Belästigung von Priesteramtskandidaten in großem Maßstab, es geht um berufliche Bevorzugung und Benachteiligung von Nachwuchsklerikern je nach ihrer Bereitschaft zum Dienst als Betthaserl bei einem alternden Kardinal mit unsättigbarem Appetit auf junge Bettpartner, es geht um die Frage, wie weit sexuelle Verbrecher sowie Vertuscher solcher Verbrechen in der kirchlichen Hierarchie (mittels eines Netzwerkes?) aufsteigen konnten.
Wer diese Fragen nur angeblichen Papstfeinden anlasten möchte, ist entweder auf beiden Augen blind oder möglicherweise selbst ein Mittäter.
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