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Hirntod als endgültige Definition des Todes?

3. Oktober 2008 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Eine notwendige Anfrage Armin Schwibach - / Komma – Das Magazin für christliche Kultur


Rom (kath.net/KOMMA)
Ein Aufschrei ging durch den Pressewald, verschiedene Einrichtungen des Vatikans rieben sich erstaunt die Augen. Am 3. September 2008 hatte die Zeitung des Papstes eine bioethische Bombe gezündet – oder vielmehr eine gefährliche bioethische Tretmine gelegt. Der „Osservatore Romano“ erschien mit einem Artikel auf der ersten Seite, in dem anlässlich des 40. Jahrestages der „Harvard-Erklärung“ über den Hirntod als neuem Todeskriterium („A Definition of Irreversible Coma. Report of the Ad Hoc Committee of the Harvard Medical School to Examine Brain Death, in: „Journal of the American Medical Association”, 205, 1968, S. 337-340) erläutert wurde, dass die Feststellung des Hirntodes allein nicht ausreichend ist bzw. sein könnte, um über den Tod eines Menschen zu befinden.

Mit dieser Anfrage brach die Zeitung ein Tabu. Ein bisher nicht zur Debatte stehender Punkt, den die säkulare „reine“ Naturwissenschaft mit der katholischen Kirche gemeinsam hatte, wurde in Zweifel gezogen: nämlich dass ein Mensch dann eine „Leiche“ ist, wenn das Gehirn keinerlei Aktivität mehr vorweist. Wird ein Mensch für hirntod erklärt, so kann eine Explantation von Organen vorgenommen werden. Auch wenn der Körper weiter durch Beatmungsmaschinen in seinen organischen Funktionen aufrechterhalten wird, ist er klinisch eine Leiche. In diesem Zusammenhang ist es wesentlich festzuhalten, dass der irreversible, durch das tote Gehirn bedingte Komazustand, nicht mit einem irreversiblen vegetativen Zustand als definitivem Verlust der kognitiven Fähigkeiten, der Willensäußerungen und der Kommunikation verwechselt werden darf.

Lucetta Scaraffia, Autorin des „Osservatore Romano“, Historikerin und Mitglied des italienischen Bioethikkomitees, wollte darauf hinweisen, dass der Hirntod in den meisten Ländern die gesetzliche Grundlage für die Möglichkeit der Organtransplantation bildet. Der Organtransplantation gegenüber zeigt sich auch die Kirche eben auf dem Boden der wissenschaftlichen Harvard-Definition des Hirntodes offen und positiv eingestellt. Diese Haltung wurde insbesondere durch eine Erklärung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1985 sowie erneut im Jahr 1989 bestätigt. Papst Johannes Paul II. bekräftigte dies in seiner Ansprache vor der Akademie 1989 sowie unter anderem auch in seiner Ansprache vor dem 18. Internationalen Kongress der „Transplantation Society“ (29.8.2000). Und dann – heißt es nicht im „Kompendium“ des Katechismus der Katholischen Kirche: „Die Organverpflanzung ist sittlich annehmbar, wenn der Spender seine Zustimmung gegeben hat und keine übermäßigen Gefahren für ihn bestehen. Für die edle Tat der Organspende nach dem Tod muss der tatsächliche Tod des Spenders sicher feststehen“ (Nr. 476)?


Aber genau hier liegt der Haken: ist es möglich den „tatsächlichen Tod des Spenders“ mit der Abwesenheit von Gehirntätigkeit zu identifizieren? Und vor allem: ist es legitim, dass die katholische Morallehre sowie die katholische Anthropologie eine zu einem bestimmten Zeitpunkt festgesetzte wissenschaftliche Erkenntnis zur Grundlage einer moralischen Aussage macht? Oder kommt dies in der Logik nicht vielmehr einem „Fall Galilei“ gleich, nur mit umgekehrtem Vorzeichen? Galilei beging seinerzeit einen wissenschaftlichen Irrtum, indem er meinte, wissenschaftliche Erkenntnis direkt auf eine theologische Ebene übertragen zu können und zu müssen. Die Kirche irrte in ihrem Urteil über Galilei theologisch, indem sie meinte, theologische Ansichten als Wissenschaft gründende Fakten bestimmen zu müssen. Und heute? Heute hat es den Anschein, dass die Kirche eine relative wissenschaftliche Definition (des Todes) zur Grundlage einer moralischen Lehre über die Erlaubtheit einer bestimmten medizinisch-technologischen Praxis macht. Nur: dies kann im Falle der Organstransplantation auf der Grundlage des Hirntodes des Spenders verheerende Folgen nach sich ziehen.

Derartige Fragen veranlassten die Teilnehmer an einer Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften im Februar 2005 dazu, erneut über die Fragestellung der „Zeichen des Todes“ zu diskutieren. In seiner Botschaft an die Akademie hatte Papst Johannes Paul II. festgehalten, dass es die konstanten Fortschritte hinsichtlich der auf experimentellem Weg gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse erfordern, dass all jene, die Organverpflanzungen vornehmen, die Entwicklung der Forschung im technisch-wissenschaftlichen Bereich ständig weiterverfolgen. Gleichzeitig hatte der Papst einen ständigen Dialog mit Experten des anthropologischen und des ethischen Fachbereichs gefordert, um die Achtung für das Leben und für die menschliche Person zu gewährleisten. Der Papst betonte, dass „der Tod des Menschen, in diesem radikalen Sinn, ein Ereignis ist, das durch keine wissenschaftliche Technik oder empirische Methode direkt identifiziert werden kann“.

Und das Ergebnis der Tagung erschreckte die vatikanischen Instanzen: Neurologen, Philosophen und Juristen kamen zu dem Ergebnis, dass der Hirntod nicht mit dem Tod des menschlichen Individuums identifiziert werden darf und somit das Harvardkriterium aufgegeben werden muss.

Es geht also bei dieser Problematik mitnichten um eine von kirchlichen Organismen vorangetriebene „Rückkehr ins Mittelalter“, in eine vorwissenschaftliche Denkweise, wie dies einige Vertreter aus Kultur und Wissenschaft nun zu behaupten meinten. Es geht auch nicht darum, dass Kardinal Ratzinger, als er ein Mann mittleren Alters war, einen Organspendeausweis hatte. Es geht erstens um eine wissenschaftslogische Frage und erst an zweiter Stelle um eine anthropologisch oder metaphysische Problemstellung.

Der Großteil angeblich moralischer Fragestellungen ist auf eine logische Eben zu reduzieren. Es ist meistens zweck- und sinnlos, mit großartigem metaphysischen Geschütz aufzuwarten (zum Beispiel der Lehre von der Person, der anthropologischen Grundlage der Definition von Leben und Tod usw.), werden vorher nicht wesentliche logische bzw. wissenschaftslogische Kriterien in Betracht gezogen. Dies bedeutet im Rahmen der wissenschaftlichen Definition des Hirntodes und deren Annahme durch eine metaphysische Institution wie die Kirche, dass wir vor einer enormen Schwierigkeit und Fragwürdigkeit stehen, die zurecht bedacht werden muss. Die Kirche beruft sich bei ihrer „Erlaubnis“ von Organtransplantation auf eine naturwissenschaftliche Erkenntnis; jede naturwissenschaftliche Erkenntnis ist jedoch prinzipiell fehlbar. Naturwissenschaft besteht darin, dass sie einer kritischen Prüfung unterzogen werden kann bzw. muss, an deren Ergebnissen sie auch scheitern könnte. So war es schon für den kritischen Rationalisten Karl Popper klar: gerade die Anerkennung der Fehlbarkeit und Widerlegbarkeit unseres Vermutungswissens ist Voraussetzung des Fortschritts einer Hypothese. Der Wissenschaftler lernt aus seinen Fehlern.

Was wäre also, wenn die Definition des Hirntodes als Tod des Menschen in der Tat nur ein Schritt auf dem Weg des Vermutungswissens wäre, wie der Schluss der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften von 2005 suggeriert (der nie zur Veröffentlichung gekommen ist)? Es ist also prinzipiell möglich, ja sogar höchst wahrscheinlich und zu ihrem Wesen gehörend, dass die Wissenschaft hinsichtlich des Hirntodes zu einer anderen Erkenntnis kommen wird. Dies lässt das Bedenken vernünftig erscheinen, dass die heutige Praxis der Organstransplantation einem wissenschaftlichen Kriterium folgend betrieben wird, das für sich einen unrechtfertigbaren und nicht der Wissenschaftslogik entsprechenden Absolutheitsanspruch erhebt.

Akzeptiert die metaphysische Institution Kirche diese bereits wissenschaftslogisch problematische Position, ja behauptet sie sogar eine „Lehre“ zur Organtransplantation, dann fällt diese Lehre ebenso unter dem wissenschaftstheoretischen Fallbeil wie der Absolutheitsanspruch der naturwissenschaftlichen Position selbst. Es sollte klar sein, dass, wenn überhaupt, nur die abwägende Aussage möglich ist, dass eine derartige Praxis kein „malum intrinsecum“ bezeichnet. Man sollte sich davor hüten, diese als „gut“ zu bezeichnen (ein ethischer Argumentationsverzug wäre unvermeidlich) und sich – wenn überhaupt – eher auf den vorläufigen Kompromiss des „weniger schlecht“ zurückziehen. Denn: erst wenn die Logik stimmt, kann dann auch in Auseinandersetzung mit der Wissenschaft vernünftig ein ontologisches Problem angegangen werden, z.B. die Ontologie eines Komapatienten oder die Ontologie des Todes. Alles andere wäre Etikettenschwindel. Es kann somit nur begrüßt werden, dass ein offizielles Organ wie der „Osservatore Romano“ eine Diskussion über eine derartig heikle Problematik in Gang setzt, denn: es wird immer deutlicher, dass ein hirntoter Mensch keine Leiche ist und der Hirntod allein nicht in der Lage ist, den Tod als Ende der physischen, geistigen und biologischen Einheit eines Menschen in seiner Ganzheit zu bestimmen. Was geschähe, hätte Thomas von Aquin recht: „Anima hominis est tota in toto corpore eius, et iterum tota in qualibet parte ipsius” (Summa Theologiae, Ia, q. 93 a. 3)?

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