DBK-Flyer 'Geschlechtersensibel' - Gender für Amateure

26. Oktober 2015 in Kommentar


Genderforscherinnen dürften schon auf Seite 2 des DBK-Flyers in Ohnmacht fallen, weil sich der Flyer in bipolarer Heteronormativität ergeht. Ein Unding für eine Theorie, die wenigstens 60 Geschlechter kennt. kath.net-Kommentar von Peter Winnemöller


Bonn (kath.net) Nun hat Gendermainstreaming seinen Weg auch in die katholische Kirche in Deutschland gefunden. Nachdem in Rom eine deutliche Mehrzahl der Synodenväter klar und unmissverständlich dazu geäußert hat, dass Gendermainstreaming mit dem katholischen Glauben unvereinbar ist, gibt es in Deutschland nun einen offiziellen Flyer zu Gendermainstreaming. Der Titel lautet: „Geschlechtersensibel: Gender katholisch gelesen“ Veröffentlicht wurde dieser Flyer anlässlich des Symposions „Geschlechtersensibel: Theologische Perspektiven im pastoralen Handeln“ in Oberzell bei Würzburg, das vor wenigen Tagen stattfand. Der Flyer kann hier aufgerufen werden.

Der Flyer erhebt den Anspruch, die Debatte um Gendermainstreaming zu versachlichen. Ferner sollen die Begriffe Sex und Gender erklärt werden, es soll geklärt werden, worauf es bei Gendermainstreaming ankommt und was das alles mit dem christlichen Menschenbild zu tun hat. Es ist für sich genommen schon ein steiler Anspruch, dies in einem Flyer bewältigen zu wollen. Unmöglich wäre es vermutlich nicht, denn was es zu Gendermainstreaming aus katholischer Sicht zu sagen gibt, könnte man tatsächlich in wenigen Zeilen zusammenfassen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Der Flyer wird seinem Anspruch nicht gerecht. Es findet keine Versachlichung statt. Es wird versucht den Kunstbegriff „Gender“ noch irgendwie zu retten, dabei wird allerdings die Brisanz vollends ausgeklammert, wenn typisches Verhalten oder typische Kleidung von Männern und Frauen abgehoben wird. Genderforscherinnen dürften mehrheitlich schon auf Seite 2 in Ohnmacht gefallen sein, weil sich der Flyer der DBK in bipolarer Heteronormativität ergeht. Ein Unding für eine Theorie, die wenigstens 60 Geschlechter kennt. Was der Flyer allerdings diskret ausblendet.

Auch der Zusammenhang von Sex und Gender und angebliche katholische Deutung werden weder den Thesen von Gendermainstreaming noch einer christlichen Anthropologie gerecht. Mann und Frau sind von Gott nach seinem Ebenbild geschaffen. Für dekonstruktivistische Modelle, die die Schöpfung in beliebiger, frei wählbarer Geschlechterwahl – zur Not auch je nach Tagesform – verändern, ist da kein Platz. Auch diesen Aspekt versucht der Flyer, ohne ihn kritisch zu würdigen, einfach zu umschiffen. Erst auf der vierten Seite wird klar, warum: Gendermainstreaming wird dort als eine „politische Strategie, die zu mehr Chancengerechtigkeit zwischen Frauen und Männern beitragen will“, bezeichnet. Und das ist nun wirklich ein Anfängerfehler!

„Es geht ihr [der Gendertheorie Anm. PW] nicht um Kultivierung, sondern um die Dekonstruktion der Sexualität.“ (Spieker, Manfred. Gendermainstreaming in Deutschland. Konsequenzen für Staat, Gesellschaft und Kirchen. Paderborn 2015) So wird ein Schuh daraus. Der Rest des Flyers ist damit im Grunde hinfällig, da schon bei der Definition grundsätzliche Fehler gemacht werden. Mithin können die Schlussfolgerungen nur falsch sein.

Ein Blick in die Literaturempfehlungen zeigt dann auch, dass weder authentische Stimmen von Genderforscherinnen oder Vordenkerinnen der Genderszene vorkommen, noch etwa Bücher oder Artikel von Kritikern des Gendermainstreamings aufgeführt werden. Dabei gibt es eine ganze Reihe katholischer Autoren, die sich sehr intensiv und durchaus seriös und sachlich mit der Gendertheorie beschäftigt haben.

Der Grundsatzfehler des Genderflyers der DBK ist wohl darin zu suchen, dass versucht werden soll, die Gendertheorie doch noch irgendwie zu taufen. Eine im Grundsatz ehrenwertes Anliegen, das jedoch allein schon wegen der eklatanten Widersprüche zur Schöpfungstheologie und zur christlichen Anthropologie zum Scheitern verurteilt sein muss.

Die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus haben sich sehr klar und eindeutig zu dieser Frage geäußert. Erst kürzlich hatte sich Bischof Algermissen in einer Predigt zu Gendermainstreaming geäußert. Weder von einem der Päpste noch von einem Bischof finden sich Zitate in dem Flyer. Es wundert nicht, denn alle genannten hatten sich komplett ablehnend zur Gendertheorie geäußert. Das passt nicht ins System, also wird es ignoriert. Zur Versachlichung trägt es allerdings eindeutig nicht bei, wenn man unliebsame Positionen ausblendet. Unwissenschaftlich ist es allemal.

Der Flyer an sich ist hier wenig hilfreich, wenn darum geht, Männern und Frauen, insbesondere in ihrer Rolle als Eltern, Hilfen an die Hand zu geben, wie sie denn mit schon jetzt spürbaren Folgen von Gendermainstreaming umgehen sollen. Wo sie Hilfe bekommen, wenn ihre Schul- und Kindergartenkinder mit einer „Sexualpädagogik der Vielfalt“ in Berührung kommen. Auch diese Folge von Gendermainstreaming blendet der Flyer vollends aus. Gleichfalls ignoriert wird die Konsequenz für uns alle, die sich aus LSBTTI- Aktionsplänen der Länder ergeben. Es geht bei Gendermainstreaming um vollständige Dekonstruktion von Geschlecht, Geschlechterrollen und menschlicher Sexualität.

Die Behauptung Gendermainstreaming sei nichts weiter als eine politische Strategie zur Gleichstellung von Mann und Frau ist nicht weniger als eine gefährliche Verharmlosung einer Ideologie, die ohne gesellschaftliche Diskussion und ohne jegliche demokratische Legitimierung ihren Weg in alle gesellschaftlichen Bereiche und politischen Ebenen gefunden hat. Das ist – man kommt nicht umhin es immer wieder zu betonen – ein Ausdruck von totalitärem Herrschaftshandeln, der dem Gendermainstreaming anhaftet. Auch diese Warnung sucht man im Flyer der DBK vergeblich. Der Anspruch der Versachlichung der Debatte wird leider völlig verfehlt und kommt unterm Strich nur als butterweiche Verharmlosung daher.

Am 23.10.2015 unterzog Bischof Voderholzer den DBK-Genderflyer einer Grundsatzkritik.

- Am 24.10.2015 sagte Kardinal Cordes zu kath.net über den DBK-Flyer: 'Mir bleibt es nur zu protestieren!'

- kath.net wird weiter berichten -

Zur Dokumentation: Der Gender-Flyer der Deutschen Bischofskonferenz


Foto Peter Winnemöller (c) kath.net/Michael Hesemann


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