„Bischöfe scheinen wie gelähmt, das Oberhaupt packt nicht wirklich an“

13. November 2018 in Interview


US-Journalistin Maike Hickson: „Der Fall McCarrick zeigt, dass die Bischöfe es nicht ernst meinem damit, Gottes Gesetze – und damit den Schutz der Jugendlichen – über Freundschaften und Allianzen zu stellen.“ kath.net-Interview von Petra Lorleberg


Washington D.C.-Linz (kath.net/pl) „Das Vertrauen der praktizierenden Katholiken in ihre Bischöfe ist zunehmend unterminiert.“ Das stellt die Journalistin Dr. Maike Hikson im kath.net-Interview über den Missbrauchs- und Vertuschungsskandal in der katholischen Kirche in den USA fest. So hätte der Ex-Kardinal Theodore McCarrick „bereits seit langem bestraft werden müssen. Aber dass er immer noch nicht einmal des Priesterstandes enthoben worden ist, verstehen hier viele Katholiken nicht.“ Zu den Aussagen des früheren Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Viganò, sagt sie: „Wir haben genügend Zeugen, die bereits die Hauptaussagen von Erzbischof Viganò bestätigt haben.“

Hickson, die in Hannover (Bistum Hildesheim in Deutschland) geboren und aufgewachsen ist, hat an der Universität Hannover Geschichte und Französische Literatur studiert und in Zürich/Schweiz ihre Doktorarbeit über Schweizer Intellektuelle vor und währen dem Zweiten Weltkrieg geschrieben. Sie ist mit Dr. Robert Hickson verheiratet, das Ehepaar lebt mit den beiden Kindern in Virginia/USA.

kath.net: Frau Dr. Hickson, wie ist die Stimmung der praktizierenden US-Katholiken hinsichtlich der Skandale um sexuellen Missbrauch und seiner Vertuschung durch Kleriker – darunter Kardinäle und Bischöfe? Wie ist es aktuell um das Vertrauensverhältnis der Gläubigen zu ihren Kardinälen, Bischöfen und Priestern bestellt?

Maike Hickson: Das Vertrauen der praktizierenden Katholiken in ihre Bischöfe ist zunehmend unterminiert.

Im Jahre 2002 – als das Augenmerk auf der Rolle der Priester beim Missbrauch lag – haben die Bischöfe ganz klar den Gläubigen versichert, alles unter Kontrolle zu haben. Der damaligen Weihbischof Kevin Farrell (mittlerweile von Papst Franziskus zum Kardinal erkoren) sagte damals zur Missbrauchskrise: „Es ist vorbei.” Im selben Jahr haben die Bischöfe dann ihre Dallas Charter zusammengestellt, die explizit Bischöfe und ihre Verantwortlichkeit ausließ.

Nun, 16 Jahre später, zeigt sich, dass eine echte Verhaltensänderung nicht stattgefunden hat. Wohl haben die Missbrauchsfälle insgesamt abgenommen. Aber nach wie vor kommen viele bisher unbekannte Missbrauchsfälle an das Tageslicht, inzwischen berichten auch Seminaristen über Missbrauch, den sie durch Vorgesetzte erlebt haben. Aber die Bischöfe decken sich gegenseitig, wie man am Fall McCarrick sehen konnte. Daher ruhen nun, im Jahre 2018, die Augen besonders auf den Bischöfen.

Der Fall McCarrick zeigt, dass die Bischöfe es nicht ernst meinem damit, Gottes Gesetze – und damit den Schutz der Kinder und Jugendlichen – über Freundschaften und menschliche Allianzen zu stellen. Die guten Bischöfe, die es ja auch gibt, sprechen nicht deutlich genug. Da wird daher auch nicht sehr viel von der Herbstversammlung der U.S.-Bischöfe in Baltimore erwartet.

kath.net: Haben Sie den Eindruck, dass der Vatikan genug innerkirchliche Disziplinierung gegenüber Erzbischof Theodore McCarrick ausgeübt hat, indem man ihn aus der Öffentlichkeit abzog und ihm den Kardinalstitel aberkannte? Finden Sie es angemessen, dass er sein Priestertum nicht ruhen lassen muss und er möglicherweise sogar still die Hl. Messe zelebrieren darf?

Hickson: In den Augen vieler Katholiken in den USA ist Roms Reaktion auf den McCarrick-Skandal unzulänglich. Viele prominente Katholiken – darunter der Theologe Scott Hahn – denken, McCarrick müsste eigentlich sogar exkommuniziert werden wegen seiner kriminellen Aktivitäten. In der Tat hat McCarrick viele Seminaristen verführt und damit der Sünde zugeführt. Die Langzeitfolgen seines Verhaltens können noch gar nicht abgesehen werden. Z.B. stellt sich die Frage, wie viele dieser ehemaligen Seminaristen sich später selbst an Jugendlichen vergriffen haben, nachdem sie Priester geworden sind.

McCarrick hätte bereits seit langem bestraft werden müssen. Aber dass er immer noch nicht einmal des Priesterstandes enthoben worden ist, verstehen hier viele Katholiken nicht. Das wäre doch ein erstes, klares Zeichen an die katholischen Familien, deren Kinder Missbrauchsopfer sind, dass Rom es mit der Bekämpfung dieser Korruption der Hierarchie ernst meint.

kath.net: Belastet Sie der Gedanke, dass möglicherweise Seminaristen in großem Umfang und gezielt in ihrer Ausbildungszeit durch hohe kirchliche Autoritätsträger sexuell belästigt und verführt wurden? Oder halten Sie diesen Vorwurf für eher unwahrscheinlich?

Hickson: Im Falle von McCarrick ist dies ein Faktum. Wie ich gerade sagte, wir werden wahrscheinlich das Ausmaß der sexuellen Verführung von Seminaristen durch McCarrick nie wirklich erfassen können, für die Seelen der ihm unterstellten Seminaristen, wie auch derjenigen Kinder und Jugendlichen, die diesen späteren Priestern anvertraut wurden. Wie wir von Einzelbeispielen kennen, neigen missbrauchte Menschen dazu, für ihr Leben in ihrem Seelenleben geschädigt zu sein. Das ist das Schlimme am sexuellen Missbrauch: Er wird seine Spuren für das ganze Leben hinterlassen.

Neben dem McCarrick-Fall sind aber auch viele andere Seminare in den USA für diese homosexuelle Subkultur bekannt, so sehr sogar, dass selbst Kardinal Walter Brandmüller kürzlich davon sprach.

Der bekannte Journalist und Buchautor Rod Dreher hat kürzlich darauf hingewiesen, dass eine Eigenart dieser homosexuellen Netzwerke innerhalb der Kirche ist, dass sie eben neue Mitglieder rekrutieren und dann in höhere Positionen befördern. Bereits in den 1980 Jahren hat Pater Enrique Rueda ein ganzes Buch zum homosexuellen Netzwerk in der Kirche geschrieben. Er sagte damals meinem Mann, dass er allerdings das meiste Material direkt nach Rom geschickt hatte, des Schutzes des guten Namens der Kirche willen. Aber heute realisieren wir, dass es eben auch in Rom Stellen gibt, die kein Interesse an diesem Thema haben.

kath.net: Haben Sie die Sorge, dass McCarrick-Protegés in wichtige kirchliche Ämter aufgestiegen sind?

Hickson: Auf jeden Fall. Ich weiß aus bestimmten Quellen, dass bei denjenigen, die von ihm gefördert worden sind – z. B. Kardinal Joseph Tobin (der ja nun auch spätestens seit 2017 von dem Vergleich mit zwei Missbrauchsopfern von McCarrick in der Newark Diözese wusste, aber nichts unternommen hat) – dass hier ein echtes Schuldbewusstsein noch gar nicht da ist.

Wir haben immer noch diese Vertuschungsmentalität, die hofft, dass der Sturm wieder vorübergeht und dann alles wie normal weitergehen kann. Wie der U.S. Journalist Christopher Manion bereits im Juni sagte, eigentlich müssten viele U.S. Bischöfe jetzt zurücktreten, aber sie tun es nicht. Manchmal werden sie jetzt aber auch aus dem Verkehr gezogen, wie der McCarrick-Zögling Bischof Michael Bransfield von West Virginia, dem nun Missbrauch vorgeworfen wird. Er hatte jahrelang unter McCarrick in Washington, D.C. gearbeitet. Kardinal Blase Cupich wird nachgesagt, McCarrick habe seine Erhebung zum Kardinalsstand bewirkt. Cupich ist nach wie vor dabei, die LGBT Agenda zu fördern und damit das Klima in der Kirche, das Homosexuellennetzwerken dient. Er hat erst kürzlich deutlich gemacht, dass Katholiken, die homosexuell aktiv sind (also im Stand der Sünde leben), bei ihm nicht von den Sakramenten ausgeschlossen werden. Er sagte auch, man solle die „LGBT-Katholiken” respektieren, auch in ihrem Wunsch, so genannt zu werden.

kath.net: Der bekannte US-amerikanische Theologe Scott Hahn forderte neulich, klerikale Missbrauchstäter zu exkommunizieren, Sie erwähnten das bereits. Wie stufen Sie dies ein?

Hickson: Es gibt mittlerweile mehrere internationale Stimmen, die die Exkommunikation von Missbrauchstätern fordern, darunter Erzbischof Buti Tlhagale von Johannesburg (Süd Afrika). Da dies zukünftige mögliche Täter von ihren Taten abschrecken könnte und denjenigen, die die Taten bereits begangen haben, einen Weckruf geben könnte, sich zu bekehren, unterstütze ich diesen Vorschlag.

kath.net: Kardinal Daniel DiNardo hat als Vorsitzender der US-amerikanischen Bischofskonferenz den Vatikan Mitte August um eine Apostolische Visitation gebeten. Mit Bezug auf die Enthüllungen in Pennsylvania sagte er: „Das Versagen der bischöflichen Leitung“ sei „eine Wurzelursache“ für sexuellen Missbrauch durch Kleriker, aber „nur der Papst“ verfüge über die Autorität, „Bischöfe zu maßregeln oder [aus dem Amt] zu entfernen“. Seither ist fast ein Vierteljahr vergangen, eine Reaktion aus dem Vatikan wurde nicht öffentlich bekannt. Wie stufen Sie dies ein? Und wie empfinden dies die praktizierenden US-Katholiken?

Hickson: Die Tatsache, dass Papst Franziskus diesen Hilferuf nicht aufgegriffen hat, verärgert viele Katholiken sehr. Durch diese Apostolische Visitation – und z.B. durch die Recherchen in der Nuntiatur in Washington D.C. – könnte man z.B. die Worte von Erzbischof Carlo Maria Viganò mit Hilfe von Dokumenten bestätigen. Daher ist der Verdacht schon da, dass der Papst diese Visitation nicht will – wie er sie ja beispielsweise in Chile hat durchführen lassen – weil sie für ihn unangenehme Wahrheiten ans Tageslicht bringen könnte. Objektiv betrachtet, ist seine Entscheidung, DiNardo's Bitte nicht nachzukommen, nicht zu entschuldigen.

Aus der Sicht vieler U.S. Katholiken war DiNardos Ruf nach einer Intervention Roms ein Hoffnungsschimmer. Dieser wurde dann aber durch das Schweigen des Papstes und seine Untätigkeit wieder ausgelöscht. In der Tat braucht die U.S.-Krise eine klare Hand von oben, um die Dinge zu klären. Die Bischöfe scheinen wie gelähmt. Und das Oberhaupt packt nicht wirklich an. Sein Aufruf zu einer Gebetswoche und eine Einladung zu einer Bischofsversammlung in Rom im Februar erscheinen vielen hier als halbherzige Hilfsangebote.

kath.net: Erwarten Sie konkret Gerichtsverfahren staatlicher US-Behörden gegen katholische Geistliche, auch gegen Kardinäle und Bischöfe? Sind Schuldsprüche und Gefängnisstrafen möglich?

Hickson: Staatliche Strafmaßnahmen sind möglich, da alle Bischöfe und Kardinäle auch Bürger von den USA sind und daher dem U.S.-Strafrecht unterliegen (besonders wird hier an RICO gedacht, ein Gesetz, das kriminellen Vereinigungen über die Grenzen der Bundesstaaten nachgeht. Schließlich wurden ja straffällige Priester in andere Diözesen versetzt und sogar Missbrauchsopfer herumgeschickt.).

In der Vergangenheit hat sich der Staat aus den kirchlichen Missbrauchsfällen herausgehalten, weil es nicht so wirken sollte, als würde der Staat die Religionsfreiheit angreifen oder antikatholisch sein.

Diese Vorsicht ist nun verspielt. Der Staat sieht, dass die katholische Kirche sich nicht selbst reinigen kann, und es muss daher mit staatlichen Bestrafungen gerechnet werden. Viele glaubenstreue Katholiken heißen dies willkommen – auch wenn sie sich der Gefahren bewusst sind – weil sie keinen anderen Ausweg kennen. Wir können uns nicht selbst von einer Kirchenhierarchie befreien, die nicht entsprechend der Gebote Gottes lebt und viele Seelen damit vom Glauben entfernt, entweder durch Korruption oder durch Glaubensabfall.

Ich weiß konkret in einem Fall, dass mehrere U.S.-Bischöfe immer noch nicht bereit sind, die Taten eines Bischofs aufzudecken und lieber das Opfer angreifen. Und die guten Bischöfe schweigen noch zu sehr. Erst kürzlich hat ein ehemaliges Büromitglied der U.S.-Bischofskonferenz gesagt: die Bischöfe haben viel zu viel Angst vor dem Kollektiv, als dass sie die Wahrheit aussprechen würden. Daher bleiben die Netzwerke bestehen, und damit die Gefahr erneuten Missbrauchs.

kath.net: Wie werten Sie die Aussagen des früheren Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Viganò?

Hickson: Wir haben genügend Zeugen, die bereits die Hauptaussagen von Erzbischof Viganò bestätigt haben.

Zunächst war da sein Mitarbeiter von der Nuntiatur in Washington, D.C., Monsignor Jean-François Lantheaume, der kurz nach dem ersten Zeugnis des Erzbischofs schrieb: „Viganò sagt die Wahrheit.”

Dann haben wir aber auch sogar Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt der Bischofkongregation, der in seiner Antwort auf Viganò selbst bestätigt, dass es in der Tat unter Papst Benedikt XVI. bestimmte Auflagen für McCarrick gab. Damit hat er ja einen wesentlichen Teil der Viganò-Schrift bestätigt. Und indirekt hat er damit auch bestätigt, dass Papst Franziskus davon wusste, denn sonst wäre er als Präfekt ja unglaublich unverantwortlich gewesen, hätte er den neuen Papst nicht über die Restriktionen McCarricks informiert.

kath.net: Was ist die Aufgabe katholischer Laien in diesem Skandal? Wieviel Einfluss können Laien in diesen Fragen nehmen? Inwieweit werden die Katholiken weiterhin bereit sein, für die Kirche und die kirchlichen Projekte zu spenden? Wäre es besser, wenn Laien diese Vorwürfe mit Schweigen übergehen?

Hickson: Die Diözesen spüren bereits jetzt, dass der Spendenfluss abnimmt. Die Laien haben gemerkt, dass die gesamte LGBT-Agenda mit dem Missbrauch zusammenhängt und wissen, dass sie ihren Hirten erst wieder vertrauen können, wenn sie sich von homosexuell aktiven Mitbrüdern getrennt haben und diese LGBT-Agenda verwerfen. Aber dafür fehlt der Mut, denn dieser Widerstand würde sicher nicht von Rom gutgeheißen werden, da Papst Franziskus immer noch eng mit dem McCarrick-Clan zusammenarbeitet. So ist Kardinal Cupich immer noch gern in Rom gesehen, und Kardinal Farrell ist sogar der Präfekt des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben.

Hier ist eines wichtig – und hier berufe ich mich auf Kardinal Walter Brandmüller, der kürzlich die Rolle der Laien in der Kirchengeschichte gewürdigt hat: die Laien müssen ihren Druck aufrechterhalten.

Wie vor einiger Zeit John Zmirak, ein konservativer Kommentator, sagte: wenn wir den Geldhahn zudrehen und der Luxus aus der Kirche weicht, dann werden auch die korrupten Eliten gehen, die ja doch auch einen sehr teuren Lebensstil haben (Erst kürzlich wurde z.B. von den luxuriösen Feiern berichtet, die Bischof Bransfield in seinem Bischofssitz organisierte).

Viele Laien wollen lieber eine arme, aber gläubige Hierarchie, als eine Hierarchie, die reich, bürokratisch, aber glaubensleer ist.

kath.net: Haben Sie also den Eindruck, dass bei der Frage der Vertuschung durch kirchliche Amtsträger der gordische Knoten bereits durchschlagen ist?

Hickson: Nein. Ich denke, meine bisherigen Ausführungen haben das deutlich gemacht. Erst wenn diejenigen, die McCarrick gedeckt haben und eng mit ihm verknüpft waren – oder die auch nur zu seinem Missverhalten geschwiegen haben – ehrlich mit ihrer Vergangenheit aufräumen, ihre Fehler eingestehen und dann auch zurücktreten, kann Vertrauen wiederhergestellt werden. Und dies gilt für alle, die im Bereich des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen mitverwickelt sind (aktiv oder durch Schweigen), aber natürlich auch für solche, die ihnen untergebene Seminaristen in diesen Sündenstrudel hineinziehen konnten.

kath.net: Welche künftigen Folgen dieses Skandals für die katholische Kirche in den USA befürchten Sie?

Hickson: Die Gefahr ist natürlich groß, dass viele Katholiken der Kirche den Rücken zuwenden, was die falsche Konsequenz ist.

Es gibt keine andere Kirche. „Herr, wo sollen wir denn hin?” haben bereits die Apostel gesagt. Wir müssen dieses Kreuz mit der Kirche tragen und auch für ihre Reinigung kämpfen. Aber eben mit Treue zu ihr. Auf eine Art ist ja die Kirche nun besetzt von anti-katholischen Kräften, von Menschen, die gar nicht den Glauben leben und auch dessen Lehre gar nicht mittragen. Wenn wir weggehen, überlassen wir den Rest der Kirche diesen Menschen. Wir müssen kämpfen, aus Liebe zu den Seelen, die vielleicht verloren gehen könnten, aber eigentlich auch für die Widersacher, weil sie ja auch ihre Seele verlieren könnten.

Bis jetzt sehe ich eigentlich nicht die Gefahr eines Schismas. Aber man hat schon auch manchmal das Gefühl der Ausweglosigkeit.

Auf praktischer Ebene könnte der Staat sehr wohl die Steuersituation der Kirche ändern und sie in manchen ihrer Freiheiten einschränken. Es gibt schon gutinformierte Katholiken, die da sehr besorgt sind, was die praktischen Konsequenzen für die Kirche sein könnten.

kath.net: Vor wenigen Stunden untersagte der Vatikan der US-Bischofskonferenz den Beschluss von Antimissbrauchsmaßnahmen. Wie stufen Sie das ein?

Hickson: Die U.S.-Bischöfe selbst sind zutiefst schockiert über diese plötzliche und unerwartete Reaktion aus Rom. Sie fühlen düpiert, im progressiven wie im konservativen Lager. Ein Bischof sagte, Rom scheine nicht zu wissen, unter welchem Druck die U.S.-Bischöfe stünden.

Andere Kommentatoren sagen nun, dass man hier die Widersprüchlichkeit des neu gelobten synodalen Prinzips sehen könne: auf der einen Seite sollen die nationalen Bischofskonferenzen mehr Eigenständigkeit erhalten (wie man ja bei der Deutschen Bischofskonferenz bezüglich der Kommunion für protestantische Ehepartner gesehen hat), auf der anderen Seite verbietet man ihnen die Unabhängigkeit dann, wenn sie sich nationale Richtlinien geben wollen bezüglich der Missbrauchsfrage.

Also, dieser Schritt Roms – der ja letztlich vom Papst kommt – hat den Eindruck des Chaos nur noch verstärkt.

Die U.S.-Bischöfe, denen nun seit Monaten Inaktivität vorgeworfen wird, werden nun gezwungen, noch bis Februar zu warten, bis man sich mit dem Papst in Rom trifft, um dann im März vielleicht endlich zu nationalen Richtlinien zu gelangen. Das scheint nun doch ein Schlag ins Gesicht der Missbrauchsopfer zu sein.

kath.net: Wo sehen Sie zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und der katholischen Kirche in den USA Gleichheiten und wo Unterschiede in der Frage des Umgangs mit sexuellem Missbrauch und seiner Vertuschung durch katholische Kleriker?

Hickson: Da ich beide Länder liebe und aufmerksam verfolge, würde ich sagen, dass es sehr viele Parallelen gibt. Die Bischöfe beider Länder wollen keine Konsequenzen für die Verfehlungen der Vergangenheit ziehen, sie wollen sich mitleidig zeigen, aber dann doch nicht ins Detail bezüglicher ihrer eigenen Mitverantwortung gehen. (Es gibt natürlich immer Ausnahmen, aber hier geht es um den generellen Eindruck.)

Aber nur, wenn wir konkret aufzeigen, wer wo wann gefehlt hat, kann man aufräumen. Diese allgemeinen Schuldbekenntnisse helfen da nicht viel, sie erscheinen vielmehr als Beschwichtigungsversuche.

Ich würde allerdings sagen, dass es in den USA vielleicht doch noch ein paar mehr Bischöfe gibt, die ehrlich und mutig der moralischen Korruption Widerstand leisten. Ein Bischof Thomas Paprocki (Springfield, Illinois) kommt einem da in den Sinn, der ganz klar gesagt hat, dass homosexuell aktive Katholiken nicht zu den Sakramenten zugelassen werden dürfen, weil sie im Stand der Sünde leben.

Auch Bischof Charles Morlino (Madison, Wisconsin) hat klar aufgezeigt, dass die Homosexualität die Wurzel der Missbrauchskrise ist. Solche Worte hört man ja nicht aus deutschem Bischofsmund. Da muss man schon über die Grenze in die Schweiz, zum tapferen Weihbischof Marian Eleganti, schauen.

kath.net: Frau Dr. Hickson, Sie sind ja in diesen Fragen gründlich informiert. Gehen diese Skandale eigentlich spurlos an Ihrem persönlichen Glauben vorbei? Was machen diese Skandale mit Ihnen, wenn Sie beispielsweise zur Hl. Messe gehen? Wo finden Sie persönlich geistliche Kraft?

Hickson: Wir haben Unserem Herrn so unendlich viel zu danken, dass es wirklich eine Ehre ist, für Ihn und Seine Lehre und Seine Wahrheit zu kämpfen. Wir wollen doch Sein Instrument sein, Seiner Mutter dabei helfen, ihren Sohn zu verteidigen. Es ist wirklich die Dankbarkeit – besonders spürt man das vielleicht als Konvertitin, aber eigentlich betrifft es uns doch alle – die uns zum Widerstand einladen sollte. Wie können wir je Unserem Herrn danken für das, was er uns gegeben hat, für all das Leid und den Tod und seine Liebe? „Das tat ich für Dich. Was tust Du für mich” – das sind Worte, die mir in mein Herz geschrieben sind und denen ich entsprechen möchte. Und dies trage ich in die Hl. Messe und bitte den Herrn, mir zu zeigen, was ich tun soll. Es ist mir aber auch wirklich um die Menschen gelegen, die außerhalb des Glaubens leben. Als Konvertit weiß man, wie dunkel es in der Sünde ist.

Gleichzeitig sind es Kirchenvertreter wie Bischof Athanasius Schneider (Astana, Kasachstan), und heiligmäßige Priester vor Ort, die das Glaubensleben stärken und die richtigen Maßstäbe für den Einsatz für die Kirche geben.

Aber daneben ist es natürlich die eigene Familie, der Austausch mit meinem Mann, und dann der Austausch mit den Kollegen im katholischen Journalismus. Es ist eine große Freude, mit so vielen glaubenstreuen Kollegen in den USA, in Deutschland, Rom, aber auch international – so z.B. mit kath.net – zusammenzuarbeiten. Dies ist eine der schönen Erfahrungen dieses Kampfes, so viele glaubenstreue Katholiken in der Welt kennenzulernen, überall mit derselben Nächstenliebe, Höflichkeit, Freundlichkeit, und Freude am Glauben. So wie Sie! Ich danke Ihnen für Ihre ausgezeichneten Fragen.

kath.net: Danke, Frau Dr. Hickson! Ja, die Freude an der Zusammenarbeit ist beidseitig und ermutigt umgekehrt auch uns. Danke für Ihre Antworten!

Foto: Journalistin Maike Hickson


Foto Maike Hickson (c) Privat


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