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| Thérèse von Lisieux, die Patronin der Weltmission26. April 2003 in Österreich, keine Lesermeinung Die Katechese von Kardinal Christoph Schönborn vom 6. April 2003 im Wiener Stephansdom im Wortlaut Am 14. Dezember 1927, ziemlich genau 30 Jahre nach ihrem Tod, hat Papst PiusXI. Thérèse von Lisieux zur Patronin der Missionen in der ganzen Welternannt. Thérèse wäre damals 54 Jahre alt gewesen, heute würden wir sagenkein Alter. Sie ist am 30. September 1897 mit 24 Jahren gestorben. PapstPius XI., der sie zuerst selig- und dann zwei Jahre später heiliggesprochenhat, hat sie als den "Stern seines Pontifikats" bezeichnet. Was hat ihnbewogen, diese Karmelitin, die mit 24 Jahren gestorben ist, die seit ihremEintritt nie aus ihrem Kloster herausgekommen ist, zusammen mit dem hl.Franz Xaver, dem großen Jesuitenmissionar, der den ganzen Orient durchreisthat, zur Patronin der Weltmission zu bestimmen? Eine Karmelitin und dieMission.Heute möchte ich fragen: Was kann uns Thérèse über die Stadtmission sagen,über das, was das Innerste und Wichtigste bei der Mission ist? Der HeiligeVater hat sie am 19. Oktober 1997 zur Kirchenlehrerin ernannt, 100 Jahrenach ihrem Tod. Es gibt heute in Afrika, so sagte mir Weihbischof GuyGaucher von Lisieux, über 40 Schwesternkongregationen, die Thérèse als ihreGründerin, als ihre Patronin betrachten. Was hat Thérèse mit der Mission zutun? Wenn wir an Paulus zurückdenken, in den letzten beiden Katechesen, washat sie mit ihm gemeinsam? Was unterscheidet sie? Was hat sie unsWesentliches über die Mission zu sagen? Ich möchte wieder in drei Schrittenvorgehen, zuerst einen kurzen Blick auf ihr Leben werrfen, das ist denmeisten bekannt, ich sage da wohl kaum etwas Neues, dann zweitens einigeSchlüsseltexte vorstellen, sie wird heute vor allem selber zu Wort kommen,und schließlich die Frage: Was ist das Geheimnis ihrer missionarischenWirksamkeit heute? Offensichtlich ist sie nach wie vor voll und ganz amWerk. Wir wollen um ihre Fürbitte, ihren Schutz für die Stadtmission auchbitten. I.Ihr Vater war Uhrmacher, die Mutter war Dentellière, sie hat Spitzengemacht, wie das in der Normandie üblich ist. Beide wollten eigentlich eingottgeweihtes Leben, ein eheloses Leben führen in der Ordenskonsekration anGott, aber der Wille Gottes war offensichtlich ein anderer. Sie hatten neunKinder, zwei Söhne und zwei Töchter sind schon als Kinder gestorben. Thérèsewar die jüngste, die neunte, am 2. Jänner 1873 geboren. Schon mit zweiJahren sagt sie: "Je serai religieuse." Was hat sie sich daruntervorgestellt? "Ich werde Ordensschwester werden." Thérèse ist erst vier Jahrealt, als die Mutter stirbt. Dieser schwere Einschnitt in ihrem Leben hatwohl auch entscheidend dazu beigetragen, dass sie jahrelang unter allenmöglichen Krankheitsphänomenen gelitten hat, besonders empfindsam war.Pauline, ihre ältere Schwester, tritt 1882 in den Karmel ein, und Thérèsesagt gleich: "Auch ich werde Karmelitin sein", aber "pour Jésus seul" - "fürJesus allein". Ihre erste heilige Kommunion ist ein unvergesslicher, tieferMoment der völligen Verbindung, der Verschmelzung, wie sie sogar sagt, mitJesus. Ihre wohl auch psychosomatischen Krankheiten steigern sich, und sieist in Lebensgefahr. Sie erlebt die Heilung durch das Lächeln derMuttergottesstatue in ihrem Zimmer, "La Vierge du Sourire" - "die Jungfraudes Lächelns". Maria hilft ihr. Es kommt zu dieser entscheidenden Gnade, vonder ich noch sprechen werde, der Weihnachtsgnade 1886, in der sie von ihrenSkrupeln, ihren Ängsten geheilt wird. Zu den ersten prägenden Erfahrungengehört nach dieser Weihnachtsgnade die Geschichte mit Pranzini, demmehrfachen Mörder, der zum Tod verurteilt war. Auch davon werde ich nochreden. Mit fünfzehn ist Thérèse schon ungeduldig, sie will Karmelitin werdenund auf einer Wallfahrt nach Rom, die einen Monat lang dauert, wagt sie es,sich dem greisen Papst Leo XIII. zu Füßen zu werfen und ihn zu bestürmen,dass er ihr erlaubt, Karmelitin zu werden. Am 9. April 1888 tritt sie in denKarmel ein, und sie sagt: "um Seelen zu retten und um für die Priester zubeten", über beides werden wir noch sprechen. Alles ist in ihrem Leben auf Jesus zentriert. Es ist eigenartig, man kannihre Schriften durchsehen, das kann man jetzt alles mit dem Computer machen,es gibt sie auf CD-ROM, man kann mit Knopfdruck sich auch alleWortstatistiken ausgeben lassen. Der Name Jesu kommt etwa 1600mal vor,Christus ungefähr 20mal. Immer ist es Jesus. Er ist ihre einzige Liebe,"Jésus mon unique amour" - "Jesus, meine einzige Liebe". Wenn es einen Sinnin ihrem Leben gibt, das wird auch der ganze Sinn ihrer Mission sein, wirkommen dann vor allem im dritten Punkt darauf: "L'Aimer [Jésus] et Le faireaimer" - "Ihn lieben und dazu arbeiten, dass die anderen ihn lieben", dassmöglichst viele Menschen Jesus lieben (Brief 220). Aber sie selber hat dieganz bescheidene Zielvorstellung, sie möchte Jesus so lieben, wie er nochnie geliebt worden ist, ganz bescheiden. Aber das gehört zu ihrem Weg, zuihrem Leben. Sie spricht immer von "de désir infini" - "unendlichemVerlangen". Sie hat ein unendliches, durch nichts zu begrenzendes Verlangen,Jesus zu lieben. Freilich, ihr Leben ist ganz unscheinbar. Eine Schwester imKloster sagte, als sie schon sehr krank war und man absehen konnte, dass siebald sterben wird: Was wird man wohl im Nachruf über diese kleine Schwesterschreiben können? Gibt es da überhaupt etwas zu berichten?Etwas was die beiden letzten Jahre ihres Lebens besonders prägt, ist dieBrieffreundschaft, ja die geistliche Freundschaft mit zwei Priestern, zweiMissionaren, einer in Afrika und einer in China, Abbé Bellière und P.Roulland. Sie hatte sich immer einen Bruder gewünscht, sie hatte nur diebeiden kleinen, früh gestorbenen Brüder im Himmel, und ihre Eltern hattensich gewünscht, dass einer ihrer Söhne Priester und Missionar wird. Sie sagteinmal: "Priester kann ich nicht werden, aber Missionar." Sie ist esgeworden.Sie stirbt am 30. September 1897 an Tuberkulose, die sie hingerafft hat. Dieletzten Monate ihres Lebens lebt sie in einer, wie sie selber sagt, "dichtenFinsternis", einer unvorstellbaren Glaubensprüfung. Alles SpürbareWahrnehmen der Nähe Gottes ist weg, sie geht durch eine tiefe Dunkelheit imbloßen, im nackten Glauben bis zum Schluss. II.Fragen wir jetzt nach diesem kurzen Überblick über dieses kurze Leben unddieses so dramatische Sterben: Was sind die Schlüssel ihrer missionarischenTätigkeit? Ich möchte drei sehr bekannte Stellen herausgreifen, die in ihrenautobiographischen Schriften im ersten Heft, wo sie von ihrer Zeit vor demOrdenseintritt spricht, hinter einander stehen. Es sind drei Erlebnisse mitvierzehn Jahren. Thérèse ist höchst wach und intelligent, sie hat eine ganzschnelle und lebendige Auffassungsgabe und vielfältige Begabungen.1. Die erste dieser entscheidenden Erfahrungen ist die "Weihnachtsgnade".Ich darf sie einfach selber zu Wort kommen lassen: "Es war am 25. Dezember1886, da mir die Gnade zuteil wurde, der Kindheit zu entwachsen, kurz, dieGnade meiner vollständigen Bekehrung. - Wir kamen von der Mitternachtsmesseheim, wo ich das Glück hatte, den starken und mächtigen Gott zu empfangen. - Das heißt die Kommunion zu empfangen. - "Als wir in den Buissonnetsanlangten, freute ich mich darauf, meine Schuhe aus dem Kamin zu holen." -In Frankreich gab es damals keinen Christbaum, sondern man hat die Schuhe inden Kamin gestellt, da waren dann vom Christkind Geschenke drin. Sehr vielPlatz hat es nicht in den Schuhen, es können nur kleine Freuden sein. -"Dieser alte Brauch hatte uns in unserer Kindheit soviel Freude bereitet,dass Céline damit fortfahren wollte, mich wie ein kleines Kind zu behandeln,da ich nun einmal die Jüngste der Familie war... Papa freute sich, meinGlück zu sehen und meine Jubelrufe zu hören bei jeder Überraschung, die ichaus den verzauberten Schuhen zog [.] Aber Jesus wollte mir zeigen, dass ichmich von den Fehlern der Kindheit befreien sollte und entzog mir auch derenunschuldige Freuden; er ließ es zu, dass Papa, ermüdet von derMitternachtsmesse, ärgerlich wurde, als er meine Schuhe im Kamin stehen sah,und Worte sagte, die mir das Herz durchbohrten: «Nun, gottlob ist es dasletzte Jahr! ...» [.] Céline, die meine Empfindsamkeit kannte und Tränen inmeinen Augen schimmern sah, hätte am liebsten auch welche vergossen, [...]«Ach! Thérèse!» sagte sie, «geh nicht hinunter, es wäre zu schmerzlich fürdich, jetzt gleich in deine Schuhe zu schauen.» Aber Thérèse war nicht mehrdie gleiche. Jesus hatte ihr Herz umgewandelt! Ich drängte meine Tränenzurück und eilte die Treppe hinunter; mein Herzklopfen unterdrückend, nahmich meine Schuhe, stellte sie vor Papa hin und zog fröhlich alle Gegenständehervor, glücklich ausschauend wie eine Königin. Papa lachte, auch er warwieder fröhlich, und Céline glaubte zu träumen!... Zum Glück aber war essüße Wirklichkeit, die kleine Thérèse hatte ihre Seelenstärkewiedergefunden, die sie im Alter von viereinhalb Jahren verloren hatte, unddie sie sich nunmehr für immer bewahren sollte!... In dieserlichtstrahlenden Nacht begann mein dritter Lebensabschnitt, der schönste vonallen, der am reichsten mit himmlischen Gnaden erfüllte... In einemAugenblick hatte Jesus vollbracht was mir in zehnjähriger Anstrengung nichtgelungen war, er begnügte sich mit meinem guten Willen, an dem es mir niefehlte." - Jetzt achten Sie auf ihre wunderbare Art, die Heilige Schrift inihr Leben herein zu ziehen und aus dem Evangelium, aus der Heiligen Schriftihr Leben zu deuten: "Wie die Apostel konnte ich ihm sagen: «Herr, ich habedie ganze Nacht gefischt und nichts gefangen» (Lk 5,5). Noch barmherzigergegen mich als gegen seine Jünger nahm Jesus selbst das Netz, warf es ausund zog es gefüllt mit Fischen wieder ein..." - Unglaublich gewagt, wie siedas Evangelium, diese Stelle: "Werft die Netze noch einmal aus!" (Lk 5,4),das Motto, das Kardinal Groër für sein Bischofsamt genommen hatte: "Auf deinWort hin" (Lk 5,5) werfen die Apostel, wirft Petrus noch einmal das Netzaus. Hier sagt Thérèse: Jesus selber hat es ausgeworfen und gefüllt mitFischen wieder eingeholt. Sie sagt weiter: "Er machte mich zumSeelenfischer." - Jesus sagt zu den Aposteln: "Von jetzt an werdet ihrMenschen fangen" (Lk 5,10). - "Ich spürte ein großes Verlangen, an derBekehrung der Sünder zu arbeiten, ein Verlangen, das ich vorher nicht solebhaft empfunden hatte... Ja, ich fühlte die Liebe in mein Herz einziehen,das Bedürfnis, mich selbst zu vergessen, um Freude zu machen, und von da anwar ich glücklich! ..." (Selbstbiographische Schriften 95-97). Das ist also die Gnade der Weihnacht, diese plötzliche, ihr Leben umkehrendeGnade, die sie mit vierzehn Jahren erfährt. Was ist diese Gnade? Sich selbstzu vergessen, um Freude zu machen, das heißt die Befreiung aus derGefangenheit in die eigene Empfindsamkeit, in die Selbstbezogenheit, dieseÜberempfindlichkeit, unter der sie und ihre Geschwister so gelitten haben.Von jetzt an wird nichts mehr sie aufhalten. Sie wird sich nicht mehr beisich selber aufhalten, sie wird nicht mehr auf ihre Schwächen schauen, imGegenteil, ihre Schwächen werden Anlass, nicht bei sich selber hängen zubleiben. Sie wird ganz fähig zur Zuwendung: "Ich fühlte die Liebe in meinHerz einziehen." Sie wird fähig zu dieser unglaublichen Zuwendung,Aufmerksamkeit, Wachheit, die ihr Leben von jetzt an bestimmt. Ihr Blick istnicht mehr auf sich selber gerichtet, auf ihr Leid, ihre Schwächen, sondernauf Jesus. "Jésus, mon unique amour" - "Jesus, meine einzige Liebe", das istjetzt ihre Lebensorientierung. Deshalb kann sie von sich selber sagen, inaller Bescheidenheit aber in der Bescheidenheit eines Wissens um die Gaben,die ihr geschenkt sind: Von jetzt an war ihr Leben "une course de géant" -"der Lauf eines Riesen", das ist ein Psalmwort, das sie hier gebraucht. DerPsalm sagt es von der Sonne, die wie ein Held über den Himmel zieht (Ps19,6) - "une course de géant". So sieht sie ihr eigenes Leben. 2. Dieses Freiwerden von sich selber und sich Zuwenden zu Christus, seinerLeidenschaft, seiner Liebe zu den Menschen, das ist das Geheimnis ihrerMissionskarriere. Das sieht man gleich in der zweiten Schlüsselerfahrung,die unmittelbar anschließt: "Als ich eines Sonntags die Photographie unseresHerrn am Kreuz betrachtete, ward ich betroffen vom Blute, das aus einerseiner Göttlichen Hände floss. Ich empfand tiefen Schmerz beim Gedanken,dass dies Blut zur Erde fiel, ohne dass jemand herzueilte, es aufzufangen.Ich beschloss, im Geiste meinen Standort am Fuße des Kreuzes zu nehmen, umden ihm entfließenden Göttlichen Tau aufzufangen, und begriff, dass ich ihnnachher über die Seelen ausgießen müsse... Der Schrei Jesu am Kreuzwiderhallte ununterbrochen in meiner Seele: «Mich dürstet!» (Joh 19,28).Diese Worte entfachten in mir ein unbekanntes, heftiges Feuer... Ich wolltemeinem Viel-Geliebten zu trinken geben und ich fühlte mich selbst vom Durstnach Seelen verzehrt..." (Selbstbiographische Schriften 97).Es ist wirklich ein erstaunlicher Text, machtvoll. Thérèse ist ganz wachgeworden, ihr Herz kann mitleiden, sie sieht den Herrn am Kreuz. Sie siehtdas Blut aus seinen Wunden. Aber es ist nicht nur Mitleid mit seinemphysischen, körperlichen Leid, es ist die Erschütterung darüber, dass dasfür uns vergossene Blut so unbeachtet bleibt, dass, wie Franziskus sagt, dieLiebe nicht geliebt wird. Dieser Schmerz trifft sie. Das ist das tiefsteMitleid mit dem Heilswillen Jesu. Warum wird Jesu Liebe nicht mehrangenommen? Da beschließt Thérèse, wieder unglaublich gewagt, sich beimKreuz aufzuhalten, "de me tenir en esprit au pied de la Croix" - "im Geistmich am Fuß des Kreuzes aufzuhalten", dort meinen Platz zu finden, dort, woMaria, Johannes und Maria von Magdala standen, aber nicht passiv, sondernaktiv, um das göttliche Blut aufzufangen. Mich fasziniert immer wieder anThérèse dieses Gewagte, dieses unglaublich eigentlich alle ängstlichen MaßeSprengende: "Ich begriff, dass ich es nachher über die Seelen ausgießenmüsse." Sie hat eine Heilsaufgabe. - Ich erwähne nur in Klammer, man müsstees sich näher anschauen, die erstaunliche Parallele zum so genannten drittenGeheimnis von Fatima, wo es eine ganz ähnliche Passage gibt. - Es ist einedirekte, mit Christus verbundene Mission, die schon damals im Grundegrenzenlos ist. Wenn Christus sein Blut für alle vergossen hat, so willThérèse immer entschiedener das Heil aller, weil es Jesu Wille ist. Sie willdeshalb Jesu Durst stillen, ihr Mitleid mit ihm wird zum Durst, an seinemWerk teilzunehmen. Ihr Durst wird sein Durst nach Seelen. Sie zeichnet dannein kleines Bild, ein Kreuzesbild, auf das sie diese beiden Worte zusammenschreibt: "Mich dürstet", Jesu Wort am Kreuz (Joh 19,28), und daneben dasandere Wort, das Jesus zur Samariterin sagt: "Gib mir zu trinken" (Joh 4,7).Sie deutet es in diesem Sinn. "Seelen retten", das hat man ein wenig belächelt, hat gesagt, das seiüberholt, eine altmodische Sprechweise. Aber erinnern wir uns vielleicht andie erste Katechese: Was ist denn Mission? Ist das nicht zuerst eineRettungsaktion? Erinnern wir uns daran, wie Jesus im Abendmahlssaalinständig gebetet, den Vater angefleht hat, dass keiner verloren gehe (Joh17,15), von denen "die du mir gegeben hast". So sagt Thérèse im Blick aufdieses Bild des Gekreuzigten: "Ich brannte vor Verlangen, die großen Sünderden ewigen Flammen zu entreißen." 3. Die dritte Erfahrung geht genau in diese Richtung. Sie sagt selber gleichanschließend: "Um meinen Eifer anzuspornen, zeigte mir der Liebe Gott, dassihm mein Verlangen wohlgefällig sei." - Dann kommt die Geschichte vonPranzini, die so bewegend ist, dass ich immer aufpassen muss, dass ich nichtzu weinen anfange. Man hat vor einigen Jahren in einem anatomischen Institutin Frankreich die Büste von diesem Pranzini wiedergefunden, dessenabgeschlagenes Haupt man studiert hat, weil man anatomisch sozusagen wissenwollte, wie kommt ein Mensch dazu, so ein schrecklicher Verbrecher zusein. - "Ich hörte damals von einem großen Verbrecher, der wegenschrecklicher Verbrechen zum Tode verurteilt worden war, alles ließvermuten, dass er unbußfertig sterben würde. Ich wollte ihn um jeden Preisdaran hindern, der ewigen Verdammnis anheimzufallen." - Wieder dieserunglaubliche Wagemut der Thérèse! - "Um es dahin zu bringen, wandte ich alleerdenklichen Mittel an; wohl wissend, dass ich aus mir selber nichtsvermochte, bot ich dem Lieben Gott alle unendlichen Verdienste Unseres Herrnan und die Schätze der Heiligen Kirche, schließlich bat ich Céline, eineMesse nach meiner Meinung lesen zu lassen [.] Ich hätte gewünscht, dass alleMenschen sich mit mir vereinten, um die Gnade für den Schuldigen zuerflehen. Im Grunde meines Herzens fühlte ich mit Gewissheit, dass unserVerlangen erfüllt werden sollte." - Sie war sich dessen gewiss! - "Um mirjedoch Mut zu machen, im Gebet für die Sünder fortzufahren, sagte ich demlieben Gott, ich sei ganz sicher, dass er dem unglücklichen Pranziniverzeihen werde, dass ich dies sogar glauben würde, wenn dieser nichtbeichtete und kein Zeichen der Reue gäbe, so großes Vertrauen hatte ich indie unendliche Barmherzigkeit Jesu." - Das ist Thérèse, dieses unendlicheVertrauen in die unendliche Barmherzigkeit Jesu. - "Aber ich bäte ihn dochum «ein Zeichen» der Reue, einfach zu meinem Trost... Mein Gebet wurdewörtlich erhört. Trotz des Verbotes, das Papa für uns erlassen hatte,irgendeine Zeitung zu lesen, glaubte ich nicht ungehorsam zu sein, wenn ichdie Stellen las, die von Pranzini handelten. Am Tage nach seiner Hinrichtungfällt mir die Zeitung «La Croix» in die Hand. Ich öffne sie hastig, und wassehe ich?... Ach! meine Tränen verrieten meine Bewegung, und ich musste michverstecken... Pranzini hatte nicht gebeichtet, er hatte das Schafottbestiegen und wollte eben seinen Kopf in das grausige Loch, stecken, als erplötzlich, einer jähen Eingebung folgend, sich umwendet, das Kruzifixergreift, das ihm der Priester hinhielt, und dreimal die heiligen Wundenküsst! ... Dann ging seine Seele hin, das erbarmende Urteil Dessen zuempfangen, der verkündet, im Himmel werde mehr Freude sein über eineneinzigen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte, die der Buße nichtbedürfen. Ich hatte das erbetene «Zeichen», erhalten." - Und jetzt schauenSie, wie Thérèse die Zeichen liest. - "Und Dieses Zeichen war das getreueAbbild von Gnaden, die Jesus mir gewährt hatte, um mich zum Gebet für dieSünder anzuspornen. War nicht angesichts, der Wunden Jesu, als ich seinGöttliches Blut fließen sah, der Durst nach Seelen in mein Herzeingedrungen? Ich wollte ihnen dies unbefleckte Blut zu trinken geben, dassie von ihren Makeln reinigen sollte, und die Lippen «meines ersten Kindes» - sie nennt Pranzini "mein erstes Kind" - "hatten sich auf die heiligenWundmale gedrückt!!! ... Welch unsäglich zarte Antwort! ... Oh! seit diesereinzigartigen Gnade wuchs meine Begierde, Seelen zu retten, jeden Tag, mirwar, ich hörte Jesus zu mir sagen wie zur Samariterin: «Gib mir zu trinken!»Es war ein wahrer Tauschhandel der Liebe; den Seelen gab ich das Blut Jesu,und Jesus bot ich eben diese vom Göttlichen Tau erquickten Seelen an, soglaubte ich seinen Durst zu stillen, und je mehr ich ihm zu trinken gab,desto größer würde der Durst meiner armen kleinen Seele, und diesenbrennenden Durst gab er mir als den köstlichsten Trank seiner Liebe..."(Selbstbiographische Schriften 98-99).Wir verstehen schon, dass Papst Johannes Paul II. sie zur Kirchenlehrerinernannt hat. Das ist wirklich machtvolle Lehre. Ich glaube, man kann nichtumhin, die innere Kraft dieser Worte zu empfinden. Hier spricht Gottes Kraftund Geist: "mein erstes Kind" - Ermutigung auf dem Weg der Fürbitte und desVertrauens weiter zu gehen. Bald weitet sich die Perspektive aus, speziellfür die Priester zu beten. Es war dann ihre Romreise, wo sie zum ersten Malden Klerus aus der Nähe erlebt hat. Sie hatte eine ganz hehre Vorstellungvon den Priestern, dass sie alle heiligmäßig und ganz besonders sein. Danneinen Monat lang mit ihnen zusammen auf der Pilgerreise nach Rom hat siefeststellen müssen, dass die geistlichen Herrn in ihrer hohen Würde dochauch schwache und gebrechliche Menschen blieben. Und so entschließt sie sichumso mehr, die Berufung des Karmel anzunehmen, für die Priester zu beten. 4. Aber was ist die Apostolatshaltung der Thérèse? Sie fasst es in ein Wort:"Jesus tut alles. Ich tue nichts" (Brief 142). Freilich, dieses nichts, vondem sie hier spricht, ist kein passives. Noch einmal: Sie hat sehr wohl einTun im Auge: "Aimer Jésus et Le faire aimer" - "Jesus lieben und machen,dass er geliebt wird". Das erfordert, wie sie einmal ausführlich an ihreSchwester Céline schreibt, das Feuer der Liebe zu nähren, zu unterhalten: "OCéline! Wie leicht ist es, Jesus zu gefallen, sein Herz zu entzücken. Manbraucht ihn nur zu lieben, ohne auf sich zu schauen, ohne allzu sehr seineeigenen Fehler zu untersuchen." - Das sagt die, die früher so von Skrupelngeplagt war. - "Mein Seelenführer ist Jesus. Er lehrt mich nicht, meineTugendakte zu zählen" - wie sie es gelernt hatte, dass man möglichst vieleTugendakte zählt. - "Er lehrt mich, alles aus Liebe zu tun, Ihm nichts zuverweigern, zufrieden zu sein, wenn er mir eine Gelegenheit gibt, ihm meineLiebe zu beweisen. Dies aber geschieht im Frieden, in der Hingabe [l'abondon]." - "Jesus tut alles, und ich tue nichts." Aber eben dieses "nichts" heißt für sie, das Feuer der Liebe zu unterhalten. Sie schreibt nocheinmal an Céline, ihre Schwester: "Die hl. Teresa [von Ávila] sagt, manmüsse die Liebe erhalten [.] Jesus ist mächtig genug, das Feuer allein zuunterhalten, doch freut er sich wenn er sieht, dass auch wir etwas dazubeitragen." - Das kommt immer wieder: "Jesus Freude machen". Manchmal sagtsie auch: "Jesus trösten". - "Ich habe diese Erfahrung gemacht: Wenn ichnichts empfinde, wenn ich UNFÄHIG bin zu beten, die Tugend zu üben, dann istes an der Zeit, kleine Gelegenheiten zu suchen, Nichtigkeiten, die JesusFreude bereiten, mehr Freude als die Herrschaft über die Welt oder sogarmehr als das großmütig erlittene Martyrium, beispielsweise ein Lächeln, einliebes Wort, wenn ich nichts sagen oder ein verdrießliches Gesicht machenmöchte usw. usw ... Verstehst Du, meine geliebte Céline? Es geschieht nicht,um mir einen Kranz, um mir Verdienste zu erwerben, sondern um Jesus zuerfreuen ... Bieten sich mir keine Gelegenheiten, dann will ich Ihmwenigstens oft sagen, dass ich ihn liebe [.] O nein! Ich bin nicht immertreu, doch ich verliere nie den Mut. Ich überlasse mich ganz den Armen Jesu"(Brief 143, S. 204).Ganz am Schluss der Autobiographischen Schriften, der "Geschichte einerSeele", sagt sie dieses unglaubliche Wort: "Statt mit dem Pharisäervorzutreten, wiederhole ich voll Vertrauen das demütige Gebet des Zöllners;vor allem aber ahme ich das Verhalten Magdalenas nach, ihre erstaunlicheoder vielmehr ihre liebende Kühnheit, die das Herz Jesu entzückt, reißt auchdas meinige hin." - Dann sagt sie, es ist praktisch der Schluss ihrerAutobiographie: "Ja, ich fühle es, hätte ich auch alle begehbaren Sünden aufdem Gewissen, ich ginge hin, das Herz von Reue gebrochen, mich in die ArmeJesu zu werfen, denn ich weiß, wie sehr Er das verlorene Kind liebt, das zuihm zurückkehrt" (Selbstbiographische Schriften 275).Brüder und Schwestern, dieses Vertrauen, dieses grenzenlose Vertrauen, undhätte ich die schlimmsten Sünden begangen, ich ginge zu Jesus und würde michihm in die Arme werfen, sagt Thérèse. Dieser kleine Weg ist ihre Mission.Diese Mission will sie allen Menschen bekannt machen. III.Sie glaubt, und damit kommen wir zum Schluss, dass diese Mission erstrichtig beginnen wird, wenn sie aus diesem irdischen Leben scheidet. Am Endeihres Lebens, in ihrer Krankheit hat sie sich sehr gesorgt darum, dass ihreSchriften, ihre drei Hefte, die sie über ihr Leben geschrieben hatte, nachihrem Tod bekannt gemacht werden. Sie hat sich nicht getäuscht. Innerhalbeines Jahres ist dieses Buch in der ganzen Welt bekannt gewesen: "L'histoired'une âme" - "Die Geschichte einer Seele". Das ist ihre Mission. Den beidenPriesterbrüdern, P. Roulland und Abbé Bellièr, hat sie ihre letztenmissionarischen Intentionen, ihr missionarisches Herz anvertraut. Dem einenschreibt sie: "Die Entfernung" - er ist als Missionar in China - "wirdunsere Seelen nie trennen können. Sogar der Tod wird unsere Vereinigung nochinniger gestalten. Wenn ich bald in den Himmel komme, bitte ich Jesus um dieErlaubnis, Sie in Su-tchuen" - in China, wo er Missionar ist - "zu besuchen,und wir werden unser Apostolat gemeinsam fortsetzen. Bis dahin bleibe ichIhnen stets im Gebet vereint, und ich bitte unseren Herrn, er möge mir nieFreuden schenken, während Sie leiden. Ich möchte sogar, dass mein Bruderimmer den Trost und ich die Prüfungen habe" (Brief 193, S. 298). Und im letzten Brief an P. Roulland, diesen Bruder und Freund in China,schreibt sie: "Wenn Sie diesen Brief erhalten, habe ich zweifellos die Erdeverlassen. Der Herr wird mir in seiner unendlichen Barmherzigkeit sein Reichaufgetan haben, und ich kann aus seinen Schätzen schöpfen, um sie an dieSeelen, die mir lieb sind, zu verschwenden." - Verschwenden, denn im Himmelgehören ihr alle Schätze Gottes, sagt sie ganz ungeniert, deshalb kann siefrei darüber verfügen und sie auf die Menschen verteilen. - "[.] Mein Bruderich fühle es, im Himmel werde ich ihnen viel nützlicher sein als auf derErde, und freudigen Herzens kündige ich Ihnen meinen bevorstehenden Eintrittin diese glückselige Stadt an in der Gewissheit, dass Sie meine Freudeteilen und dem Herrn danken, dass er es mir ermöglicht, Ihnen in Ihrerapostolischen Arbeit wirksamer zu helfen. Ich rechne bestimmt damit, imHimmel nicht untätig zu bleiben. Mein Wunsch ist, weiter für die Kirche unddie Seelen zu arbeiten. Ich bitte den lieben Gott darum, und ich bin sicher,dass Er mich erhören wird. Sind die Engel nicht immerfort um uns bemüht,ohne je aufzuhören, das göttliche Antlitz zu schauen [.]? Warum sollte Jesusmir nicht erlauben, es ihnen gleich zu tun? [.] Seit langem ist mir dasLeiden zu meinem Himmel auf Erden geworden, und ich habe wirklich Mühe, mirvorzustellen, wie ich mich in einem Land akklimatisieren soll, wo die Freudeohne jede Mischung von Traurigkeit herrscht." - Sie kann sich nichtvorstellen, wie das im Himmel sein soll. Dann sagt sie: "[.] Was mich zurHimmlischen Heimat zieht, ist der Ruf des Herrn, ist die Hoffnung, ihnendlich zu lieben, wie ich es so sehr gewünscht hatte und" - das ist jetztMission - "der Gedanke, dass ich eine große Zahl von Seelen ihn liebenlehren darf, die ihn ewig preisen werden" (Brief 254, S. 370-371). Wir schließen mit einem Wort, das fast aus derselben Zeit stammt, aus denletzten Worten, die Thérèse gesagt hat, die die Schwestern aufgeschriebenhaben. Sie sagt am 17. Juli, zweieinhalb Monate vor ihrem Tod: "Ich spüre,dass meine Mission beginnen wird, meine Mission, den lieben Gott lieben zumachen, wie ich ihn liebe, meinen kleinen Weg den Seelen zu geben. Wenn meinVerlangen erhört sein wird, dann wird mein Himmel sich auf Erden abspielenbis zum Ende der Welt. Ja, ich möchte meinen Himmel auf Erden verbringen, umGutes zu tun. Das ist nicht unmöglich, denn auch in der seligen Gottesschauwachen die Engel über uns. Nein, ich kann im Himmel keine Ruhe nehmen biszum Ende der Welt, so lange es Seelen zu retten gibt. Aber wenn dann derEngel sagt: Die Zeit ist zu Ende!, dann und erst dann werde ich michausruhen, um zu genießen, denn dann erst wird die Zahl der Erwählten vollständig sein und alle werden in die Freude und in die Ruhe Gottes eingegangen sein. Mein Herz jubelt bei diesem Gedanken" (Novissima Verba 81-82). Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! 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