17. Jänner 2014 in Deutschland
Kritiker, die eine moralische und ideologische Umerziehung befürchten, werden von Befürwortern und Medien zum Teil in die rechte und fundamentalistische Ecke gestellt. Auch die Kirchen sind in die Kritik geraten.
Stuttgart/Erfurt/Hannover (kath.net/idea) Die Debatte um den baden-württembergischen Bildungsplan 2015 wird schärfer. Der Entwurf sieht vor, dass Themen wie Homo-, Bi- und Transsexualität im Schulunterricht intensiver und fächerübergreifend behandelt werden. Kritiker, die eine moralische und ideologische Umerziehung befürchten, werden von Befürwortern und Medien zum Teil in die rechte und fundamentalistische Ecke gestellt. Auch die Kirchen sind in die Kritik geraten. Der württembergische Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart) erklärte, es sei blanker Unsinn, den Eindruck zu erwecken, dass die Kirche für eine Ausgrenzung homosexueller Menschen sei. July bezog sich auf Kommentare zu einer Erklärung der beiden evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche in Baden-Württemberg, in der Teile des Bildungsplans kritisiert werden. Auf der landeskirchlichen Internetseite bekräftigt der Bischof, dass die staatliche Bildungsplanung die Kirchen an ihrer Seite habe, wo es um Toleranz auf dem Schulhof, Initiativen gegen Ausgrenzung und Abwehr von Vorurteilen geht. Die Landeskirche werde aber auch weiterhin die notwendige innere Diskussion über Leitfragen im Zusammenleben einer Gesellschaft, über Fragen der Sexualethik und Lebensbeziehungen, über biblische Aussagen und gegenwärtige Herausforderungen führen.
Ab der 1. Klasse: Sexuelle Vielfalt kennenlernen
Zum Hintergrund: Das baden-württembergische Kultusministerium bereitet einen neuen Bildungsplan für die allgemeinbildenden Schulen vor. In einem Arbeitspapier heißt es, dass Kinder in jedem Fach und in jeder Klassenstufe die verschiedenen Formen des Zusammenlebens von und mit LSBTTI-Menschen (lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender und intersexuell) kennenlernen und darüber nachdenken sollen. Dazu erklärten die beiden evangelischen Landeskirchen und die katholische Kirche in Baden-Württemberg in einer gemeinsamen Stellungnahme am 10. Januar, dass jeder Form von Ideologisierung und Indoktrination zu wehren sei. Dies gelte nicht zuletzt im sensiblen Bereich der sexuellen Identität und damit verbundener persönlicher und familiärer Lebensentwürfe, kath.net hat berichtet.
Bildungsdezernent: Sexualität bekommt zu großes Gewicht
Der württembergische Bildungsdezernent, Oberkirchenrat Werner Baur (Stuttgart), bemängelte, dass das Thema Sexualität ein zu großes Gewicht bekomme. Andere Bereiche im Rahmen der Leitprinzipien, etwa Friedens- und Demokratieerziehung, würden nicht genannt. Die Kritik der Kirchen werde auch bei der seit längerem geplanten Begegnung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) mit Kirchenvertretern am 16. Januar eine Rolle spielen, teilte das Staatsministerium auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea mit.
Warnung vor einer ideologischen Umerziehung
Für Änderungen am Entwurf des Bildungsplans setzt sich eine Petition an den baden-württembergischen Landtag ein, die von dem Lehrer Gabriel Stängle (Rohrdorf/Nordschwarzwald) verfasst wurde und inzwischen 144.000 (Stand 16. Januar) Unterstützer hat. Darin heißt es, das Papier schieße über das Ziel hinaus, Diskriminierung zu verhindern. Vielmehr bekämen Lehrkräfte den Auftrag, eine neue Sexualethik zu vermitteln, wonach sämtliche Lebensstile ohne ethische Beurteilung gleich erstrebenswert und der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen seien. Dies bedeute eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung.
Badischer Bildungsreferent kontra Petition
Diese Petition wird von Politikern, Medien und Kirchenvertretern heftig kritisiert, weil sie angeblich schwulenfeindlich, intolerant und rechtspopulistisch ist. Die Unterzeichner werden als christliche Fundamentalisten und Ewig-Gestrige bezeichnet. Der Bildungsreferent der badischen Landeskirche, Oberkirchenrat Christoph Schneider-Harpprecht (Karlsruhe), hält die Petition für einseitig ideologisch. Sie schüre Ängste und verzerre Informationen über Homosexualität. Zwei Petitionen pro Bildungsplan haben inzwischen fast 200.000 Unterschriften.
Bildungsplan-Kritiker Stängle beklagt, dass die grün-rote Landesregierung seine Petition schon im Vorfeld diffamiere: Wir stellen uns die Frage, wieso eine Landesregierung, die eine Politik des Gehörtwerdens anstrebt, den mehr als 140.000 Unterzeichnern indirekt Fundamentalismus unterstellt. Stängle distanziert sich ausdrücklich von jeglichen rechtsradikalen und sonstigen diskriminierenden Kommentaren und Stellungnahmen.
Auch der Evangelische Arbeitskreis der CDU Baden-Württemberg hatte die grüne Landesregierung dazu aufgefordert, die Anliegen der vielen Unterzeichner der Petition ernst zu nehmen und mit den Initiatoren der Petition in Dialog zu treten. Außerdem forderte der EAK: Ein Machtwort innerhalb der Landesregierung zu sprechen, so dass die Verfasser der Petition durch diese nicht weiterhin öffentlich diskreditiert und in eine demokratiefeindliche Ecke gedrängt werden, kath.net hat berichtet.
Ministerpräsident Kretschmann hatte die Petition im Südwestrundfunk als religiös imprägniert bezeichnet und erklärt, man werde sich bei der Fertigstellung des Bildungsplans nicht auf fundamentalistische Grundlagen stützen, kath.net hat berichtet.
Link zur Petition und zur Unterzeichnungsmöglichkeit: Zukunft-Verantwortung-Lernen. Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens.
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