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| Gregor der Große Papst in schweren Zeiten, ein großer Kirchenlehrer2. September 2011 in Aktuelles, 3 Lesermeinungen Benedikt XVI. und sein großer Vorgänger: die Aufgabe des Bischofs. Gregor der Große und das 'Echo der Lehre der Kirche'. Von Armin Schwibach Rom (kath.net/as) Am 3. September feiert die Kirche den liturgischen Gedenktag des Papstes und Kirchenlehrers Gregors des Großen (540-604), servus servorum Dei, der in der Zeit von 590 bis 604 Bischof von Rom war. Im Mai des Jahres 2008 widmete Papst Benedikt XVI. seinem großen Vorgänger im Rahmen der Generalaudienz zwei Katechesen, in denen er das Leben und Werk Gregors vorstellte. Gregor, der Friedensstifter, lebte in einer Zeit, als das gesellschaftliche, politische und sittliche Gefüge auseinandergebrochen war. In einem gewissen Sinn war der Papst als einzige Autorität in einer untergehenden Welt übriggeblieben, der sich in Rom für seine Kirche und das Wohl der Christenheit einsetzte. Gregor der Große verstand es, zu lehren und zu regieren, in dem Bewusstsein, der Diener der Diener Gottes zu sein. Auf ihn geht die heute bekannte Form des Römischen Ritus in seiner außerordentlichen Form zurück, weshalb die auch als tridentinische bekannte Liturgie auch Gregorianische Liturgie genannt wird und so genannt werden müsste. Benedikt XVI. erklärte bei seiner Einführung in das Werk Gregors, dass das wichtigste und bekannteste Werk zweifellos die Regula pastoralis sei, die Pastoralregel, die der Papst zu Beginn seines Pontifikats mit einer deutlich programmatischen Zielsetzung verfasst habe. Wie Benedikt XVI. erläuterte, handle es sich hierbei um den vielleicht organischsten Text Gregors, in dem der Papst die Gestalt des idealen Bischofs skizziere, der Lehrer und Leiter seiner Herde sei: Zu diesem Zweck erläutert er den Ernst des Hirtenamtes der Kirche und die Pflichten, die es mit sich bringt: Darum sollten diejenigen, die nicht zu einer solchen Aufgabe berufen worden sind, sie nicht mit Oberflächlichkeit suchen; jene hingegen, die sie ohne das gebührende Nachdenken übernommen haben, sollen spüren, dass in ihrer Seele eine gehörige Bangigkeit aufkommt. Indem er ein Lieblingsthema aufgreife, bekräftige er, dass der Bischof vor allem der Prediger schlechthin sei: Als solcher muss er vor allem Vorbild für die anderen sein, so daß sein Verhalten ein Bezugspunkt für alle sein kann. Eine wirksame Pastoraltätigkeit erfordert sodann, dass er jene kennt, an die er sich wendet, und seine Predigten an die Situation eines jeden anpasst: Gregor verweilt dabei, die verschiedenen Kategorien von Gläubigen mit scharfsinnigen und genauen Bemerkungen zu beschreiben, die die Bewertung derjenigen rechtfertigen können, die in diesem Werk auch eine psychologische Abhandlung gesehen haben. Von daher begreift man, dass er seine Herde wirklich kannte und mit den Menschen seiner Zeit und seiner Stadt über alles sprach. Dennoch bestehe der große Papst auf der Pflicht, dass der Hirt jeden Tag die eigene Armseligkeit erkennen müsse, so dass der Stolz das vollbrachte Gute nicht vor den Augen des höchsten Richters wertlos mache: Deshalb ist das Schlusskapitel der Regula der Demut gewidmet: Wenn man damit prahlt, viele Tugenden erlangt zu haben, ist es gut, über die eigenen Unzulänglichkeiten nachzudenken und Demut zu üben: Statt das vollbrachte Gute zu betrachten, muss man das beachten, was zu erfüllen vernachlässigt wurde. Alle diese wertvollen Hinweise zeigten die hohe Meinung, die der hl. Gregor von der Seelsorge hatte, die er als ars artium, die Kunst der Künste, bezeichnet habe. Bezeichnend für das Gesamtwerk Gregors sei, dass er sich nie darum bemüht zeige, seine eigene Lehre, seine eigene Originalität darzulegen: Er beabsichtigt vielmehr, sich zum Echo der traditionellen Lehre der Kirche zu machen; er will einfach der Mund Christi und seiner Kirche auf dem Weg sein, den man beschreiten muss, um zu Gott zu gelangen.
Der hl. Papst Gregor der Große (1) Liebe Brüder und Schwestern! Am vergangenen Mittwoch habe ich von einem im Westen kaum bekannten Kirchenvater, Romanus Melodus, gesprochen; heute möchte ich die Gestalt eines der größten Väter in der Kirchengeschichte, einen der vier Kirchenlehrer des Abendlandes vorstellen, den heiligen Papst Gregor, der zwischen 590 und 604 Bischof von Rom war und von der Tradition mit dem Ehrentitel »Magnus«, der Große, bedacht wurde. Gregor war wirklich ein großer Papst und ein großer Kirchenlehrer! Er wurde um das Jahr 540 in Rom geboren und entstammte einer reichen Patrizierfamilie aus der »gens Anicia«, dem Geschlecht der Anicier, die sich nicht nur durch ihr adeliges Blut, sondern auch durch ihre Treue zum christlichen Glauben und durch die dem Apostolischen Stuhl geleisteten Dienste auszeichneten. Aus dieser Familie waren zwei Päpste hervorgegangen: Felix III. (483492), Gregors Ururgroßvater, und Agapet (535536). Das Haus, in dem Gregor aufwuchs, stand auf dem »Clivus Scauri« und war von prachtvollen Gebäuden umgeben, die von der Größe des antiken Roms und von der geistlichen Kraft des Christentums Zeugnis gaben. Zu erhabenen christlichen Gefühlen inspirierten ihn sodann die Vorbilder seiner Eltern Gordian und Silvia, die beide als Heilige verehrt werden, und jene der beiden Tanten väterlicherseits, Aemiliana und Tarsilla, die in ihrem Haus als geweihte Jungfrauen miteinander einen Weg des Gebets und der Askese lebten. Gregor trat bald die Laufbahn in der öffentlichen Verwaltung an, die auch sein Vater eingeschlagen hatte, und erreichte darin den Höhepunkt, als er 572 Stadtpräfekt wurde. Dieses Amt, das durch die damaligen tristen Verhältnisse erschwert wurde, gestattete ihm, sich in einem weiten Umfeld mit jeder Art von Verwaltungsproblemen zu befassen, woraus er Erhellung für künftige Aufgaben erfuhr. Insbesondere blieb ihm ein tiefer Sinn für Ordnung und Disziplin erhalten: Nachdem er Papst geworden ist, wird er den Bischöfen raten, sich bei der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten die Sorgfalt und die Achtung vor den Gesetzen zum Vorbild zu nehmen, wie sie den zivilen Beamten eigen ist. Dieses Leben sollte ihn jedoch nicht befriedigen, denn wenig später beschloß er, jedes zivile Amt aufzugeben, um sich in sein Haus zurückzuziehen und das Leben eines Mönchs zu beginnen; dazu verwandelte er das Haus der Familie in das Kloster des hl. Andreas auf dem Coelius. Nach dieser Zeit des monastischen Lebens, eines Lebens des ständigen Gesprächs mit dem Herrn im Hören seins Wortes, wird er sich immer zurücksehnen; eine Sehnsucht, die immer wieder und immer stärker in seinen Predigten auftaucht: Inmitten der Widrigkeiten der Hirtensorgen wird er mehrmals in seinen Schriften daran als eine glückliche Zeit der Sammlung in Gott, der Hingabe an das Gebet, des frohen Sich-Vertiefens in das Studium erinnern. So konnte er sich jene tiefe Kenntnis der Heiligen Schrift und der Kirchenväter aneignen, derer er sich später in seinen Werken bediente. Aber Gregors Rückzug in die Klausur war nicht von langer Dauer. Seine wertvolle Erfahrung in der zivilen Verwaltung, die in einer von schwerwiegenden Problemen belasteten Zeit gereift war, die Beziehungen, die er in diesem Amt mit den Byzantinern gepflegt hatte, die allgemeine Hochachtung, die er sich erworben hatte all das bewog Papst Pelagius, ihn zum Diakon zu ernennen und als seinen »Apokrisiar« heute würde man sagen »Apostolischen Nuntius« nach Konstantinopel zu entsenden, um die letzten Auswirkungen des Monophysitenstreites auszuräumen und vor allem die Unterstützung des Kaisers für das Bemühen zu erlangen, den Druck von seiten der Langobarden einzudämmen. Der Aufenthalt in Konstantinopel, wo er zusammen mit einer Gruppe von Mönchen das monastische Leben wieder aufgenommen hatte, war für Gregor äußerst wichtig, da er ihm die Möglichkeit bot, direkte Erfahrung von der byzantinischen Welt zu erwerben und auch dem Langobardenproblem näherzukommen, das dann in den Jahren des Pontifikats seine Geschicklichkeit und seine Kraft auf eine harte Probe stellen sollte. Nach einigen Jahren wurde Gregor vom Papst nach Rom zurückgerufen, der ihn zu seinem Sekretär ernannte. Es waren schwierige Jahre: ständige Regenfälle, über die Ufer getretene Flüsse und Hungersnot suchten viele Gegenden Italiens und Rom selbst heim. Schließlich brach auch noch die Pest aus, die zahlreiche Opfer forderte, unter ihnen auch Papst Pelagius II. Der Klerus, das Volk und der Senat wählten ihn, Gregor, einmütig zu dessen Nachfolger auf dem Stuhl Petri. Er versuchte, sich zu widersetzen und erwog sogar die Flucht, aber es war nichts zu machen: Am Ende mußte er nachgeben. Es war das Jahr 590. Der neue Papst erkannte in dem, was geschehen war, den Willen Gottes und machte sich sogleich voll Eifer an die Arbeit. Von Anfang an bewies er eine außergewöhnlich nüchterne Sicht der Wirklichkeit, mit der er sich messen mußte, eine außerordentliche Arbeitsfähigkeit bei der Ausführung sowohl der kirchlichen wie der zivilen Angelegenheiten, eine stete Ausgewogenheit in den auch mutigen Entscheidungen, die ihm sein Amt auferlegte. Dank der Verzeichnisse (»Registri«) seiner ca. 800 Briefe, in denen sich die tägliche Auseinandersetzung mit den komplexen Fragen widerspiegelt, die auf seinem Tisch zusammenflossen, ist von seiner Regierung eine breite Dokumentation erhalten. Es waren Fragen, die von den Bischöfen, den Äbten, den Klerikern und auch von den zivilen Autoritäten jeder Kategorie und jedes Ranges an ihn herangetragen wurden. Unter den Problemen, die zu jener Zeit Italien und Rom quälten, gab es eines von besonderer Bedeutung sowohl im zivilen als auch im kirchlichen Bereich: das Langobardenproblem. Ihm widmete der Papst jede mögliche Kraft im Hinblick auf eine wahrhaft friedenstiftende Lösung. Im Unterschied zum byzantinischen Kaiser, der von der Voraussetzung ausging, die Langobarden wären lediglich grobe und räuberische Individuen, die besiegt oder vernichtet werden müßten, sah der hl. Gregor diese Menschen mit den Augen des guten Hirten, der sich darum sorgte, ihnen das Wort des Heils zu verkünden, und zu ihnen Beziehungen der Brüderlichkeit herstellte, im Blick auf einen künftigen Frieden, der auf der gegenseitigen Achtung und auf dem ruhigen Zusammenleben zwischen den italischen Völkern, der Bevölkerung des byzantinischen Reiches und den Langobarden gründete. Er sorgte sich um die Bekehrung der jungen Völker und um die neue zivile Ordnung Europas: die Westgoten Spaniens, die Franken, die Sachsen, die Einwanderer Britanniens und die Langobarden waren die bevorzugten Adressaten seiner Evangelisierungsmission. Wir haben gestern den Gedenktag des hl. Augustinus von Canterbury gefeiert, des Führers einer Gruppe von Mönchen, die von Gregor beauftragt worden waren, nach Britannien zu gehen, um England zu evangelisieren. Der Papst er war ein wahrer Friedensstifter setzte sich entschieden dafür ein, zu einem echten Frieden in Rom und in Italien zu gelangen, indem er mit dem Langobardenkönig Agilulf intensive Verhandlungen führte. Diese Unterhandlung brachte eine Zeit der Waffenruhe mit sich, die etwa drei Jahre dauerte (598601); danach war es möglich, im Jahr 603 einen stabileren Waffenstillstand zu vereinbaren. Erreicht wurde dieses positive Ergebnis auch dank der parallelen Kontakte, die der Papst in der Zwischenzeit mit der Königin Theodolinde unterhielt, einer bayerischen Prinzessin, die im Unterschied zu den Häuptern der anderen germanischen Völker katholisch, tief katholisch war. Es ist eine Reihe von Briefen Papst Gregors an diese Königin erhalten, in denen er seine Hochachtung und seine Freundschaft für sie bekundet. Theodolinde gelang es, den König allmählich zum katholischen Glauben hinzuführen und so den Weg zum Frieden vorzubereiten. Der Papst kümmerte sich auch darum, ihr die Reliquien für die Basilika des hl. Johannes des Täufers zu übersenden, die sie in Monza hatte errichten lassen, und er versäumte auch nicht, ihr anläßlich der Geburt und der Taufe ihres Sohnes Adaloaldus seine Glückwünsche und wertvolle Geschenke für die genannte Kathedrale von Monza zukommen zu lassen. Das Geschehen um diese Königin ist ein schönes Zeugnis für die Bedeutung der Frauen in der Kirchengeschichte. Im Grunde waren es drei Ziele, auf die Gregor beharrlich setzte: der Expansion der Langobarden in Italien Einhalt zu gebieten; die Königin Theodolinde dem Einfluß der Schismatiker zu entziehen und ihren katholischen Glauben zu stärken; zwischen den Langobarden und den Byzantinern mit Aussicht auf eine Vereinbarung zu vermitteln, die den Frieden auf der Halbinsel gewährleistete und gleichzeitig gestattete, unter den Langobarden selbst eine Evangelisierungstätigkeit zu entfalten. Seine ständige Ausrichtung in der komplexen Angelegenheit war also eine zweifache: Vereinbarungen auf der diplomatisch-politischen Ebene zu treffen und die Verkündigung des wahren Glaubens unter den Völkern zu fördern. Neben dem rein geistlichen und pastoralen Wirken war Papst Gregor auch aktiver Protagonist einer vielgestaltigen sozialen Tätigkeit. Mit den Erträgen des beachtlichen Vermögens, das der Römische Stuhl in Italien, besonders in Sizilien besaß, kaufte und verteilte er Korn, stand er Bedürftigen bei, half Priestern, Mönchen und Nonnen, die in Not und Elend lebten, zahlte Lösegelder für Bürger, die in Gefangenschaft der Langobarden geraten waren, erkaufte Waffenruhen und Waffenstillstände. Außerdem führte er in Rom wie in anderen Teilen Italiens eine sorgfältige Neuordnung der Verwaltung durch und erließ präzise Anweisungen, damit die Güter der Kirche, die für ihren Unterhalt und für ihr Evangelisierungswerk in der Welt nützlich waren, mit absoluter Redlichkeit und gemäß den Regeln der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit verwaltet werden. Er forderte, daß die Bauern vor den Mißbräuchen der konzessionierten Verwalter des in Kirchenbesitz befindlichen Landes geschützt und im Falle des Betrugs sofort entschädigt würden, damit das Antlitz der Braut Christi nicht durch unehrenhaften Gewinn beschmutzt werde. Diese intensive Aktivität entfaltete Gregor trotz seiner schwachen Gesundheit, die ihn oft zwang, tagelang das Bett zu hüten. Das während der Zeit des monastischen Lebens praktizierte Fasten hatte ihm ernsthafte Störungen des Verdauungsapparats verursacht. Außerdem hatte er eine sehr schwache Stimme, so daß er oft gezwungen war, einem Diakon die Lesung seiner Predigten zu übertragen, damit die in den römischen Basiliken anwesenden Gläubigen ihn hören konnten. Er tat dennoch das Mögliche, um an den Festtagen die »Missa solemnis«, das heißt die feierliche Messe, zu zelebrieren, und dabei begegnete er persönlich dem Volk Gottes, das ihm sehr zugetan war, da es in ihm den maßgeblichen Bezugspunkt sah, aus dem es Sicherheit schöpfen konnte: Es ist kein Zufall, daß ihm sehr bald der Titel »consul Dei«, Konsul Gottes, zuerkannt wurde. Trotz der sehr schwierigen Umstände, unter denen er wirken mußte, gelang es ihm dank der Heiligkeit seines Lebens und seiner reichen Menschlichkeit das Vertrauen der Gläubigen zu gewinnen, während er für seine Zeit und für die Zukunft wirklich großartige Ergebnisse erzielte. Er war ein in Gott versunkener Mensch: Die Sehnsucht nach Gott war im Grunde seiner Seele immer lebendig, und gerade deshalb stand er immer dem Nächsten, den Bedürfnissen der Menschen seiner Zeit sehr nahe. In einer unheilvollen, ja verzweifelten Zeit verstand er es, Frieden zu schaffen und Hoffnung zu geben. Dieser Mann Gottes zeigt uns, wo die wahren Quellen des Friedens sind, woher die wahre Hoffnung kommt, und wird so zu einem Leitbild auch für uns heute ______________________________
Der hl. Papst Gregor der Große (2) Liebe Brüder und Schwestern! Heute will ich bei dieser unserer Mittwochsbegegnung auf die außerordentliche Gestalt von Papst Gregor dem Großen zurückkommen, um aus seiner reichen Lehre weiteres Licht zu erhalten. Trotz der vielfältigen Aufgaben, die mit seinem Amt als Bischof von Rom verbunden waren, hat er uns zahlreiche Werke hinterlassen, aus denen die Kirche in den nachfolgenden Jahrhunderten mit vollen Händen geschöpft hat. Außer der beachtlichen Briefsammlung das Verzeichnis (»Registrum«), das ich in der letzten Katechese erwähnte, enthält über 800 Briefe hat er uns vor allem Schriften exegetischen Charakters hinterlassen, unter denen der »Moralische Kommentar zu Hiob« bekannt unter dem lateinischen Titel »Moralia in Iob« , die »Homilien zu Ezechiel« und die »Homilien zu den Evangelien« hervorzuheben sind. Sodann gibt es ein bedeutendes hagiographisches Werk, die »Dialoge«, das von Gregor zur Erbauung der langobardischen Königin Theodolinde geschrieben wurde. Das wichtigste und bekannteste Werk ist zweifellos die »Regula pastoralis« (»Pastoralregel«), die der Papst zu Beginn seines Pontifikats mit einer deutlich programmatischen Zielsetzung verfaßt hat. Während wir einen kurzen Überblick über diese Werke geben wollen, müssen wir vor allem erwähnen, daß sich Gregor in seinen Schriften nie darum bemüht zeigt, »seine eigene« Lehre, seine eigene Originalität darzulegen. Er beabsichtigt vielmehr, sich zum Echo der traditionellen Lehre der Kirche zu machen; er will einfach der Mund Christi und seiner Kirche auf dem Weg sein, den man beschreiten muß, um zu Gott zu gelangen. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang seine exegetischen Kommentare. Er war ein leidenschaftlicher Leser der Bibel, an die er nicht mit bloß spekulativen Absichten heranging: Seiner Überzeugung nach solle der Christ der Heiligen Schrift nicht so sehr theoretische Kenntnisse entnehmen als vielmehr die tägliche Nahrung für seine Seele, für sein Leben als Mensch in dieser Welt. In den »Homilien zu Ezechiel« zum Beispiel besteht er nachdrücklich auf dieser Funktion des heiligen Textes: Sich der Schrift zu nähern, um nur die eigene Wißbegierde zu befriedigen, bedeutet, der Versuchung des Stolzes nachzugeben und sich so der Gefahr auszusetzen, in die Irrlehre abzugleiten. Die intellektuelle Demut ist die Grundregel für den, der ausgehend vom heiligen Buch die übernatürlichen Wirklichkeiten zu ergründen versucht. Die Demut schließt natürlich das ernsthafte Studium nicht aus; um aber dafür zu sorgen, daß es geistlich nützlich ist und ermöglicht, wirklich in die Tiefe des Textes einzudringen, bleibt die Demut unverzichtbar. Nur mit dieser inneren Haltung hört man wirklich die Stimme Gottes und nimmt sie schließlich wahr. Andererseits ist, wenn es um das Wort Gottes geht, das Verstehen ohne Bedeutung, wenn das Verständnis nicht zur Handlung führt. In diesen Homilien zu Ezechiel findet sich auch jenes schöne Wort, wonach »der Prediger seine Feder in das Blut seines Herzens eintauchen muß; so wird er auch das Ohr des Nächsten erreichen können«. Wenn man diese Homilien liest, sieht man, daß Gregor wirklich mit seinem Herzblut geschrieben hat und deshalb noch heute zu uns spricht. Dieses Argument entfaltet Gregor auch im »Moralischen Kommentar zu Hiob«. Der patristischen Tradition folgend untersucht er den heiligen Text in den drei Dimensionen seines Sinnes: der wörtlichen Dimension, der allegorischen und der moralischen Dimension, die Dimensionen des einen Sinnes der Heiligen Schrift sind. Dennoch schreibt Gregor dem moralischen Sinn einen klaren Vorrang zu. Aus dieser Sicht legt er sein Denken durch einige bedeutsame Wortpaare dar »Wissen - Tun«, »Sprechen - Leben«, »Erkennen - Handeln« , mit denen er die beiden Aspekte des menschlichen Lebens wachruft, die sich ergänzen sollten, doch letztlich oft zu Antithesen werden. Das moralische Ideal, so kommentiert er, besteht immer darin, eine harmonische Integration von Wort und Handlung, Denken und Tun, Gebet und Hingabe an die Pflichten des eigenen Standes zu verwirklichen: Dies ist der Weg, um jene Synthese zu verwirklichen, dank derer das Göttliche auf den Menschen herabkommt und der Mensch sich bis zur Identifikation auf Gott hin erhebt. Der große Papst umreißt so für den wahren Gläubigen einen vollständigen Lebensplan; deshalb wird der »Moralische Kommentar zu Hiob« im Lauf des Mittelalters eine Art »Summa« der christlichen Moral darstellen. Von beachtenswerter Bedeutung und Schönheit sind auch seine »Homilien zu den Evangelien«. Die erste von ihnen wurde in der Petersbasilika während der Adventszeit des Jahres 590 und somit wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst gehalten; die letzte hielt er in der Basilika »San Lorenzo« am zweiten Sonntag nach Pfingsten des Jahres 593. Der Papst predigte zum Volk in den Kirchen, wo die »Stationes« besondere Gebetszeremonien in bedeutungsvollen Zeiten des Kirchenjahres oder die Feste der Märtyrer gefeiert wurden, deren Titel diese Kirchen trugen. Das inspirierende Prinzip, das die verschiedenen Predigten miteinander verbindet, ist in dem Wort »praedicator« zusammengefaßt: Nicht nur der Diener Gottes, sondern auch jeder Christ, hat die Aufgabe, zum »Prediger« dessen zu werden, was er in seinem Inneren erfahren hat, nach dem Vorbild Christi, der Mensch geworden ist, um allen die Ankündigung des Heils zu bringen. Der Horizont dieser Aufgabe ist eschatologisch: Die Erwartung der Erfüllung aller Dinge in Christus ist ein ständiger Gedanke des großen Papstes und wird schließlich zum inspirierenden Motiv seines ganzen Denkens und Handelns. Daraus entspringen seine unablässigen Mahnungen zur Wachsamkeit und zum Eifer in den guten Werken. Der vielleicht organischste Text Gregors des Großen ist die in den ersten Jahren des Pontifikats geschriebene »Regula pastoralis«. Gregor nimmt sich vor, in ihr die Gestalt des idealen Bischofs zu skizzieren, der Lehrer und Leiter seiner Herde ist. Zu diesem Zweck erläutert er den Ernst des Hirtenamtes der Kirche und die Pflichten, die es mit sich bringt: Darum sollten diejenigen, die nicht zu einer solchen Aufgabe berufen worden sind, sie nicht mit Oberflächlichkeit suchen; jene hingegen, die sie ohne das gebührende Nachdenken übernommen haben, sollen spüren, daß in ihrer Seele eine gehörige Bangigkeit aufkommt. Indem er ein Lieblingsthema aufgreift, bekräftigt er, daß der Bischof vor allem der »Prediger« schlechthin ist; als solcher muß er vor allem Vorbild für die anderen sein, so daß sein Verhalten ein Bezugspunkt für alle sein kann. Eine wirksame Pastoraltätigkeit erfordert sodann, daß er jene kennt, an die er sich wendet, und seine Predigten an die Situation eines jeden anpaßt: Gregor verweilt dabei, die verschiedenen Kategorien von Gläubigen mit scharfsinnigen und genauen Bemerkungen zu beschreiben, die die Bewertung derjenigen rechtfertigen können, die in diesem Werk auch eine psychologische Abhandlung gesehen haben. Von daher begreift man, daß er seine Herde wirklich kannte und mit den Menschen seiner Zeit und seiner Stadt über alles sprach. Der große Papst besteht dennoch auf der Pflicht, daß der Hirt jeden Tag die eigene Armseligkeit erkennen müsse, so daß der Stolz das vollbrachte Gute nicht vor den Augen des höchsten Richters wertlos mache. Deshalb ist das Schlußkapitel der »Regula« der Demut gewidmet: »Wenn man damit prahlt, viele Tugenden erlangt zu haben, ist es gut, über die eigenen Unzulänglichkeiten nachzudenken und Demut zu üben: Statt das vollbrachte Gute zu betrachten, muß man das beachten, was zu erfüllen vernachlässigt wurde.« Alle diese wertvollen Hinweise zeigen die hohe Meinung, die der hl. Gregor von der Seelsorge hatte, die er als »ars artium«, die Kunst der Künste, bezeichnete. Die »Regula« hatte so großen Erfolg, daß sie, was eher selten ist, sehr bald ins Griechische und Angelsächsische übersetzt wurde. Von Bedeutung ist auch das andere Werk, die »Dialoge«, in denen Gregor dem Freund und Diakon Petrus, der überzeugt ist, daß die Sitten bereits derart verdorben sind, daß sie das Entstehen von Heiligen wie in vergangenen Zeiten nicht mehr gestatteten, das Gegenteil beweist: Heiligkeit ist immer möglich, auch in schwierigen Zeiten. Er beweist es, indem er das Leben von Zeitgenossen oder vor kurzem verstorbenen Menschen erzählt, die sehr wohl als Heilige bezeichnet werden konnten, auch wenn sie nicht heiliggesprochen worden waren. Die Erzählung wird von theologischen und mystischen Betrachtungen begleitet, die aus dem Buch einen einzigartigen hagiographischen Text machen, der ganze Generationen von Lesern zu faszinieren vermag. Die Materie ist den lebendigen Traditionen des Volkes entnommen und hat den Zweck, zu erbauen und zu bilden, indem die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine Reihe von Fragen gelenkt wird, wie den Sinn des Wunders, die Auslegung der Heiligen Schrift, die Unsterblichkeit der Seele, die Existenz der Hölle, die Vorstellung vom Jenseits, alles Themen, die angemessener Erklärungen bedurften. Das zweite Buch ist zur Gänze der Gestalt Benedikts von Nursia gewidmet und ist das einzige antike Zeugnis über das Leben des heiligen Mönchs, dessen geistliche Schönheit in dem Text in ihrer ganzen Anschaulichkeit zutage tritt. In dem theologischen Plan, den Gregor durch seine Werke entwickelt, werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft relativiert. Was für ihn mehr als alles zählt, ist der gesamte Bogen der Heilsgeschichte, der sich im finsteren Labyrinth der Zeit weiterspannt. Aus dieser Perspektive ist es bedeutsam, daß er die Ankündigung der Bekehrung der Angeln an zentraler Stelle in den »Moralischen Kommentar zu Hiob« einfügt: In seinen Augen stellte das Ereignis ein Vordringen des Reiches Gottes dar, von dem die Schrift spricht; es konnte also im Kommentar zu einem heiligen Buch mit gutem Recht erwähnt werden. Seiner Meinung nach müssen sich die Leiter der christlichen Gemeinden darum bemühen, die Ereignisse im Lichte des Wortes Gottes zu lesen: In diesem Sinn spürt der große Papst die Pflicht, Hirten und Gläubigen auf dem geistlichen Weg einer »lectio divina« Orientierung zu geben, die erleuchtet und konkret ist und sich in den Kontext des eigenen Lebens einfügt. Bevor ich schließe, ist es gebührend, ein Wort über die Beziehungen zu sagen, die Papst Gregor mit den Patriarchen von Antiochien, Alexandrien und Konstantinopel pflegte. Er sorgte sich stets darum, ihre Rechte anzuerkennen und zu respektieren, wobei er sich vor jeder Einmischung hütete, die deren rechtmäßige Autonomie eingeschränkt hätte. Wenn sich der hl. Gregor im Kontext seiner historischen Situation dennoch dem Titel »ökumenisch« für den Patriarchen von Konstantinopel widersetzte, tat er das nicht, um diese rechtmäßige Autorität einzuschränken oder zu leugnen, sondern weil er sich um die brüderliche Einheit der universalen Kirche sorgte. Er tat es vor allem aufgrund seiner tiefen Überzeugung, daß die Demut die grundlegende Tugend jedes Bischofs sein müßte, und noch mehr die eines Patriarchen. Gregor war in seinem Herzen ein einfacher Mönch geblieben und war deshalb entschieden gegen die großen Titel. Er wollte und das ist ein Ausdruck von ihm »servus servorum Dei«, Diener der Diener Gottes, sein. Dieses von ihm geprägte Wort war in seinem Mund keine fromme Formel, sondern die wahre Offenbarung seiner Art zu leben und zu handeln. Er war innerlich tief betroffen von der Demut Gottes, der in Christus zu unserem Diener geworden ist, der uns die schmutzigen Füße gewaschen hat und wäscht. Darum war er überzeugt, daß vor allem ein Bischof diese Demut Gottes nachahmen und so Christus folgen sollte. Sein Wunsch war es wirklich, als Mönch in ständigem Dialog mit dem Wort Gottes zu leben, aber aus Liebe zu Gott verstand er es, in einer Zeit voller Sorgen und Leiden zum Diener aller zu werden; er verstand es, »Diener der Diener« zu sein. Gerade weil er dies war, ist er groß und zeigt auch uns das Maß der wahren Größe.
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