Und das vatikanische Presseamt schweigt…

9. Oktober 2013 in Kommentar


US-Journalistin Hilary White kritisiert das Schweigen des Vatikanischen Pressezentrums zu all den "ungewöhnlichen Stellungnahmen und Handlungen" von Papst Franziskus


Vatikan (kath.net/LSN/pl) „Ich weiß nicht, ob ich die Einzige bin, die bemerkt hat, dass manches Eigentümliche im Vatikan vor sich geht…. Ich meine das eigentümliche, lange, fast schon peinliche und – wage ich es zu sagen? – verlegene Schweigen, das im Vatikanischen Pressezentrum über all die ungewöhnlichen Stellungnahmen und Handlungen von Papst Franziskus seit seiner Wahl herrscht.“ Mit diesen Sätzen beginnt die Romkorrespondentin Hilary White ihren Kommentar in LifeSiteNews über die vatikanische Pressearbeit, die das Pontifikat von Papst Franziskus begleitet.

Man habe die Auswirkungen bereits gesehen, statuierte White. „Homosexuelle Aktivisten danken Franziskus dafür, dass er ‚die kirchliche Politik über Homosexualität abschwäche‘“, eine Organisation, die sich für das „Recht“ auf Abtreibung einsetze, habe Papst Franziskus gedankt und „ein atheistischer US-Talkshow-Moderator hat Franziskus zum Atheisten erklärt“. Um das Maß voll zu machen wurden zwei Interviews (das Scalfari-Interview und das Spadaro-Interview) in voller Länge in der italienischen Ausgabe des „Osservatore Romano“ abgedruckt, doch gab es dazu seitens der Sala Stampa keinerlei „offizielle Klarstellungen, Korrekturen oder gar donnernde Dementis“.

In den beinahe zehn Jahren, in denen White nach eigener Angabe vatikanische und katholische Themen mit ihrer Berichterstattung begleitet hat, „kann ich mich nicht an eine Zeit erinnern, in der der Aufruhr, den ein Papst durch das, was er gesagt und getan hat, so weit in die Denkweise der orthodoxen Gläubigen [Anm.: gemeint sind die lehramtstreuen Katholiken] hineinreicht. Diese sind es, die der gesamten Lehre der Katholischen Religion als kohärentem und unteilbarem Ganzen anhängen und sie verteidigen und die sich immer darauf verlassen haben, dass aus Rom Klarheit und kraftvolle Verteidigung des Glaubens kommt. Katholische Gläubige hatte in den letzten Jahrzehnten diesen Kampfes um Ideen ihre Aufgabe gut verstanden, nämlich, geduldig doch sprachgewandt die Forderungen zu korrigieren, welche von säkularen Progressisten in den Medien gestellt wurden. Wir waren dazu fähig, denn dank der Klarstellungen durch die Lehre und der Stärkung durch die Kirche in den letzten beiden Pontifikaten hatten wir Vertrauen die Basis, auf der wir standen.“

Doch die Erklärungen der letzten Monate seien rund um die Welt – entweder mit Abneigung und Sorge oder aber mit Siegesgeheul – als Beinahe-Erklärung dazu verstanden worden, dass sich die Kirche dem Geschmack von „Progressisten“, Liberalisten und Säkularisten anpassen werde. Daraufhin sei über Wochen nichts passiert: „es kamen überhaupt keine Klarstellung, keine Korrekturen, kein Dementis aus den Mauern des Vatikans“. Die katholische Welt habe inzwischen angefangen, sich zu wundern.

Vom Vatikanischen Presseamt sei überhaupt nichts gekommen, bis bei einer Pressekonferenz am letzten Donnerstag der vatikanische Pressesprecher Lombardi auf eine Anfrage hin ein paar Worte gestottert habe. Obwohl die Frage vorhersehbar gewesen sei, habe Lombardi nur mit Allgemeinplätzen reagiert und habe gesagt, dieser Papst rede eben in Gesprächsmanier und nicht im Sinn einer lehramtlichen Aussage. Lombardi hatte keine weitere Klarstellung vorbereitet und habe schlicht wie jemand gewirkt, der unvorbereitet erwischt worden war, kommentierte White.

Nachdem Scalfari, einer der Papstinterviewer, selbst darauf hingewiesen hatte, dass er das Gespräch mit Papst Franziskus weder auf einen Tonträger aufgezeichnet noch sich Notizen gemacht hatte, urteilte der vatikanerfahrene Fr. Thomas Rosica, Chefredakteur des kanadischen katholischen TV-Senders „Salt and Light“, dass eine solche nachträgliche Konstruktion „in Gefahr läuft, entweder Schlüsseldetails auszulassen oder verschiedene Momente oder Vorkommnisse zu verschmelzen“. Zu den Dingen, die man in Frage stellen könne, zähle Rosica auch die Fragestellung rund um die sogenannte mystische Erfahrung bei der Wahl von Papst Franziskus, kath.net hat bereits berichtet. Doch das sei es dann auch schon wieder gewesen und die Gläubigen seien dann wieder auf sich allein gestellt gewesen mit der Aufgabe, die Worte und Handlungen von Papst Franziskus zu interpretieren, eines Papstes, der offenbar Dinge sehr selbständig zu tun pflegt.

Inzwischen wurde, so White weiter, bereits in hunderten von Artikeln und tausenden von Blogs gefragt: Hat Papst Franziskus wirklich gemeint, dass man die Abtreibungsfrage zu sehr betont habe oder auch die Fragen nach der Natur Familie, Ehe und Sexualität? Sind die Hauptprobleme, mit denen die Kirche konfrontiert ist, wirklich die Jugendarbeitslosigkeit und die Einsamkeit der Alten? „Soll man dies so verstehen, dass das Töten von jährlich 50 Millionen ungeborenen Kindern weltweit, die wachsende Bedrohung durch legale Euthanasie und durch die globale Bewegung zur Bevölkerungskontrolle… nur einen hinteren Platz“ in unseren ökonomischen und emotionalen Kämpfen verdienten?

„Nur Papst Franziskus kann klären, was er wirklich meinte. Und er tut dies nicht. Letzte Woche war er in Assisi“ und in diesem sehr öffentlichen Rahmen mit viel Presse, „da gab es nicht einen einzigen Hinweis darauf, dass er sich des enormen Aufruhrs unter den Gläubigen bewusst ist, der aus seinen Worten resultiert.“

„Fünfzig Jahre lang haben Katholiken auf ein System vertraut, in welchem jedes Wort, das von einem Papst gesprochen oder geschrieben worden ist“, sorgfältig von den zuständigen vatikanischen Dikasterien auf die Übereinstimmung mit der katholischen Lehre abgewogen worden sei. Aus diesem System sei den Katholiken fast eben so viel Kraft zugewachsen wie aus der persönlichen Hingabe der letzten beiden Päpste, die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu verteidigen. Dies hatte den Katholiken Vertrauen gegeben, den festen Boden, den sie benötigten, um den guten Kampf zu kämpfen.

White fragte, ob dieses System nun zusammengebrochen sei. Und sie warnte davor, dass dies nicht nur Probleme unter den Gläubigen auslösen werde, sondern dass auch jene Mitglieder der kirchlichen Hierarchie, die in der Versuchung stehen, sich von der kirchlichen Lehre abzuwenden, sich nun gestärkt fühlen könnten. „Vielleicht ist es einer gewissen Sorte von Prälaten und Priestern noch nicht eingefallen, dass es aktuell so wirkt, als ob niemand den Vorrat behütet und dass manche Dinge jetzt mit weniger Furcht vor Korrektur gesagt oder getan werden könnten.“

Der Kommentar in voller Länge: „Has Vatican Press Office lost control of the message under Pope Francis?“




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