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Papst Franziskus und der 'Kapitalismus'

13. Dezember 2013 in Kommentar, 11 Lesermeinungen
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Will man die Aussagen des Papstes in „Evangelii Gaudium“ zum „Kapitalismus“ richtig verstehen, dann ist dies nur im Kontext der gesamten Sozialverkündigung der Kirche möglich. Ein Gastbeitrag von Professor Lothar Roos


Vatikan-Freiburg (kath.net) In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“, das zum Abschluss des Jahres des Glaubens am 24. November 2013 in Rom veröffentlicht wurde, äußerte sich Papst Franziskus eingehend zu Problemen der heutigen Wirtschaftsgesellschaft und kritisiert dabei scharf „den Kapitalismus“. Dies hat zu einer lebhaften öffentlichen Diskussion darüber geführt, wie die Kirche grundsätzlich über die „Ordnung der Wirtschaft“ denkt. Damit befasst sich die Soziallehre der Kirche seit der ersten Sozialenzyklika, die Papst Leo XIII. 1891 mit dem Titel „Rerum Novarum“ veröffentlichte bis zur vorläufig letzten Sozialenzyklika „Caritas in Veritate“ (2009) Benedikt XVI. Besonders hat sich der selige Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika „Centesimus Annus“ (1991) mit dieser Frage beschäftigt: Kann man nach dem Scheitern des Kommunismus den Ländern Osteuropas und der Dritten Welt als „Modell“ etwa den „Kapitalismus“ anbieten? Seine Antwort lautet: Das kommt ganz darauf an, was man unter „Kapitalismus“ versteht.

„Wird mit ‚Kapitalismus‘ ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das die grundlegende und positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktionsmittel sowie die freie Kreativität des Menschen im Bereich der Wirtschaft anerkennt, ist die Antwort sicher positiv“. Sie ist jedoch negativ, wenn unter „Kapitalismus“ ein „System“ verstanden wird, „in dem die wirtschaftliche Freiheit nicht in eine feste Rechtsordnung eingebunden ist, die sich in den Dienst der vollen menschlichen Freiheit stellt“. Nach wie vor bestünden „Formen der Ausgrenzung und Ausbeutung, insbesondere in der Dritten Welt, sowie Erscheinungen menschlicher Entfremdung, besonders in den Industrieländern, gegen die die Kirche mit Nachdruck ihre Stimme erhebt. Massen von Menschen leben noch immer in Situationen großen materiellen und moralischen Elends.“ Die Antwort darauf könne keine „radikale kapitalistische Ideologie“ sein, welche die „Lösung in einem blinden Glauben der freien Entfaltung der Marktkräfte überlässt“ (Centesimus Annus 42).


Will man die Aussagen, die Papst Franziskus in seinem Schreiben zu den Problemen der Wirtschaft macht, richtig verstehen, dann lässt sich eindeutig feststellen, dass sie sich gegen jene Form des „Kapitalismus“ richten, die auch Johannes Paul II. als „entschieden negativ“ bewertet hatte. Wie aus dem gesamten Kontext des zweiten Kapitels von „Evangelii gaudium“ (50 – 75) hervorgeht, hat Papst Franziskus dabei wohl vor allem jene wirtschaftliche Situation vor Augen, die er selber in Argentinien in der schwierigsten Zeit der Diktatur erlebte. Dass er damit in keiner Weise die prinzipiellen Aussagen der kirchlichen Sozialverkündigung seiner Vorgänger zur Ordnung der Wirtschaft in Frage stellt, ergibt sich aus seiner Feststellung: „Ich setze die verschiedenen Analysen voraus, welche die anderen Dokumente des universalen Lehramts dargeboten haben“ (51).

Die Soziallehre der Kirche redet nicht heute so und morgen anders. Im Blick auf ihre Kohärenz und Kontinuität stellt Benedikt XVI. in seiner Sozialenzyklika Caritas in veritate fest: „Es gibt nicht zwei Typologien von Soziallehre, eine vorkonziliare und eine nachkonziliare, die sich voneinander unterscheiden, sondern nur eine einzige kohärente und zugleich stets neue Lehre“. Es sei zwar „richtig, die Besonderheiten der einen oder anderen Enzyklika, der Lehre des einen oder des anderen Papstes hervorzuheben, man darf dabei aber niemals die Kohärenz des gesamten Corpus der Lehre aus dem Auge verlieren“ (CiV 12).

Will man die Aussagen von Papst Franziskus zum „Kapitalismus“ richtig verstehen, dann ist dies nur im Kontext der gesamten Sozialverkündigung der Kirche möglich. Welche Aussagen dabei im Einzelnen zu berücksichtigen sind, habe ich in dem Beitrag „Katholische Soziallehre und Wirtschaftsordnung. Markt und Moral in den Sozialenzykliken“ in der soeben erschienenen Internet-Ausgabe des „Lexikon Soziale Marktwirtschaft“ dargelegt, der hier abzurufen ist: Link zum Artikel.

Der Verfasser, Prälat Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Roos (Foto), ist Vorsitzender der Joseph-Höffner-Gesellschaft.
Eintrag auf kathpedia: Lothar Roos

Foto Professor Roos (c) kathpedia


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Lesermeinungen

 PBaldauf 28. Dezember 2013 
 

Schon klasse

Der Professor hat was los!
Ein Spitzen-Beitrag, Marke Roos
An ‘Doktor‘ führt er noch zwei Titeln
Dies nennt man geistig: Reich an Mitteln

Wie ich – mit Brille – jetzt noch seh:
Nach Dr. Dr. steht: h c
‘Prälat‘: Den Titeln ging voran
So schnell benennt man nicht den Mann
Zumal der Vorsitz ihm gebührt
der Gesellschaft, die ‘Höffner‘ im Namen führt

Ich wollte nur ganz kurz verweilen
Doch wurden es zwei Dutzend Zeilen
Beim nächsten Mal schreib ich wohl bloß:
Schon Klasse, dieser Lothar Roos!

www.kathshop.at/suche.php?sb=9783903028371


1
 
 M.Schn-Fl 14. Dezember 2013 
 

Bemerkenswerter Artikel

Siehe hierzu auch einen bemerkenswerten Artikel von Max A. Höfer im Cicero vom 12.12.13, der sich wohltuend von Deckers und Konsorten in ganzen Journalismus unterscheidet.
http://www.cicero.de/salon/papst-franziskus-die-gegenreligion/56614


0
 
 friederschaefer 14. Dezember 2013 
 

4. zu Hr. Herbert Klupp

Nun zu Ihrem Zitat: "Dabei ist es nicht ein System das tötet, sondern einzelne extrem gierige und herzlose Menschen (Machtmenschen, Manager, Besitzer,...) laden da konkret Schuld auf sich."
Wie die Deutsche Bank: Alle Vergehen in unserer Bank sind auf einzelne Missetäter zurückzuführen. Lesen Sie mal in "Evangelii gaudium" den Abschnitt 59. Ich zitiere: "Das geschieht nicht nur, weil die soziale Ungleichheit gewaltsame Reaktionen derer provoziert, die vom System ausgeschlossen sind, sondern WEIL DAS GESELLSCHAFTLICHE UND WIRTSCHAFTLICHE SYSTEM AN DER WURZEL UNGERECHT IST".http://www.vatican.va/holy_father/francesco/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium_ge.html
Damit ist zumindest belegt, dass der Papst ganz anderer Meinung ist als Sie. Papst Franziskus so falsch zu interpretieren wie Sie zeugt von Unkenntnis oder bewusster Falschpropaganda. Sollte das Letztere der Fall sein, frage ich mich: Welcher Wirtschafts-KLUPP bezahlt sie denn?


1
 
 friederschaefer 14. Dezember 2013 
 

3. zu Hr. Herbert Klupp

WIR SIND NICHT SCHULD. Schön wär ´s ja. Wär auch schön, wenn es die Erbsünde nicht gäbe. Das ist eh nur Einbildung - oder nur kirchliche Propaganda? Meine Sicht der Dinge, die m. E. nichts mit GUTMENSCHENTUM zu tun hat: Wir sind eingebunden in ein strukturell ungerechtes System namens "Kapitalismus" (s.o.), durchaus vergleichbar mit dem Nationalsozialismus unserer unmittelbaren Vorfahren.( Danach gab ´s auch so viele Unschuldige.) Haben Sie sich mal überlegt, ob wir uns nicht wieder in einem "Kulturkampf" befinden? Oder sind die Mahnungen der Päpste in Wirklichkeit ja doch nicht so gemeint? Alles nicht so schlimm die paar Abtreibungen in unserem Land und anderswo, Menschenhandel, Missbrauch, Kinderarbeit ... - uns geht ´s doch gut. Was soll ´s?
Ehrlich gesagt, das mit dem Fingerzeigen auf andere ist doch wirklich pubertär. Mir geht ´s auf den Nerv. Machen Sie doch mal einen Vorschlag zur Lösung anstehender Fragen!!!


1
 
 Herbert Klupp 13. Dezember 2013 
 

Zwickmühle ? - Nein

@Franz Solan
Lassen Sie sich nicht einreden, daß Sie - wenn Sie billig kaufen - sich "schuldig" machen. Das ist ganz und garnicht der Fall. Die Armen sind froh, wenn ihr Produkt wenigstens reüssiert. Und an der menschenunwürdigen Bezahlung SIND WIR NICHT SCHULD (das ist einfach nur eine böse Propaganda). Das Problem muß man an anderer Stelle angehen.


1
 
 Herbert Klupp 13. Dezember 2013 
 

unbegründete Selbstanklagen

@friederschaefer
Glauben Sie diesen Gutmenschmedien doch bloß nicht, daß WIR schuld sind an allem Leid in der Welt. Und bei UNS wird die Menschenwürde gewahrt. Hätten wir Macht in den anderen Ländern, würden wir sie auch dort (nach und nach) durchsetzen.


1
 
 friederschaefer 13. Dezember 2013 
 

zu Hr. Franz Solan

Mein Rat: Geben Sie doch mal "Hungerlöhne" in die Suchmaschine ein. Über das Internet kann sich jeder gut informieren. Das scheint mir der 1. wichtige Schritt.

Sie müssen aber nicht bis nach Indien und China gehen. Täglich kommen Hungerlöhner in Form von Paketdienstleistern an meine Wohnungstür.

Wenn Ihnen der kath. Glaube wichtig ist, sollten Sie sich mit der kath. Soziallehre beschäftigen. Folgen Sie dem Link im Hauptartikel - ganz am Ende. Danach geht es nicht nur um Ihren persönlichen individuellen Seelenfrieden.

Persönlich bin ich der Meinung, zu riskieren den momentanen Hungerlohn zu verlieren und stattdessen FAIRTRADE- Artikel zu kaufen. Siehe: http://www.fairtrade-deutschland.de/produkte/


0
 
 friederschaefer 13. Dezember 2013 
 

2. zu Hr. Herbert Klupp

Was Ihre Einschätzung unserer sozialen Marktwirtschaft betrifft, so will ich ihnen gerne zustimmen. Leider stimmt sie bestenfalls aber nur bis 1989, als dem Kapitalismus der amerikanischen Machart die Konkurrenz "Kommunismus" verloren ging. Selbst die VR China sucht ihr Heil im (Staats-)Kapitalismus.

Meinen Sie wirklich, dass unsere Wirtschaft, die bis heute die stärkste Exportmaschine der Welt ist, noch dem Gemeinwohl verpflichtet ist? Lesen Sie bei

http://kath.net/news/23796

nach, dass unsere Kanzlerin nichts anzufangen weiß mit "Katholischer Soziallehre". Das hat sie sicher mit den meisten ihrer Wähler gemein.

Lesen Sie mal nach, wie unsere Exportnation das Gemeinwohl "beachtet" - in der aktuellen "Die Zeit" oder unter dem Stichwort "Jürgen Grässlin" im Internet.

Oder glauben Sie, dass die deutsche Wirtschaftspolitik noch von unseren Politikern im Bundestag gemacht wird?
Meinen Sie, dass die Freundinnen Merkels nur zufälligerweise Hilde Springer und Liz Mohn sind?


1
 
 Franz Solan 13. Dezember 2013 
 

Zwickmühle

Da wird in einem Supermarkt ein Schnäppchen zu einem enorm niedrigen Preis angeboten. Man kann sich ausrechnen, daß es in Indien oder China von Arbeitern zu einem Hungerlohn hergestellt wird. Nun die verwickte Lage: Kaufe ich nicht, weil die Arbeiter zu diesem Preis ausgebeutet werden, dann bin ich schuld, daß sie selbst ihren Hungerlohn verlieren und gar kein Einkommen mehr haben. Kaufe ich, dann bin ich schuld, daß sie unwürdig entlohnt werden.
Wer kann mir aus dieser Zwickmühle heraushelfen?


3
 
 Herbert Klupp 13. Dezember 2013 
 

Kapitalismus tötet

Papst Franziskus hat recht. Der ungebremste Kapitalismus tötet. Dabei ist es nicht ein System das tötet, sondern einzelne extrem gierige und herzlose Menschen (Machtmenschen, Manager, Besitzer,...) laden da konkret Schuld auf sich. Es steht uns allen gut an, gegen diese Mißstände aufzustehen. Allerdings haben wir in Deutschland KEINEN Kapitalismus. Wir haben eine soziale Marktwirtschaft. Wir haben es geschafft, die Kräfte des freien Marktes staatlich einzuhegen, so daß jeder Mensch in Deutschland ein würdiges Auskommen haben kann. Eine wahrlich christliche Lösung. Ein Leben mit und von Hartz-4 zähle ich dazu. Textilarbeiter aus Bangladesch, Wanderarbeiter in China, asiatische Arbeiten in den Emiraten (und Millionen, Milliarden anderer, die unter einem ungebremsten Kapitalismus leiden) würden sich "alle Finger danach lecken", kaufkraftmäßig unter einem deutschen Hartz4-System leben zu können.


1
 
 friederschaefer 13. Dezember 2013 
 

Unterscheidung der Begriffe wäre hilfreich

Marktwirtschaft, manchmal ohne Adjektiv mal mit (sozial, ökologisch, frei, ...), Kapitalismus werden in der Regel gleichgesetzt.

Warum einigen wir uns nicht darauf, dass der Kapitalismus das Kapital als solches als 1. seiner Ziele (= Gott) ansieht? Dann ist die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Armen und Reichen - wie von Franziskus im Kapitel 2 geschildert - die logische Folge.

"Marktwirtschaft" in meinem Sinne ist das Gegenteil von Kapitalismus: Markt ist immer eingebunden in einen sozialen Zusammenhang und damit in einen Ordnungsrahmen.

In den letzten Jahrzehnten (mindestens seit 1989) haben wir eine Umkehrung der Marktwirtschaft in den Kapitalismus erlebt.

Wirtschaftlich durch die Deregulierung = weg mit allen Regeln!
Propagandistisch durch die Behauptung: Marktwirtschaft = Kapitalismus!

Hören wir auf, uns von bezahlten Experten Sand die Augen streuen zu lassen. Gehen wir entschlossen mit Franziskus einen klaren Weg.


6
 

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