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Zum Mount Everest des Glaubens

10. Dezember 2005 in Spirituelles, keine Lesermeinung
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P. Raniero Cantalamessa hielt die zweite Adventspredigt vor dem Papst und dessen Mitarbeitern in der Römischen Kurie


Rom (www.kath.net / zenit) Wir veröffentlichen die zweite Betrachtung, die P. Raniero Cantalamessa OFMCap, Prediger des päpstlichen Hauses am Freitag in der Kapelle „Redemptoris Mater“ des Apostolischen Palasts vor dem Heiligen Vater und dessen Mitarbeitern der Römischen Kurie vorgetragen hat. „Wer an Christus glauben möchte, muss zu seinem Zeitgenossen werden, indem er sich in ihn versenkt und auf das 'innere Zeugnis' hört, das wir vom Heiligen Geist empfangen“, betont er darin. Auch die gemeinschaftliche Dimension sei für das Glaubensleben von großer Bedeutung, allerdings müsse der eigen Glaube „das Resultat vieler persönlicher Glaubensakte sein“.

1. „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es Bin…“

Eines Tages feierte ich die Messe in einem Kloster mit Klausur. Es war in der Osterzeit. Als Lesung aus dem Evangelium kam die Stelle bei Johannes, in der Jesus immer wieder wiederholt: „Ich bin es.“ Dort heißt es: „Ich habe euch gesagt: Ihr werdet in euren Sünden sterben; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es Bin, werdet ihr in euren Sünden sterben. Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es Bin. Noch ehe Abraham wurde, Bin ich. (Joh 8,24.28a.58b).

Die Worte „Ich Bin“ verstoßen zwar gegen alle grammatikalischen Regeln, weil beide Wörter mit Großbuchstaben beginnen, verbinden sich aber dennoch zu einer geheimnisvollen Tatsache, die einen wahren Funkensprung bewirkt. Dieses Wort wurde mir sozusagen von innen her zum Licht. Nicht nur der Christus vor zweitausend Jahren hat diesen Satz gesprochen, sondern auch der auferstandene und lebendige Christus heute. Gerade in diesem Augenblick verkündete er von neuem, hier vor uns, sein „Ego Eimi“, dieses „Ich Bin“ – ein Wort, das so stark ist wie das Echo des ganzen Universums; nicht nur ein einfaches Glaubensgefühl, sondern etwas, das sich in meinem Herzen als unauslöschliche Erinnerung eingeprägt hat.

Ich habe mit dieser persönlichen Erfahrung angefangen, weil das Thema dieser Meditation „Der Glaube an Christus im Johannesevangelium und das ,Ich Bin’ Christi“ sind, und somit die erhabenste Beschreibung unseres Glaubens umfassen. Die modernen Kommentatoren des vierten Evangeliums sind sich einig darüber, dass man in jenen Worten Jesu einen Hinweis auf seinen göttlichen Namen sehen kann, so wie er sich zum Beispiel in Jesaja 43,10 zeigt: „Damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich es bin.“

Der heilige Augustinus bringt dieses Wort Jesu in Beziehung zur Frage nach dem göttlichen Namen in Exodus 3,14 und folgert: „Es scheint mir, dass unser Herr Jesus Christus Folgendes sagt: 'Wenn sie nicht glauben, dass ich bin.“ Denn hat er nicht mit voller Absicht an anderer Stelle ausdrücklich gesagt: ,Ja, wenn sie nicht glauben, dass ich Gott bin, werden sie durch ihre Sünde sterben’ (Augustinus, In Ioh 38,10 [PL 35, 1680]).“ Es könnte nun eingewendet werden, dass diese Worte von Johannes stammen, dass es sich also um spätere Entwicklungen im Glauben handle und Jesus zunächst einmal nichts damit zu tun habe. Aber genau darum geht es hier: Statt Worte des historischen Jesus sind es Worte des auferstandenen Jesus, der lebt und der jetzt „im Heiligen Geist“ spricht. Sie stammen also immer von diesem Jesus, der mit „Jesus von Nazareth“ identisch ist.

Heute versucht man zwischen „authentischen“ Jesusworten und „nicht authentischen“ Jesusworten im Evangelium zu differenzieren. Dabei handelt es sich um die Worte, die er im Laufe seines Lebens tatsächlich sagte und jene Worte, die ihm von den Aposteln nach seinem Tod zugeschrieben wurden. Aber diese Unterscheidung ist sehr vieldeutig und kann bei Christus nicht in derselben Weise angewendet werden wie das bei einem ganz menschlichen Autor der Fall wäre.

Es geht nicht darum, den menschlichen und historischen Charakter des Neuen Testaments zu bezweifeln oder die Verschiedenartigkeit der literarischen Gattungen und „Formen“ zu übergehen. Noch weniger geht es darum, zur alten Idee der wortwörtlichen, fast mechanischen Inspiration der Heiligen Schrift zurückzukehren. Es geht einzig darum zu klären, ob die biblische Inspiration noch eine richtungweisende Bedeutung für uns Christen hat oder nicht, und ob wir wenigstens das glauben, was wir sagen, wenn wir am Ende einer biblischen Lesung ausrufen: „Wort des lebendigen Gottes!“

2. „Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat“

Christus ist bei Johannes der besondere und ausdrückliche Gegenstand des Glaubens. „Ihm zu glauben“ bedeutet zugleich, an Christus zu glauben. Dieser Satz kann auch noch bedeuten, an Gott zu glauben – insofern es sich um Gott handelt, der den Sohn in die Welt gesandt hat.

Jesus spricht zu Menschen, die bereits an den wahren Gott glauben. Seine ganze Beharrlichkeit konzentriert sich auf diesen neuen Tatbestand, nämlich auf sein Kommen in die Welt, um im Namen Gottes zu sprechen. Mit einem Wort: Er ist der eingeborene Sohn Gottes; derjenige, der „eins ist mit dem Vater“.

Für Johannes stehen die Göttlichkeit Christi und seine göttliche Sohnschaft an erster Stelle in seinem Evangelium. Alles Andere kreist um dieses Thema. So schließt er sein Evangelium: „Diese [Worte] aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,31). Und seinen ersten Brief beendet Johannes fast mit den gleichen Worten: „Dies schreibe ich euch, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt; denn ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (1 Joh 5,13). Ein rascher Blick auf das vierte Evangelium zeigt, dass der Glaube an den göttlichen Ursprung Christi hier zum Ausgangspunkt und Leitgedanken wird. An den zu glauben, den der Vater gesandt hat, wird zum „Werk Gottes“, zu dem, was Gott im Sinn hat (vgl. Joh 6,29).

Nicht zu glauben wird bei ihm infolgedessen als die „Sünde“ schlechthin gesehen: Der „Tröster“ wird, wenn er kommt, „die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist; Sünde: dass sie nicht an mich glauben“ (Joh 16.8-9). Jesus fordert einen ebenso starken Glauben wie Gott im Alten Testament: „Glaubt an Gott und glaubt an mich“ (Joh 14, 1).

Auch nach seinem Tod bleibt der Glaube an Christus das große Unterscheidungsmerkmal: Zum einen gibt es da unter den Menschen diejenigen, die glauben, weil sie ihn selbst gesehen oder auch nicht gesehen haben (vgl. Joh 20,29), und zum anderen ist da die Welt, die diesen Glauben ablehnt. Angesichts dieser Unterscheidung wird alles andere, was zwischen Juden und Heiden an Unterschieden herrschen könnte, zweitrangig.

Es ist erstaunlich, was für ein Werk der Heilige Geist dem Evangelisten Johannes zustande hat bringen lassen: Themen und Symbole, die sehr lebendig und ausdruckstark sind für diese religiöse Ära und in der jüdischen Welt und in der hellenistischen Kultur auf hervorragende Weise nur einer einzigen Idee und einer einzigen Person dienen wollten: Jesus Christus, dem Sohn Gottes, dem Retter der Welt.

Wenn man die Bücher einiger Gelehrter der „Vergleichenden Religionsgeschichte“ liest, merkt man, dass sich darin der Zugang zum christlichen Geheimnis, wie ihn Johannes ermöglicht, nur wenig vom frommen Mythos der Gnosis und des Mandú oder von der hellenistischen und frommen Philosophie unterscheidet. Die Grenzen verschwinden, die vergleichbaren Parallelen sind unendlich. Der christliche Glaube wird zu einer dieser flüchtigen Mythologien, zu einer diffusen Religiosität.

Aber was wird uns damit eigentlich gesagt? Eigentlich nur, dass man hier eine wesentlichen Sache außer Acht gelassen hat: vom Leben und von der historischen Kraft, die hinter allen Systemen und Darstellungen steckt. Lebende Menschen unterscheiden sich voneinander, aber bei allen ist das Skelett irgendwie ähnlich. Wird die christliche Botschaft auf ihr Skelett reduziert und vom Leben, das sie geboren hat, getrennt – also von der Kirche und den Heiligen – läuft die christliche Verkündigung Gefahr, mit anderen religiösen Richtungen verwechselt zu werden, während sie doch eigentlich „unmissverständlich“ ist.

Johannes hat uns keine alten frommen Lehren, sondern ein leistungsfähiges Kerygma übergeben. Er hat die Sprache der Menschen seiner Zeit übernommen, um ihnen mit aller Kraft, die er besaß, die einzige Wahrheit, die rettet, entgegen zu rufen, das erhabenste Wort, das „Wort“.

Ein derartiges Unternehmen sprengt alle Schemata. Die johanneische Synthese des Glaubens an Christus ist wie ein „Feuer“ und steht unter dem Einfluss dieser Salbung dessen, „der heilig ist“, dieser Salbung, über die er selber aus persönlicher Erfahrung – sozusagen aus erster Hand – spricht. „Für euch aber gilt: Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch und ihr braucht euch von niemand belehren zu lassen“(vgl.1 Joh 2, 20.27). Gerade wegen diesem besonderen Ursprung wird das Johannesevangelium auch heute oft nicht verstanden, weil es sich nicht in ein enges Schema pressen lässt, das man mit vier oder fünf geöffneten Wörterbüchern verstehen könnte.

Nur eine offenbarte Wahrheit hat die Autorität und die Kraft Gottes in sich. Man kann bei einem Evangelium von solcher Festigkeit und Kohärenz, auch wenn man es von tausend verschiedenen Punkten betrachten würde, immer nur zum gleichen Ergebnis kommen: Jesus von Nazaret ist der Sohn Gottes und der Retter der Welt.

3. „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt!“

Die Gottheit Christi ist der höchste Gipfel, der Mount Everest des Glaubens. An ihn zu glauben ist viel schwieriger als einfach an Gott zu glauben. Diese Schwierigkeit bedeutet die Möglichkeit und in der Tat die Unausweichlichkeit der „Anstößigkeit“. Deshalb spricht Jesus: „Selig, wer an mir keinen Anstoß nimmt!“ (Mt 11,6). Die Anstößigkeit liegt in der Tatsache, wie „Gott“ hier verkündet wird. Und auch darin, dass es ein Mensch ist, den alle kennen: „Aber von dem hier wissen wir, woher er stammt; wenn jedoch der Messias kommt, weiß niemand, woher er stammt“ (Joh 7,27), sagten die Pharisäer.

Die Möglichkeit, an Jesus Anstoß zu nehmen, musste für einen jungen Hebräer wie den Autor des vierten Evangeliums schon besonders beeindruckend gewesen sein, war er doch daran gewöhnt, Gott als den dreifach Heiligen zu denken, den man als Lebender niemals zu Gesicht bekommen könnte – und wenn doch, dann würde man sterben müssen. Aber der Kontrast zwischen der Universalität des Logos und der Kontingenz des Menschen Jesus von Nazareth wirkt außerordentlich stringent, was letztlich der philosophischen Mentalität dieser Zeit entspricht. „Sohn Gottes“, rief Celsus aus, „ein Mensch, der einige wenige Jahre gelebt hat! Einer von gestern oder von vorgestern“, als Mensch geboren „in einem Dorf Judäas, von einer armen Spinnerin“ (Origines, Contra Celsus, I, 26.28 [SCh 147, 202 ff.]).

Diese Schockreaktion ist der offensichtliche Beweis dafür, dass der Glaube an die Göttlichkeit Christi nicht Frucht der Hellenisierung des Christentums ist, sondern der Christianisierung des Hellenismus. Aus diesem Grunde wollen wir einige Beobachtungen aus der „Einführung ins Christentum“ lesen, die von unserem Papst verfasst worden ist: „Mit dem Hauptstück des Credo geraten wir erst vor den eigentlichen, in den Einleitungsüberlegungen schon kurz bedachten Anstoß des Christlichen: Das Bekenntnis dazu, das der Mensch Jesus, ein Einzelner, der um dass Jahr 30 in Palästina hingerichtet worden ist, der 'Christus' (Gesalbte, Erwählte) Gottes, ja Gottes eigener Sohn, die Mitte und die Entscheidung aller menschlichen Geschichte sei (…).

Dürfen wir uns überhaupt an dem Strohhalm einer einzelnen geschichtlichen Begebenheit klammern? Können wir gar es wagen, auf diesen Strohhalm irgendeines Ereignisses im großen Meer der Geschichte unsere ganze Existenz, ja die ganze Geschichte zu gründen“ (Josef Ratzinger, Einführung ins Christentum, München 2005, 181.182-183).

Wenn diese Vorstellung für sich schon schwierig genug ist, so war sie in der Kultur der Antike unannehmbar und stößt auch heute noch im interreligiösen Dialog auf Widerstand. „Ein einzigartiges Ereignis“, wird da eingewandt, „das in einer begrenzten Zeit und im Raum stattfindet, wie es bei Jesus der Fall ist, kann doch nicht das unendliche Vermögen Gottes und seines 'Wortes' ausschöpfen?“ Deshalb sollten verschiedene Weisen von Erlösung zugelassen werden, sogar unabhängig vom historischen Christus, ja selbst dann, wenn sie nicht das ewige Wort Gottes sind.

Die Vernunft kann hier helfen, eine erste Antwort auf diesen Einwand zu finden. Wenn es tatsächlich zutreffend ist, dass kein bestimmtes Ereignis allein die endlosen Möglichkeiten der Erlösung Gottes und sein ewiges Wort auszuschöpfen vermag, dann ist es ebenso zutreffend, dass es in Gott genügend Vermögen für die Erlösung der Welt gibt, selbst dann, wenn dies durch ein endliches Wesen geschieht!

Beim letzten Gedankengang wird die eigentliche Anstößigkeit, die allein den Glauben betrifft, noch übertroffen: Es ist nicht genug, die historischen Beweise der Göttlichkeit Christi und des Christentums zu widerlegen. „Man kann nicht wahrhaft glauben“, hat Kierkegaard geschrieben, „wenn man nicht Zeitgenosse Christi und der Apostel ist“. Aber was ist mit der Geschichte, mit der Vergangenheit? Hilft sie uns nicht zu glauben? Sind nicht zweitausend Jahre vergangenen, seitdem dieser Christus gelebt hat? Wird nicht sein Name auf der gesamten Welt verkündet und geglaubt? Hat seine Lehre nicht das Gesicht der Welt verändert, und ist sie nicht siegreich in jede Gegend eingedrungen? Hat die Geschichte nicht mehr als ausreichend bewiesen, dass Christus selbst Gott war?

Nein, antworteten die Philosophen, diese Geschichte kann nicht für eine ganze Ewigkeit stehen! Es ist nicht möglich, von einer menschlichen Existenz, wie die von Jesus eine war, letztendlich auszusagen: Ergo ipso, dieser Mann war Gott! Das wäre so als würde man sagen: Es gibt hier einen Weg, und ich könnte daraus folgern, dass es ein Vogel war, der ihn anlegte. Ich könnte mich selbst täuschen und zum Beispiel glauben, dass dies zu den Eigenschaften eines Vogels gehörte. Dann könnte ich aber auch folgern, es wäre doch kein Vogel gewesen, sondern ein ganz anderes Tier. Dennoch kann ich aber nicht, soviel ich es auch versuche, das Ganze besser überprüfen und letztlich beweisen, dass es eben kein anderer Vogel und kein anderes Tier war. Von einem Geist aber könnte ich eine solche Behauptung natürlich aufstellen, eben weil es ein Geist ist, und es in seiner Natur liegt, keine Spuren auf der Straße zu hinterlassen.

Analog können Schlussfolgerungen wie die, dass Christus Gott ist, nicht einfach durch Prüfung all dessen gezogen werden, was wir von ihm und seinem Leben kennen und was durch unmittelbare Beobachtung zu erfahren ist. Wer an Christus glauben möchte, muss zu seinem Zeitgenossen werden, indem er sich in ihn versenkt und auf das „innere Zeugnis“ hört, das wir vom Heiligen Geist empfangen.

Als Katholiken müssen wir uns einige Vorbehalte für jene Weise bewahren, in der wir uns dem Problem der Göttlichkeit Christi stellen wollen. Fehlt es an einem ausdrücklichen Zeugnis der Auferstehung Christi und seiner Himmelfahrt und genügt einem das ausdrückliche Zeugnis der Apostelschar nicht, so gibt es immer noch die Führung durch das „innere Zeugnis“ des Heiligen Geistes. Es gibt in ihr ein wichtiges Wahrheitselement, das wir beachten müssen, damit unser Glaube immer authentischer und persönlicher wird. Der heilige Paulus sagt: „Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen“ (Röm 10,10). Der zweite Moment, das Bekenntnis des Glaubens, ist auch sehr wichtig. Wenn dieser aber nicht vom ersten Moment begleitet wird, der in der Tiefe des Herzens passiert, dann bleibt er nichtig und leer: „Ohne Wurzeln bleibt das Herz ohne Glauben“, ruft der heilige Augustinus aus (In Joh 26,2 [PL 35, 1607]), indem er den paulinischen Satz „corde creditur“ paraphrasiert.

Die soziale und gemeinschaftliche Dimension ist sicherlich ein wesentlicher Bestandteil des christlichen Glaubens, muss aber das Resultat vieler persönlicher Glaubensakte sein, wenn er kein rein herkömmlicher und fiktiver Glaube bleiben möchte.

4. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“

Dieser Glaube „des Herzens“ ist dann Frucht einer besonderen Salbung des Geistes. Wenn man unter dieser Salbung lebt, wird der Glaube eine Form von freundschaftlicher Bekanntschaft, eine innere Schau und Erleuchtung: „Wir haben gewusst und geglaubt“ (Joh 6,69); „Was wir gesehen haben (…) vom Wort des Lebens“(1 Joh 1,1). Jesus erklärt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich“(Joh 14,6). Und in uns können wir mit unserem ganzen Wesen fühlen, was wir hören und sehen.

Ich habe vor kurzem einen eindrucksvollen Fall dieser Form von Erleuchtung im Glauben kennen gelernt – gerade dank diesem Wort Jesu, das uns von Johannes übermittelt wird. Ich kannte in Mailand einen Künstler aus der Schweiz, der freundschaftliche Beziehungen mit vielen Philosophen und Künstlern seiner Zeit gepflegt hat und auf dem Gebiet der Malerei eine berühmte Persönlichkeit war, mit Ausstellungen in der ganzen Welt war (Eines seiner Werke wurde anlässlich des 80. Geburtstages Papst Pauls VI. vom Vatikan erworben).

Seine religiöse Suche hatte ihn zum Buddhismus und zum Hinduismus geführt. Nach langen Aufenthalten in Tibet, Indien und Japan war er ein Meister seiner Disziplin geworden. Nach Mailand kamen deshalb viele Fachleute und Kulturinteressierte – all jene, die ihn zu ihrem geistigen Führer gemacht hatten und mit ihm transzendentale Meditation und Yoga praktizierten. Seine Rückkehr zum Glauben an Christus erschien mir eines Tages plötzlich wie ein außerordentliches, aktuelles Zeugnis, und nach langem Zureden ist es mir schließlich gelungen, dass er seine Geschichte aufschrieb. Gerade in diesen Tagen hat mich sein Manuskript erreicht, aus dem ich einen kleinen Abschnitt vorlesen möchte. Dieser Text hilft, unter anderem zu verstehen, was Saulus auf dem Weg nach Damaskus passiert sein muss, als er dieses Licht sah, das in einem Moment seine ganze innere Welt zerstörte, um sie durch eine andere zu ersetzen:

„Ich befand mich allein in einem tiefen Wald, als diese innere Umkehr geschah, die meine gesamte Denkstruktur veränderte. Ich kannte die Worte Christi: 'Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater außer durch mich.' Aber in der Vergangenheit hatte ich zu ihnen wenig Zugang gehabt. In jener Stunde trafen diese Worte mein Innerstes. Nach 35 Jahren Buddhismus, Hinduismus und Taoismus wurde ich von „diesem Gott“ angezogen. Dennoch herrschte in mir eine tiefe Ablehnung gegen alles Christliche. Ganz langsam spürte ich ein merkwürdiges Gefühl von etwas ganz Neuem, das ich nie zuvor empfunden hatte. Ich wusste nun um diese außerordentliche Gegenwart, von der soviel Kraft ausströmte.

Jene Worte Christi packten mich, setzten sich in mir fest. Ich leistete Widerstand, aber der innere Klang wurde stärker und hallte wie ein Echo in meinem Gewissen wieder. Ich geriet beinahe in Panik und war fast wie von Sinnen – und dies nach dreißig Jahren der tiefen Meditation. Das schien mir völlig unbegreiflich. 'Wenn das wahr ist, dann hast du Recht', rief ich aus. 'Es ist wahr, es ist wahr, es ist genug, ich bitte dich, bitte ich dich.' Ich habe gedacht, ich würde eher sterben als eine derart unmögliche und überwältigende Situation zu erleben. Ich sah keine Bäume und hörte keinen Vogel mehr, nur die innere Stimme jener Worte, die sich in mir brannten.

Ich fiel zu Boden und verlor das Bewusstsein. Aber bevor das geschah, spürte ich mich von einer grenzenlosen Liebe umfangen. Ich merkte, wie sich die tragenden Strukturen meines Denkens auflösten, so als käme es in meinem Bewusstsein zu einer gewaltigen Explosion. Ich starb einer Vergangenheit, die mich ganz tief gefangen hielt; jede Wahrheit wurde aufgelöst. Ich weiß nicht, wie lange ich dort liegen blieb, aber als ich wieder zu Bewusstsein kam, war ich wie neugeboren. Der Himmel meines Verstandes strahlte, und endlose Tränenströme flossen über mein Gesicht und durchnässten meinen Kragen. Ich hielt mich für die undankbarste Existenz auf dieser Erde. Ja, es gibt ein großartiges Leben, und es ist nicht von dieser Welt. Zum ersten Male erkannte ich, was Christen unter 'Gnade' verstehen.“

Seit über 25 Jahren lebt dieser Mann, der als „Master Bee“ bekannt ist und gemeinsam mit seiner Frau – beide waren Künstler – mitten in der Welt ein Leben eines Eremiten führt, wie die Jünger in der Antike. Die beiden sind berühmt dafür, dass sie allen Ratsuchenden das Herzensgebet beibringen und mit ihnen den Rosenkranz beten.

Er hätte nie geglaubt, dass der Abfall von seinen vergangenen religiösen Erfahrungen gerade das Treffen mit Christus vorbereitet hat und ihm jetzt eine völlig neue Einsicht erlaubt. Er zeigt tiefen Respekt für alle Lebensumstände, denn sie können zu einer tieferen Bindung zu Christus hinführen und zugleich für die Werte in den anderen Religionen öffnen.

Die geheime Geschichte in den Seelen der Menschen, die außerhalb des Rampenlichtes der Massenmedien vor sich geht, ist voller solcher Begegnungen mit Christus. Sie verändern das Leben. Und die echte Sünde besteht darin, dass die Debatten unter Theologen überhaupt nicht darauf eingehen. Sie zeigen aber, dass Jesus tatsächlich derselbe gestern, heute und in Ewigkeit ist – fähig, die Herzen der Menschen heute mit ebensolcher Kraft zu packen wie damals, als er Johannes und Paulus „ergriff“.

5. Der Jünger, den Jesus liebte (und der Jesus liebte!)

Kehren wir zurück zum Jünger, den Jesus liebte. Johannes gibt uns einen sehr starken Ansporn, um die Person Jesu neu zu entdecken und unseren Akt des Glaubens an ihn von innen her zu erneuern. Sein Evangelium ist ein außerordentliches Zeugnis für die Ausstrahlung, die Jesus auf das Herz eines Menschen haben kann. Sein Evangelium beweist, dass es möglich ist, Christus zum Mittelpunkt des eigenen Universums zu machen. Durch sein Evangelium kann man „die einzigartige Fülle, das unvorstellbare Wunder der Person Jesu an sich“ wahrnehmen (J. Guillet, Jesus, in: Dictionnaire de spiritualité, 8, col. 1098).

Aber es gibt noch etwas: Johannes weiß, dass die Heiligen nicht in der Lage sind, ihren Glauben in den Himmel mitzunehmen, wo sie ihn ja nicht mehr brauchen. Deshalb sind sie glücklich, wenn sie ihn sozusagen als Erbe für ihre Geschwister auf der Erde zurücklassen können – so wie Elia dem Eliseus seinen Mantel überließ, als er zum Himmel auffuhr.

An uns liegt es nun, diesen Mantel zu übernehmen, diesen Glauben anzunehmen. Wir können den entflammten Glauben eines Johannes betrachten, aber wir können ihn uns auch zu Eigen machen. Das Dogma der „communion sanctorum“ [Gemeinschaft der Heiligen] versichert uns, dass dies möglich ist, und betend können wir selber diese Erfahrung machen.

Jemand hat einmal gesagt, dass die größte Herausforderung der Evangelisierung zu Beginn des dritten Jahrtausends in der Entstehung eines neuen Typus Mensch und einer neuen Form von Kultur liege. Es handelt sich um den kosmopolitischen Menschen, der sich von Hongkong über New York und Rom bis nach Stockholm in einer Art von planetarischem System des Austauschs und der Informationsflut bewegt. Die Distanz schwindet, die traditionellen Unterscheidungen von Kultur und Religion werden nach und nach aufgehoben.

Johannes hat nun aber gerade in einem kulturellen Kontext gelebt, der viel mit dem heutigen gemein hatte. Die Welt erlebte während seiner Zeit die Erfahrung eines gewissen Weltbürgertums. Die Bezeichnung „kosmopolitès“ – „Kosmopolit“, „Weltbürger“ – entstand zu seiner Zeit. In den großen hellenistischen Städten wie Alexandrien in Ägypten wurde die Luft eines frischen „Universalismus“ und der religiösen Toleranz geatmet.

Wie hat sich nun der Autor des vierten Evangeliums in einer solchen Umgebung verhalten? Versuchte er, Jesus diesem Klima anzupassen, in dem alle Religionen und Kulte ihren Platz bekamen, vorausgesetzt, dass sie sich alle als ebenbürtige Teile eines Ganzen und Größeren gaben? Nichts dergleichen! Johannes polemisiert gegenüber niemand. Und wenn überhaupt, dann gegen laue Christen und Häretiker im Inneren der Kirche.

Man begann keine Kontroversen gegen andere Religionen und Kulte der damaligen Zeit (und wenn doch, dann wie in der Apokalypse, gegen einen übermäßigen Kaiserkult). Er verkündete einfach nur Christus als das größte Geschenk des Vaters an die Welt und ließ es dann jedem frei, dieses Geschenk anzunehmen oder nicht. Es gab Polemik, das ist wohl wahr, und zwar gegenüber dem Judentum, aber das war für ihn keine „andere Religion“, sondern seine eigene.

Wie kam Johannes aber zu dieser tiefen Bewunderung, zu dieser umfassenden und absoluten Überzeugung? Wie ist es zu erklären, dass seine Liebe zu Jesus mit zunehmendem Alter nicht schwächer, sondern stärker wurde? Ich glaube, dass hier der Heilige Geist am Werk war, und dass sicher auch die Tatsache entscheidend war, dass Johannes die Mutter Jesu bei sich hatte: Er lebte mit ihr, betete mit ihr und sprach mit ihr über Jesus. Dass das so war, zeigt uns ein Satz wie: „und das Wort ist Fleisch geworden“. Origenes schrieb: „Die Blüte der vier Evangelien ist das Johannesevangelium, dessen tiefe Bedeutung man aber nicht verstehen kann, wenn man nicht selber den Kopf an Jesu Brust gelegt und nicht von ihm Maria als eigene Mutter empfangen hat.“

Jesus wurde „empfangen durch den Heiligen Geist und geboren von der Jungfrau Maria“. Der Heilige Geist und Maria sind, auf ganz verschiedene Weise, die zwei besten Verbündeten bei unserem Bemühen, Jesus näher zu kommen. Am kommenden Weihnachtsfest möge er in unserem Glaubensleben neu geboren werden.

Übersetzung ins Deutsche (c) by Zenit



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