In der Fremde - kirchliche Themen in den Medien

26. Juli 2014 in Deutschland


Vortrag von Peter Winnemöller beim Kongress "Freude am Glauben" im WORTLAUT


Fulda (kath.net)
KATH.NET dokumentiert den Vortrag von Peter Winnemöller beim Kongress "Freude am Glauben" im WORTLAUT:

Meine Damen und Herren, als das Thema so festgelegt wurde, fiel mir sofort der französische Existentialist Albert Camus ein. „Der Fremde“ heißt ein berühmter Roman des Franzosen, der die Absurdität des Seins thematisiert. In der Fremde, in einem absurden Sein kann sich empfinden, wer Berichte und Kommentare zu kirchlichen Themen in den Medien liest.

Dies umso mehr, wenn man sich in seiner Kirche auskennt und wenn man für sich selber ein „sentire cum ecclesia“ reklamieren kann. Wenn Sie an dieser Stelle nun die große Medienschelte erwarten, muss ich Sie enttäuschen. Im Großen und Ganzen macht die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen eine gute Arbeit.

Aber: Im Großen wie im Kleinen ist Fremdheit ein wesentliches Merkmal der Berichterstattung über die Kirche. Im Großen schauen wir auf die Weltkirche. Es ist, was ich mal etwas frech „Occupy the pope“ genannt habe, ein wesentliches Merkmal der Berichterstattung über unseren Papst. Occupy heißt so viel wie besetzen, in Besitz nehmen.

Nach der Wahl von Papst Franziskus gab es genau diese Bestrebung in den Medien. Und sie hält noch an. Da ist einmal das Gegensatzpaar Benedikt / Franziskus, welches so krampfhaft aufgebaut wird. Da ist im Weiteren der Papst der Armen, der Papst der Reform, der Papst der lockeren freien Rede. Daraus baut man sich einen Papst, der alles umschmeißen will. Was vielleicht für die Organisation des Vatikan, die Reform der Kurie, den Leistungsstil und einige andere Dinge zutreffen mag, trifft jedoch nicht für die Lehre zu. In der Doktrin weicht der Papst keinen Millimeter von der Lehrtradition der Kirche ab. Allen medialen Unkenrufen zum Trotz ist der Papst katholisch.

Was bedeutet das für die künftige Berichterstattung?

Lassen Sie mich eine Prognose wagen. Zuerst wird man den Papst gegen die Kurie ausspielen. Der gute Papst wird von der bösen Kurie ausgebremst. Diese These wird sich nicht lange halten lassen, denn irgendwann merkt auch der letzte Trottel, dass man so ein Kaliber wie Papst Franziskus nicht ausbremsen kann. Folglich wird der mediale Jubel über Papst Franziskus irgendwann kippen. Man wird ein Bild von einem erzkonservativen, ja gar reaktionären Papst mit freundlichem Angesicht zeichnen. Darauf können wir warten. In einem Jahr werden die Berichte aus Rom möglicherweise ganz anders aussehen als heute.

Intuitiv macht der Papst alles richtig. Er ist offen, der Welt zugewandt, er redet recht eloquent und frei, scheut sich nicht auch mit den Medien direkt zu sprechen – und wird leider oft genug missverstanden. Was – nebenbei gesagt – zahlreiche Katholiken verstört. Ansonsten stört das niemanden und der Papst lenkt die Aufmerksamkeit auf sich, um sie auf Christus zu lenken. Wer in der Zeitung über den Papst liest, hört vielleicht auch mal den Angelus oder eine seiner Predigten. Da kann man, wird sich der Papst denken, ruhig mal ein blaues Auge riskieren.

Von der ganz großen Weltkirche in die kleine Gemeinde vor Ort. Folgen Sie mir mal in die Provinz. Fronleichnam. Was trägt der Priester durch den Ort? Das Heilige Brot, die goldene Monstranz, das Abendmahl, das Hos-Tier, …

Die meisten von Ihnen werden so etwas oder ähnliches von ihrer Lokalredaktion kennen. Wenn nicht, herzlichen Glückwunsch. Aber darin allein erschöpft es sich nicht. Man liest vom katholischen Abendmahl, von der evangelischen Messe und vielen anderen Schnitzern. Manches eher erheiternd, anderes schon durchaus mal nicht ohne ernste Konsequenzen. Storytelling ist ja auch mein Job als Journalist.

Darum mal eine Story, um es bildlich zu veranschaulichen. Eine Gemeinde bekam vor vielen Jahren eine Gemeindereferentin. Ganz jung, gerade fertig mit der Ausbildung. Diese Gemeinde kannte vorher keine Gemeindereferentinnen und wusste damit nichts anzufangen.

Nach ihrer Beauftragung durch den Bischof zur Assistenzzeit bat sie der Pfarrer, doch am folgenden Sonntag in der Messe einfach der Gemeinde mal zu erklären, was denn eine Gemeindereferentin überhaupt ist. Formal korrekt begann der Pfarrer die Predigt über den Auftrag der Laien in der Kirche. Dann sollte die junge Frau mal erklären, welches Verständnis von ihrem Beruf sie hat und der Pfarrer beendete die Predigt, indem er das Glaubenszeugnis der jungen Frau aufnahm. Also wirklich alles gemäß den Regeln der Kirche.

Was steht am Montag in der Zeitung? Die neue Gemeindereferentin predigte im festlichen Sonntagsgottesdienst anlässlich ihrer pastoralen Beauftragung. Im Erzbistum Paderborn kann das einer Gemeindereferentin den Job kosten. Sie durfte drei Tage nach der pastoralen Beauftragung beim Generalvikar antanzen. Dank der besonnenen Intervention des Pfarrers, der den Sachverhalt klarstellen konnte, ging alles gut aus. So kann es kommen.

Was weiß denn ein Lokaljournalist davon, dass in der katholischen Eucharistiefeier nur der Priester predigen darf. Und wie soll er ein Glaubenszeugnis von einer Predigt unterscheiden können? Was weiß ein Lokaljournalist, der vielleicht gar keiner Kirche angehört, überhaupt von der Kirche?

In der Fremde.

1. Berichterstattung ist geprägt von einer Mischung aus Unkenntnis, Ablehnung und der Überzeugung von der Unbedingtheit einer Reformagenda

Drei Aspekte sind hier zu nennen: Unkenntnis, Ablehnung und eine Reformagenda Die Unkenntnis der Kirche und des Glaubens der Kirche sind zum Teil hausgemacht. Das zu leugnen wäre unredlich. 40 Jahre ausgefallene Katechese in Schule und Gemeinde haben ihre Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Die Ahnungslosigkeit ist zuweilen dramatisch und führt logischerweise zu reichlich Missverständnissen. Das ist schon bei Menschen, die regelmäßig am Leben ihrer Gemeinde teilnehmen, so. Umso dramatischer ist die Unkenntnis bei kirchenfernen Milieus. Da bilden Journalisten nun einmal keine Ausnahme.

Ferner schreiben Journalisten nun einmal vorwiegend für Menschen, die in der gleichen Zeit, in der gleichen Gesellschaft und im gleichen sozialen Milieu leben wie sie selber. Die Ablehnung der Kirche und der Inhalte des Glaubens korreliert mit der Unkenntnis. Das Fremde, das Unbekannte ist auch immer das Unheimliche. Wie sollte man nicht unheimlich finden, wenn eine solche Organisation wie die Kirche so viel Macht und Geld und immer noch gesellschaftlichen Einfluss hat? Wie soll man es nicht unheimlich finden, was die Kirche angeblich oder wirklich so alles lehrt? Man weiß es ja nicht genau, kann das aber als allwissender Pressemann gar nicht zugeben.

Gleichzeitig ist man aber trotzdem von der Notwendigkeit der Kirche in der Gesellschaft überzeugt. Soziale Dienste, Schulen, Krankenhäuser und nicht zuletzt eine Sinnstiftung für das Leben sind die Funktionen, die man der Kirche unbedingt zuschreiben will. Extreme Linke und Kampfatheisten sind davon natürlich ausgenommen.

Man ist sich also im Großen und Ganzen sicher, die Kirche zu brauchen. Damit die Kirche aber wirklich brauchbar ist, muss sie sich und ihre Inhalte der Gesellschaft anpassen. Sie muss doch einfach mal in der Zeit ankommen. Frauen müssen Priester werden, Priester müssen heiraten dürfen und sich scheiden lassen können, die Zweit-, Dritt- und Viertehe muss möglich sein. Abtreibung darf man nicht verurteilen. Die Sexualmoral am besten ganz streichen oder absenken bis sie nicht mehr piesackt.

Merken Sie was? Die EKD lässt grüßen. Da ist das alles verwirklicht. Nur diese elenden Katholiken wollen immer den Spielverderber geben. Ergo: Eine gesellschaftlich nützliche, politisch steuerbare Kirche - auf diese Formel lässt sich die Reformagenda zusammenfassen. Davon sind die Mehrzahl der Medienvertreter unserer Tage, die sich mit kirchlichen Themen beschäftigen, geradezu besessen. Es wäre ein eigenes Thema, den Grund zu untersuchen. Dies ist der Kontext, natürlich nur ganz grob umrissen, in dem sich kirchliche Berichterstattung in den Medien bewegt.

2. Fremdheit der Journalisten ist die Fremdheit der Gesellschaft

Journalisten, auch wenn sie katholisch getauft und gefirmt sind, ja selbst wenn sie kirchlich gebunden sind, bilden unsere Gesellschaft und unsere Kirche ab. Die katholische Kirche in Deutschland, genauer gesagt der VDD, leistet sich eine eigene Journalistenschule: Das ifp in München. Diese Schule gehört zu den wirklich renommierten Journalistenschulen in Deutschland. Die Liste der Absolventen ist klingend.

Selbst der stellvertretende Chefredakteur des Spiegel ist ein ifp-Gewächs. Absolventen der katholischen Journalistenschule finden sich in allen großen deutschen Medienhäusern. Wer sein Volontariat dort gemacht hat, hat seinen Job in den Medien sicher. Das klingt doch gut, oder?

Wer nun allen Ernstes glaubt, die Schüler oder Stipendiaten des ifp seien durchgängig brave, fromme Katholiken, deren vorrangiges Ziel es ist, kirchliche Themen sachgerecht in die Medien zu bringen, liegt arg daneben. Brav darf ein Journalist ohnehin nicht sein. Gegen katholisch und fromm gäbe es hingegen keine Einwände von meiner Seite.

Fakt ist: Das ifp bildet Journalisten aus. Es macht keine Katechese und erst recht keine vertiefte Unterweisung in Glaubensthemen. Die Studenten und Absolventen des ifp bilden vor, während und nach der Ausbildung die real existierende katholische Bevölkerung in Deutschland ab. Katholisch sollten die Volontäre schon sein, kirchliche Bindung wird eigentlich auch vorausgesetzt, der Grad der kirchlichen Bindung ist aber durchaus variabel.

Wenn ein Lehrgang aus sagen wir mal 20 Schülern besteht, dann gehen zwei davon regelmäßig Sonntags in die Kirche. Die anderen nicht oder gelegentlich. Das ist kein Insiderwissen, das ist ein nüchternes Faktum. Denn: Woher sollte eine noch so gute katholische Journalistenschule die glaubens- und kirchentreuen Katholiken nehmen? Die wachsen nicht auf Bäumen. Und ich muss hier mal eine Lanze für diese Schule brechen, man bemüht sich dort wirklich – nach einigen Skandalen, die hier nicht verschwiegen werden sollen und dem folgenden Personalwechsel – mit Erfolg, gute Journalisten auszubilden, sie auch über die Ausbildung hinaus zu vernetzen und für kirchliche Themen zu sensibilisieren. Mehr ist da nicht zu erwarten, so realistisch sollte man sein.

3. Fremdheit der Kirche ist die Fremdheit in der Materie Medien

„Aus Erfahrung schlecht“, so könnte man den Großteil kirchlicher Medienarbeit beschreiben. Auch wenn inzwischen in fast allen diözesanen Pressestellen Profis sitzen, fremdelt die Kirche mit der Presse. Sie fremdelt insgesamt mit der internen und externen Kommunikation.

Und so fragte Martin Lohmann in seinem Vortrag zum Thema Kirche und Medien in Rom am 26. April diesen Jahres: „Klingt es nicht geradezu revolutionär, wenn damals gefordert wurde, Geheimhaltung in der Kirche unbedingt zu begrenzen?“. Dieser Frage kann ich mich nur anschließen, wenn ich lese, was Papst Paul VI. schreibt: „Wenn die Kirche lebendig sein will, muß es zwischen kirchlichen Autoritäten auf jeder Ebene, katholischen Einrichtungen und allen Gläubigen einen ständigen, wechselseitigen und weltweiten Fluß von Informationen und Meinungen geben“ (Communio et Progressio, Nr. 120)

Die Presse kann man nicht steuern. Die Presse ist frei und unabhängig. Die Fremdelei der Presse mit der Kirche findet ihr Spiegelbild in der Fremdelei der Kirche mit der Presse. Unterm Strich eine Fremdelei mit der Transparenz solcher, wie eben schon gesagt. Eine gewisse Neigung zu Geheimniskrämerei und ausgrenzender Kommunikation in der Kirche kann man einfach nicht leugnen. Irgendwie sind einem unterm Strich diese ganzen Journalisten doch unheimlich.

Ein Beispiel: Blogger Relations

In jedem Handbuch zur Unternehmenskommunikation finden Sie heute ein Kapitel über Blogger Relations. Das ist die Kommunikation eines Unternehmens mit „seinen“ Produktbloggern. Die katholische, das bestätigte mir mal eine Fachfrau für Blogger Relations, ist da sehr gut und sehr breit aufgestellt. Das ist eine ideale Ausgangsbasis für die Kommunikation mit der Bloggerszene. Denn es muß ja nicht jeder mit jedem reden. Unternehmen „pflegen“ heutzutage „ihre“ Blogger, indem sie Informationen anbieten, Produkte zum Testen bereit stellen, zu Gesprächen einladen und vieles andere mehr.

Die meisten Pressesprecher der Bistümer in Deutschland sehen die katholischen Blogger als Feinde und behandeln sie auch so. Erst kürzlich fand eine Tagung der Pressesprecher deutscher Diözesen zum Thema „Extremismus“ statt. Man buddelte das unselige kreuz.net wieder aus. Und beweinte in trauter Runde, wie böse die bösen Extremisten im Internet doch sind. Im Internat aktive Katholiken hatte man vorsichtshalber nicht eingeladen. So kommunikativ ist man bei Kirche und Co.

Zurück zur Presse. Die Presse ist die vierte Macht im Staat, auch wenn die Verfassung das nicht so vorsieht. Wir haben erlebt, dass in jüngster Zeit zwei Bischöfe von den Medien abserviert wurden. Das macht es nicht leichter für die Kirche, mit den Medien zu interagieren. Immer wieder bewegt sich die Medienarbeit der Kirche zwischen zwei Polen: Anbiederung und Provokation.

Glorreichstes Beispiel von Anbiederung ist der sogenannte Dialogprozess. Dabei sind jetzt nicht einmal die einzelnen Veranstaltungen gemeint. Sondern das, was damit kommuniziert wird: Seht her, bei uns darf jeder mitreden und mitbestimmen. Dass das Quatsch ist, dürfte inzwischen auch der letzte Trottel kapiert haben. Selten habe ich eine so homogene Veranstaltung erlebt wie den Dialog im vergangenen Jahr in Stuttgart. Nicht genehme soziale, kirchliche Milieus sind bei diesen Veranstaltungen ausgegrenzt, die dürfen einfach nicht mitmachen.

Trotzdem wird bei jeder Pressekonferenz immer wieder vom „Dialog“ gesprochen. Vermeintlich oder wirklich liberale Bischöfe versuchen den Eiertanz zwischen kirchlicher Lehre und deren medialer Vermittelbarkeit, wobei sie dann zumindest verbal vor Abstrichen nicht einmal mehr zurückschrecken. Der Grad der Dialogbereitschaft eines Bischofs bestimmt sein Standing in den Medien.

Der andere Part, die Provokation, nimmt in jüngster Zeit gerade mal wieder ab. Kardinal Meisner war der letzte große Provokateur. Bischof Dyba war geradezu ein Meister darin. Erstaunlicherweise waren beide auch Lieblinge der Presse, weil sie Kante zeigten und sich nicht beugten. Beide waren aber auch von der Presse nicht demontierbar, weil sie trotz aller Widerborstigkeit gegen den Zeitgeist auf Grund ihrer persönlichen Redlichkeit und Ehrlichkeit schlicht unangreifbar waren. Wer künftig diese Rolle im deutschen Episkopat spielen wird, ist noch unklar. Vielleicht wird Bischof Oster aus Passau diese Rolle neu schreiben. Der junge Bischof vertritt mit einem charmanten Lächeln katholische Positionen, ohne den geringsten Abstrich zu machen und vermittelt der Presse, dass es ihm im Grunde egal ist, ob sie ihn mögen oder nicht. Seine Bühnenerfahrung als Clown kommt ihm da wohl zu Gute. Der Clown ist nicht selten der ernsthafteste und intelligenteste unter allen Artisten im Zirkus. Und man lässt ihm am Ende doch so manches durchgehen, auch die Wahrheit.

Zwischenfazit: Die gegenseitige Fremdheit zwischen der Kirche und den Medien bildet die gegenseitige Fremdheit zwischen der Kirche und der Gesellschaft ab. Nichts mehr, aber auch nichts weniger.

Zugleich wohnt jeder Fremdheit eine gewisse Faszination inne, so erklärt sich für mich die häufige Berichterstattung über die Kirche, zuweilen von Kolleginnen oder Kollegen, die von der Kirche so viel Ahnung haben wie ich von Fußball. Das hat eine gewisse pikante Note. Zwar würde ich nie auf die Idee kommen, die Kirche sei so wichtig wie Fußball, doch auch in der Berichterstattung über kirchliche Themen gibt es Abseitsfallen und erst recht böse Fouls. Das wollen eben jene Kolleginnen und Kollegen nicht sehen.

Exkurs – „Der Papst“ seit Johannes Paul II.

Die Berichterstattung über den Papst zeigt modellhaft, wie die Medienlandschaft in Sachen kirchlicher Berichterstattung tickt. Grundsätzlich gilt: Eine Nachricht ist immer das, was anders ist. Also: Ein neuer Papst ist immer eine gute Nachricht. 1978 bis etwa 1981 wurde durchgängig positiv über Papst Johannes Paul II. berichtet: Der junge Papst. Der Reisepapst. Der Sportler. Sie werden sich sicher erinnern. Am Ende war Johannes Paul II. der Papst, der Kondome verbot, der Papst der rigiden Moral, der Papst, der das Konzil zurückdrehen wollte, der Papst, der Frauen nicht zu Priestern zulassen wollte. Alles ganz übel! Der kranke Papst sollte doch endlich zurücktreten.

Dann kam das Jahr 2005: Papst Benedikt XVI. – „Wir sind Papst!“

„Der Mozart der Theologie“, die Presse konnte sich vor positiver Berichterstattung über den einstigen Panzerkardinal, der als Papst weich geworden war, gar nicht lassen. Bis zur Regensburger Rede hielt das so an. Dann kam die Wende. Ein (absichtlich?) missgedeutetes Zitat wurde zum Aufhänger der medialen Aufregung. Offensichtlich hatte sich keiner der Kollegen die Mühe gemacht, wirklich zuzuhören oder die Rede sorgfältig zu lesen. Die angebliche Aufregung in der muslimischen Welt entpuppt sich – abgesehen von ein paar Ausreißern – als Auftakt zu einer Zeit des intensiven Dialogs mit dem Islam. Dort war man intellektuell wohl eher in der Lage das Anliegen des Papstes zu verstehen. Der folgende Besuch des Papstes in der Türkei war international ein Riesenerfolg – nur nicht in deutschen Medien.

Die mediale Hinrichtung des Papstes gipfelte in Folge der Konzerthausrede, wo der Papst eine Entweltlichung der Kirche postulierte. Das gemeinsame Aufheulen der Presse mit den kirchensteuerfinanzierten Kirchenfunktionären ist in lebhafter Erinnerung. Ausgerechnet der Papst, der nun die Entweltlichung zum Programm seines Pontifikats gemacht hat, wird hingegen hochgejubelt, dass einem schwindelig werden kann.

Machen wir uns bitte keine Illusionen, die Berichterstattung über Papst Franziskus wird bereits in wenigen Monaten kippen. Die Berichte über die Besetzung der Bischofsstühle von Passau, Freiburg und Köln lassen diesen Richtungswechsel bereits erkennen.

Exkurs Pressekodex:

Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“ Diese Sätze sprechen eigentlich für sich selber.

Trotzdem lassen Sie mich einen Satz zur Wahrheit sagen. Jedes Kind weiß, dass man nicht lügen darf. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht mehr, sagt der Volksmund. Glauben Sie den Medien noch? Glauben Sie, was in der Zeitung steht oder Nachrichtensprecher verkündet?

Wenn Sie jetzt verneinen, das müsste das ja bedeuten, dass die Presse in hohem Maße gegen ihren eigenen Kodex verstoßen hat. Wo es um kirchliche Berichterstattung geht, kann ich leider nicht umhin, Ihnen genau das bestätigen. Ein dramatisch hohes Maß an Verletzung der Sorgfaltspflicht im Umgang mit der Wahrheit, durch Halbwahrheiten, Auslassung von Teilen der Wahrheit sowie dreisten Lügen und erfundenen Geschichten in Verbindung mit drastisch überzeichneten Sachverhalten prägen vor allem in den großen Medien mit überregionaler Bedeutung die kirchliche Berichterstattung. Nur sehr selten gelingt es, einmal einen Bericht vom Deutschen Presserat rügen zu lassen.

Ein Beispiel: „Der Beschwerdeausschuss 1 des Deutschen Presserats hat am 11. März 2014 in Berlin gegenüber FAZ.NET eine öffentliche Rüge ausgesprochen. […] Der Presserat begründete die Rüge folgendermaßen: „Die Redaktion hatte Gerüchte über eine mögliche psychische Erkrankung des Bischofs von Limburg wiedergegeben. Der Bruder von Tebartz-van Elst, ein Psychiater, habe das angeblich ‚Vertrauten‘ gesagt, berichtete FAZ.NET und nannte auch die konkrete Diagnose. Eine Stellungnahme des Bischofs oder seines Bruders zu den Spekulationen enthielt der Artikel nicht. Damit hat die Redaktion aus Sicht des Ausschusses die Privatsphäre des Bischofs verletzt. [...]“ (veröffentlicht auf kath.net am 12.3.2014)

Hier ist ein besonders krasser Fall gerügt worden. Es ist kein Geheimnis, dass es zahllose Berichte über kirchliche Themen gibt, die nicht weniger einer Rüge würdig wären. Trotzdem kann man bei Verstößen gegen die Wahrheit oder die Menschenwürdig oder bei Verletzung religiöser Gefühle durchaus die Beschwerde an den Deutschen Presserat riskieren.

4. Kirchliche Medien – Bundesweit – Bistumspresse

Über Kirche und Medien zu sprechen, ohne die kircheneigenen Medien zumindest kurz in den Blick zu nehmen, verbietet sich. Hat eigentlich jeder von Ihnen noch die Bistumszeitung abonniert? Nein? Warum nicht? Lassen Sie mich – in Form einer Polemik – die Antwort versuchen: Diese Produkte sind langweilig im Inhalt, nicht ansprechend in der Optik und am Ende noch kirchenkritisch bis kirchenfeindlich in der Ausrichtung. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Ich will ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein paar Ausnahmen nennen: Das Sonntagsblatt (Augsburg) ist nach wie vor recht gut aufgestellt und gut lesbar. Das Katholische Sonntagsblatt in Stuttgart überzeugt mit einer ansprechenden Magazinoptik und ist inhaltlich wirklich lesbar. Auflagensensationen sind beide nicht.

Andere – auch wieder nur beispielhaft – haben sich zu Verbünden zusammengeschlossen. Da ist die Verlagsgruppe Bistumspresse, die die Bistümer Osnabrück, Limburg, Mainz, Fulda, Hamburg, Hildesheim und Aachen versorgt. Zumeist wird der Mantelteil in der Zentralredaktion gemacht, die lokalen Teile kommen von Redaktionen vor Ort.

Es ist, wenn man mal etwas boshaft ist, ein geschmackloser Einheitsbrei, der einem dort serviert wird. Wie sollte es auch anders sein, denn die Maxime der unter Auflagenschwund leidenden Bistumspresse lautet, so flach und so wenig anstößig wie eben möglich. Klare katholische Kante sucht man in diesen Blättern vergeblich.

Aufgehübscht wird das Ganze nicht selten mit esoterisch anmutenden Inhalten, einem recht romantischen Verständnis von Ökumene und zuweilen sogar – das ist zwar nicht die Regel, kommt aber vor – dezidierten Irrlehren.

Ein anderes Beispiel ist „Der Dom“ aus Paderborn. Wirtschaftlicher Niedergang zwang das Bistum Paderborn zu radikalen Schnitten. Der Mantelteil des Dom wird von dreipunktdrei, einer Tochter der KNA geliefert, die auch Christ und Welt mit Inhalten versorgt. Der lokale Teil des Dom wird von freien Mitarbeitern erstellt, die jeweils eine Region versorgen.

dreipunktdrei, ich vermute Sie haben nie davon gehört. Sagt Ihnen mdg etwas? Nein? APG? Auch nicht? Dann wissen Sie sicher auch nicht, dass das Fernsehballet eine Zeit lang der katholischen Kirche gehörte? 2012 wurde es verkauft. Bis dahin waren 9 Bistümer über die Beteiligungsgesellschaft Tellux am Deutschen Fernsehballett beteiligt. Vielleicht sind Sie fernsehaffiner als ich und können mir erklären, worin der Verkündigungsauftrag des Fernsehballetts gelegen haben könnte. Mir erschließt sich das nicht.

Die deutschen Diözesen und der Verband der Diözesen Deutschlands sind – das weiß man nicht erst seit Weltbild – auf dem Mediensektor geradezu hyperaktiv. Eine Unzahl an Beteiligungen an Mediengesellschaften liegt in der Hand der verschiedenen Gliederungen der katholischen Kirche in Deutschland.

Zu Recht darf man sich fragen, warum man davon so wenig weiß. Mit viel größerem Recht sollte man sich fragen, warum das Bild der Kirche in den Medien so ist, wie es ist, wenn die Kirche im Mediensektor so finanzstark aktiv ist.

Gut ausgestattet mit Finanzen ist auch das offizielle Portal der katholischen Kirche in Deutschland, „katholisch.de“. Eine gut und gerne elfköpfige Redaktion versorgt das interessierte Publikum mit Nachrichten aus der katholischen und sonstigen Welt. Der Medienbischof der deutschen Bischofskonferenz rief katholisch.de zum Meinungsführer der katholischen Welt in Deutschland aus. Ich gehe einfach davon aus, dass er die Veröffentlichungen des Portals selber nicht verfolgt. Anders kann ich mir dieses Urteil nicht erklären.

Auch hier gilt gleiches wie für die Bistumspresse. Keine katholische Klarheit, stattdessen ein Anbiedern an die Welt. Eine möglichst flache Berichterstattung, die man unter dem Label „ausgeglichen“ verkauft. Nebenbei bemerkt, die Zugriffszahlen sind nach wie vor eher mäßig. Viel Aufmerksamkeit erregt dieses Portal im Medienkonzert nicht. Es bleibt die Frage, ob das offizielle Portal der katholischen Kirche unter journalistischen Maximen geführt werden muss, oder ob es nicht viel dringender einen Verkündigungsportals bedürfte.

5. Private Medien mit kirchlichem Schwerpunkt

„Das hat nichts mit der katholischen Kirche zu tun!“ Einen solchen Satz hört man zuweilen von Pressesprechern deutscher Bistümer, wenn es aus Linz mal wieder gedonnert hat. Sie wissen alle, wovon ich rede: „kath.net“. kath.net hat Modellcharakter. Mag es im Blick auf kirchliche Medienarbeit vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss sein, so halte ich es doch für möglich, dass eben ein solches Modell Zukunft hat.

Es ist privat von Spenden finanziert (und leidet natürlich unter chronischem Geldmangel), es wird privat und aus Überzeugung betrieben. Nicht Geld, nicht Kirchensteuermittel, nicht ein bürokratisch aus Konsens ausgerichteter Konzeptplan ist die Triebfeder von allen (!) kath.net-Mitarbeitern, sondern es ist der Glaube der Kirche.

Für eine kirchliche Medienarbeit ist das die einzig richtige Triebfeder. Dass man dann trotzdem gute Arbeit machen muss, versteht sich von selbst.

Es gibt weitere Beispiele, die jetzt nicht alle nennen und einzeln untersuchen kann. Wir haben ein „Vatican Magazin“, eine „Tagespost“, ein „Pur Magazin“, viele Schriften von Gemeinschaften und Bewegungen, die mit viel Engagement hergestellt und unter die Leute gebracht werden. Leider vorwiegend unter unsere eigenen Leute.

Sie erinnern sich sicher an das „Credo Magazin“ von Peter Seewald. Plötzlich tauchte es auf. Es lag in der „Welt“, in der „Zeit“, in der „Süddeutschen“, in der „FAZ“. Eine einmalige Auflage von 3 Millionen Exemplaren. Leider nur eine einmalige, denn an eine Verstetigung war nie gedacht. Zeigen, dass es geht, war die Antwort auf die Frage, warum er das gemacht hat.

Leider ist das zu wenig. Ein monatliches Magazin in dieser Art als Beilage in einer oder zwei großen Zeitungen wäre nicht nur ein Riesenerfolg, es würde die gesamte Medienlandschaft verändern, denn es bekämen Monat für Monat Millionen Menschen im Land Berichte mit katholischem Hintergrund. Dass so etwas von Präsenz in den Sozialen Medien (Facebook, Twitter etc.), aber auch mit einer guten Webseite begleitet sein muss, versteht sich von selbst. Wenn mir jemand erklärt, wie ich es finanzieren soll, nachhaltig(!!!), nicht nur einmal als mediale Stinkbombe, dann fange ich morgen an. Versprochen!

6. Schluss – Fazit

Lassen Sie mich zum Schluss zusammenfassen. Die Medien sind nicht böse. Die Medien sind ein Spiegel der Gesellschaft, in der sie erscheinen und für die sie erscheinen. Die Medien werden gemacht von Menschen, die einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen und die überzeugt sind von ihrem Tun. Medien sind nicht statisch, sie sind wandelbar. Wandelbar sind sie in dem Maße, in dem sie Gegenwind bekommen.

Der Gegenwind kann Leser-/ Zuschauerreaktion sein, der Gegenwind kann aus eigenen Medienprodukten kommen. Für die kirchliche Medienwelt zeigt sich, dass kirchensteuerfinanzierte Produkte eher flach ausfallen. Bei 5 Mrd € Kirchensteueraufkommen sind die Macher leider saturiert. Wir bekommen keine profilierten Medienprodukte trotz hohem Kirchensteueraufkommens sondern wegen des hohen Kirchensteueraufkommens auf die Beine gestellt.

Modellcharakter haben privat finanzierte Produkte mit katholischem Hintergrund, weil die Macher nicht saturiert sind. Die haben Hunger, Hunger nach Ausbreitung des Evangeliums. Papst Franziskus fordert uns auf, an die Ränder zu gehen. Im Mediensektor schmoren wir bislang im eigenen Saft. Unsere eigenen Medienprodukte erreichen nur unsere eigenen Leute. Da müssen wir raus, wir müssen Grenzen überschreiten.

In der Fremde. Albert Camus kam zu dem Schluss, dass das einzige philosophische Problem, das der Mensch in seiner absurden Existenz in der Fremde hat, der Selbstmord ist. Es lohnt übrigens auch für Christen zu lesen, was seine Antwort war: Überwindung des Absurden durch die Liebe. Der mediale Selbstmord mit Blick auf die Situation der Kirche in den Medien letztendlich unsere philosophische Frage. Sie harrt einer angemessenen Antwort. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


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