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Die Angst vor einer Abwesenheit. Drei Meditationen zum Karsamstag

25. März 2016 in Aktuelles, 1 Lesermeinung
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Joseph Ratzinger und das Geheimnis der Gottesfinsternis und des Schweigens Gottes, um wieder den Abgrund seiner Größe zu erfahren, den Abgrund unserer Nichtigkeit, der sich auftun würde, wenn er nicht wäre


Rom (kath.net/as) kath.net veröffentlicht die „Drei Meditationen zum Karsamstag von Joseph Ratzinger (1969).

1. MEDITATION

Das Wort vom Tod Gottes geistert immer lauter durch unsere Zeit. Zuerst, bei Jean Paul, ist es nur wie ein Alptraum - der tote Jesus verkündet vom Dach der Welt aus den Toten, daß er bei seiner Fahrt ins Jenseits nichts gefunden - keinen Himmel, keinen vergeltenden Gott, sondern nur das endlose Nichts, das Schweigen der gähnenden Leere. Noch ist es nur ein Schrecktraum, den man ächzend im Erwachen als Traum beiseite schiebt, wenngleich die einmal erlittene Angst, die immer schon dumpf auf dem Grund der Seele lauerte, nie mehr gänzlich weichen will. Hundert Jahre später, bei Nietzsche, ist es tödlicher Ernst, der in einem gellenden Schrei des Entsetzens sich äußert: «Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet!» Inzwischen, wieder fünfzig Jahre später, spricht man schon fast mit akademischer Gelassenheit darüber und fängt an, sich auf eine «Theologie nach dem Tode Gottes» einzurichten, sieht sich um, wie es weitergehen mag und ermutigt den Menschen, sich darauf vorzubereiten, als Stellvertreter Gottes einzuspringen.

Das erschreckende Geheimnis des Karsamstags, sein Abgrund an Schweigen, hat damit eine bedrängende Wirklichkeit in unserer Gegenwart erhalten. Denn dies ist Karsamstag: Tag der Verborgenheit Gottes, Tag jener ungeheuren Paradoxie, die wir im Glaubensbekenntnis aussprechen mit den Worten «abgestiegen zu der Hölle», abgestiegen ins Mysterium des Todes hinein. Am Karfreitag konnten wir noch auf den Durchbohrten hinblicken - der Karsamstag ist leer, der schwere Stein des frischen Grabes deckt den Verstorbenen, alles ist vorüber, der Glaube scheint definitiv als Schwärmerei enthüllt. Kein Gott hat diesen Jesus gerettet, der sich Sohn Gottes nannte. Man kann beruhigt sein - die Nüchternen, die vorher im geheimen doch ein wenig geschwankt hatten, ob vielleicht etwas anderes sei, sie haben recht behalten.

Karsamstag, Tag des Begräbnisses Gottes - ist das nicht auf eine unheimliche Weise unser Tag? Fängt unser Jahrhundert nicht an, zu einem großen Karsamstag zu werden, einem Tag der Abwesenheit Gottes, an dem auch den Jüngern eine eisige Leere ins Herz steigt, so dass sie beschämt und verängstigt sich zum Heimweg rüsten und auf ihrem Emmaus-Gang dumpf und verstört sich in ihre Hoffnungslosigkeit hineinbohren, gar nicht bemerkend, dass der Totgeglaubte in ihrer Mitte ist? Gott ist tot, und wir haben ihn getötet: Haben wir eigentlich bemerkt, dass dieser Satz fast wörtlich der Sprache der christlichen Überlieferung entnommen ist, dass wir oft genug in unseren Kreuzweggebeten schon Ähnliches gelallt haben, ohne den erschreckenden Ernst, die unheimliche Wirklichkeit des Gesagten zu gewahren? Wir haben ihn getötet, indem wir ihn ins Gehäuse veralteter Denkgewohnheiten einschlossen, indem wir ihn in eine Frömmigkeit verbannten, die wirklichkeitslos war und immer mehr zur devotionellen Phrase oder zur archäologischen Kostbarkeit wurde; wir haben ihn getötet durch die Zweideutigkeit unseres Lebens, die ihn selbst verdunkelte, denn was könnte Gott fragwürdiger machen in dieser Welt als die Fragwürdigkeit des Glaubens und der Liebe seiner Gläubigen?

Die Gottesfinsternis dieses Tages, dieses Jahrhunderts, das mehr und mehr zum Karsamstag wird, redet uns ins Gewissen. Sie hat auch mit uns zu tun. Aber sie hat trotz allem etwas Tröstendes an sich. Denn Gottes Sterben in Jesus Christus ist zugleich Ausdruck seiner radikalen Solidarität mit uns. Das dunkelste Geheimnis des Glaubens ist zugleich das hellste Zeichen einer Hoffnung, die ohne Grenzen ist. Und noch eins: Erst durch das Scheitern des Karfreitags, erst durch die Todesstille des Karsamstags hindurch konnten die Jünger zum Begreifen dessen geführt werden, wer Jesus wirklich war, was seine Botschaft in Wahrheit meinte. Gott musste sterben für sie, damit er wahrhaft leben konnte in ihnen. Ihr Bild, das sie von Gott geformt hatten, in das sie ihn einzuzwängen versuchten, musste zerstört werden, damit sie über den Trümmern des zerstörten Hauses den Himmel sehen konnten, ihn selbst, der immer der unendlich Größere bleibt.

Wir brauchen die Gottesfinsternis, wir brauchen das Schweigen Gottes, um wieder den Abgrund seiner Größe zu erfahren, den Abgrund unserer Nichtigkeit, der sich auftun würde, wenn er nicht wäre.


Es gibt im Evangelium eine Szene, die auf erregende Art das Schweigen des Karsamstags vorwegnimmt und so zugleich noch einmal wie ein Portrait unserer geschichtlichen Stunde erscheint. Christus schläft in einem Boot, das vom Sturm gepeitscht am Versinken ist. Der Prophet Elias hatte einst die Baalspriester, die vergebens lautstark zu ihrem Gott um Feuer für das Opfer schrien, verhöhnt, ihr Gott schlafe wohl, und man müsse vielleicht noch lauter rufen, um ihn aufzuwecken. Aber schläft Gott nicht wirklich? Trifft der Hohn des Propheten nicht zuletzt die Gläubigen des Gottes Israels, die mit ihm in einem versinkenden Boot fahren? Gott schläft, während seine Sache am Versinken ist - ist das nicht die Erfahrung unseres eigenen Lebens? Scheint die Kirche, scheint der Glaube nicht wie ein versinkendes kleines Schiff, das vergebens gegen Wind und Wellen kämpft, während Gott abwesend ist?

Die Jünger rütteln und schreien in äußerster Verzweiflung den Herrn wach - er aber scheint erstaunt und schilt sie kleingläubig. Nun, geht es uns anders? Wenn der Sturm vorüber sein wird, werden wir erkennen, wie töricht unser Kleinglaube war. Und dennoch, Herr, wir können nicht anders, als dich, den schweigenden, schlafenden Gott rütteln, zu dir schreien: Wach auf - siehst du denn nicht, dass wir versinken? Wach auf, lass die Dunkelheit des Karsamstags nicht endlos sein, lass einen Strahl von Ostern auch in unsere Tage fallen, geh mit uns, wenn wir hoffnungslos nach Emmaus wandern, dass unser Herz uns brennend werde von deiner Nähe. Der du Israels Wege verborgen geleitet hast, um endlich Mensch mit uns Menschen zu sein: Lass uns nicht im Dunkel, lass dein Wort in der Geschwätzigkeit dieser Tage nicht untergehen, Herr, hilf uns, denn ohne dich müssten wir zugrunde gehen. Amen.

2. MEDITATION
Die Kreuzigung.

Die Verborgenheit Gottes in dieser Welt ist das eigentliche Geheimnis des Karsamstags, das sich uns in dem Rätselwort andeutet, Jesus sei «abgestiegen zu der Hölle». Insofern hat uns die Erfahrung unserer Zeit einen ganz neuen Zugang zum Karsamstag geschaffen, denn die Verborgenheit Gottes in seiner eigenen Welt, die doch eigentlich mit tausend Zungen von ihm künden müsste, die Erfahrung der Ohnmacht Gottes, der doch der Allmächtige ist - sie ist die Erfahrung und die Not unserer Zeit.

Aber wenn uns so der Karsamstag innerlich ganz nahe gerückt ist, wenn wir den Gott des Karsamstags mehr begreifen als die machtvollen Manifestationen Gottes in Sturm und Gewitter, von denen das Alte Testament erzählt, so bleibt doch die Frage, was denn eigentlich näherhin gemeint sei mit der rätselhaften Formel, Jesus sei «abgestiegen zu der Hölle». Sagen wir es offen: Niemand kann das wirklich erklären, und es wird auch dadurch nicht wesentlich klarer, dass man feststellt, Hölle sei hier eine falsche Übersetzung für das hebräische Wort Scheol, das einfach das Totenreich insgesamt bedeute, und so besage die Formel ursprünglich allein dies, daß Jesus in die Tiefe des Todes abgestiegen, wirklich tot gewesen sei und am Abgrund unseres Todesschicksals teilgenommen habe. Denn nun steht die Frage auf: Was ist das eigentlich, der Tod, und: was geschieht eigentlich, wenn man in die Tiefe des Todes absteigt?

Wir werden dabei bedenken müssen, dass Tod nicht mehr dasselbe ist, seitdem Christus in ihn eingestiegen ist, seitdem Christus ihn durchdrungen und angenommen hat, so wie Leben, menschliches Sein nicht mehr dasselbe ist, seitdem die menschliche Natur in Christus Gottes eigenes Sein berühren durfte und darf. Vordem war Tod nur Tod, Abgeschiedensein vom Land der Lebendigen und - wenn auch in verschiedener Tiefe - so etwas wie «Hölle», Nachtseite des Daseins, undurchdringliches Dunkel. Nun aber ist auch Tod noch Leben, und wenn wir hindurchschreiten durch die eisige Einsamkeit der Pforte des Todes, begegnen wir immer noch ihm, der das Leben ist, der Gefährte unserer letzten Einsamkeiten werden wollte und der in der tödlichen Einsamkeit seiner Ölbergangst und seines Kreuzesrufes «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» zum Teilhaber unserer Verlassenheiten wurde.

Wenn ein Kind einsam in dunkler Nacht durch einen Wald gehen muß, wird es sich fürchten, auch wenn ihm hundertmal bewiesen worden wäre, daß dort nichts Gefährliches sei. Es fürchtet sich nicht vor etwas Bestimmtem, das es nennen könnte, sondern es erfährt im Dunkel die Ungeborgenheit, die Ausgesetztheit, das Unheimliche des Daseins an sich. Nur eine menschliche Stimme könnte es trösten; nur die Hand eines liebenden Menschen die Angst wie einen bösen Traum beiseite scheuchen. Es gibt eine Furcht - die eigentliche, in der Tiefe unserer Einsamkeiten wohnende Furcht -, die nicht durch Verstand, sondern nur durch die Gegenwart eines Liebenden überwunden werden kann, weil diese Furcht sich auf nichts Nennbares bezieht, sondern das Unheimliche unsrer letzten Einsamkeit ist. Wer hätte nie das Erschreckende solchen Verlassenseins gefühlt? Wer nie das heilig-tröstende Wunder erfahren, das ein Wort der Liebe in solchem Augenblick bedeutet?

Wo aber eine Einsamkeit entsteht, in die kein Wort der Liebe mehr verwandelnd dringen kann, da sprechen wir von Hölle. Und wir wissen, dass nicht wenige Menschen unserer scheinbar so optimistischen Zeit der Meinung sind, das alle Begegnung an der Oberfläche bleibe, daß kein Mensch zu der letzten, eigentlichen Tiefe des andern Zutritt habe, und dass so im tiefsten Grund von unser aller Dasein die Verzweiflung, ja, die Hölle wohne. Jean-Paul Sartre hat das in einem seiner Dramen künstlerisch ausgesagt und damit zugleich den Kern seiner Lehre vom Menschen bloßgelegt. Und in der Tat: Eins ist gewiss - es gibt eine Nacht, in deren dunkle Verlassenheit keine tröstende Stimme dringt, eine Tür, durch die wir nur einsam schreiten können: das Tor des Todes. Alle Furcht dieser Welt ist im letzten die Furcht dieser Einsamkeit. Deshalb auch war im Alten Testament das Wort für das Todesreich und für die Hölle ein und dasselbe: Scheol. Denn der Tod ist die Einsamkeit schlechthin. Jene Einsamkeit aber, der die Liebe nicht mehr leuchten kann, die so tief ist, daß die Liebe nicht mehr Zutritt hat zu ihr, ist die Hölle.

»Abgestiegen zu der Hölle» - dies Bekenntnis des Karsamstags bedeutet, daß Christus das Tor der Einsamkeit durchschritten hat, daß er abgestiegen ist in den unerreichbaren, unübersteigbaren Grund unseres Verlassenseins. Es bedeutet, dass auch in der letzten Nacht, in die kein Wort mehr dringt, in der wir alle wie weinende, ausgestoßene Kinder sind, eine Stimme ist, die uns ruft, eine Hand, die uns nimmt und führt. Die unübersteigliche Einsamkeit des Menschen ist überstiegen, seitdem Er in ihr war. Die Hölle ist überwunden, seitdem die Liebe auch in die Region des Todes eingetreten ist und das Niemandsland der Einsamkeit bewohnt wird von ihm. Der Mensch lebt im Tiefsten nicht vom Brot, sondern im Eigentlichen seines Menschseins lebt er davon, dass er geliebt wird und selber lieben darf. Seitdem es die Anwesenheit der Liebe im Raum des Todes gibt, gibt es Leben mitten im Tod: Deinen Gläubigen, Herr, wird das Leben nicht genommen, nur verwandelt, betet die Kirche in ihrer Totenliturgie.

Niemand kann es ausmessen, was es im Letzten heißt, dies Wort «abgestiegen zu der Hölle». Aber wenn wir selbst einmal auf die Stunde unserer letzten Einsamkeit zugehen, werden wir etwas von der großen Helligkeit dieses dunklen Geheimnisses begreifen dürfen. In der hoffenden Gewißheit, daß wir in jener Stunde tiefster Verlassenheit nicht allein sein werden, können wir jetzt schon ein weniges davon erahnen. Und mitten in unserem Aufbegehren gegen das Dunkel des Gottestodes beginnen wir, dankbar zu werden für das Licht, das gerade aus diesem Dunkel zu uns kommt.

3. MEDITATION
Die Grablegung.

Im Breviergebet des Priesters ist die Liturgie der drei Kartage besonders sorgfältig gebaut; die Kirche will uns in ihrem Beten gleichsam selbst hineinziehen in die Wirklichkeit der Passion des Herrn, uns über das Reden hinaus in die geistige Mitte des Geschehenen führen. Wenn man versucht, die Gebetsliturgie des Karsamstags zusammenfassend zu kennzeichnen, so wird man vor allen Dingen berührt sein von dem tiefen Frieden, den sie atmet. Christus ist in die Verborgenheit gegangen, aber auch inmitten des undurchdringlichen Dunkels in die Geborgenheit, ja, er selbst ist unser aller letzte Geborgenheit geworden; jetzt erst ist das kühne Wort des Psalmisten wahr geworden: Und wenn ich in der Hölle mich bergen wollte, auch da noch bist Du. So geht es aber durch diese Liturgie, je mehr sie voranschreitet, wie ein Morgendämmern, die ersten Lichter des Ostermorgens leuchten in sie hinein. Wenn der Karfreitag uns die zerschundene Gestalt des Durchbohrten vor die Augen stellt, so erinnert die Karsamstagsliturgie viel eher an das Kreuzbild der alten Kirche: an das Kreuz, das von Lichtstrahlen umgeben ebensosehr Zeichen des Todes wie der Auferstehung ist.

So kann uns aber der Karsamstag noch einmal auf eine Seite christlicher Frömmigkeit hinweisen, die uns im Laufe der Zeit vielleicht allzusehr aus dem Bewusstsein abhanden kam. Wenn wir heute betend auf das Kreuz hinschauen, sehen wir darin meist ausschließlich einen Verweis auf die geschichtliche Passion des Herrn auf Golgotha. Aber der Ursprung der Kreuzesfrömmigkeit ist ein anderer: Die Christen beteten nach Osten gewendet zum Zeichen ihrer Hoffnung darauf, dass Christus, die wahre Sonne, aufgehen werde über der Geschichte, zum Zeichen also ihres Glaubens an die Wiederkunft des Herrn. Das Kreuz ist zunächst mit dieser Ostung des Gebetes eng verbunden, es wird dargestellt gleichsam als das Feldzeichen, das dem König bei seiner Ankunft vorangetragen wird, im Kreuzbild ist geradezu die Spitze des Zuges schon in der Mitte der Betenden angelangt. So ist für die frühe Christenheit das Kreuz vor allem Zeichen der Hoffnung, nicht so sehr Zuwendung zum Vergangenen als Hinwendung zum kommenden Herrn. Gewiss entbehrte es nicht einer tiefen Notwendigkeit, daß mit der fortschreitenden Entwicklung immer stärker der Blick sich zurückwandte auf das Geschehene: Gegen alle Verflüchtigung ins Geistige, gegen das Wegdeuten der Fleischwerdung Gottes, mußte die bestürzende Verschwendung der Liebe Gottes verteidigt werden, der um des armseligen Geschöpfes Mensch willen selbst ein Mensch geworden war - und welch ein Mensch! Es mußte die heilige Torheit der Liebe Gottes verteidigt werden, der nicht ein Machtwort gesprochen, sondern den Weg der Ohnmacht gewählt hatte, um unsern Machttraum zu beschämen und von innen her zu überwinden.

Aber haben wir darüber nicht allzusehr den Zusammenhang von Kreuz und Hoffnung, die Einheit von Kreuzrichtung und Ostung, von Vergangenheit und Zukunft im Christlichen vergessen? Der Geist der Hoffnung, den die Gebete des Karsamstags atmen, sollte unser ganzes Christsein neu durchdringen. Christentum ist nicht bloß eine Religion des Vergangenen, sondern ebenso des Zukünftigen; sein Glaube ist zugleich Hoffnung, weil Christus nicht nur der Gestorbene und Auferstandene, sondern auch der Kommende ist.
Herr, lass dies Geheimnis der Hoffnung hineinleuchten in unsere Seele, lass uns das Licht erkennen, das ausgeht von deinem Kreuz, lass uns als Christen vorwärts gehen, dem Tag deines Aufgangs entgegen. Amen.


Die Auferstehung.

GEBET

Herr Jesus Christus, im Dunkel des Todes hast Du Licht werden lassen, im Abgrund der tiefsten Einsamkeit wohnt nun für immer die bergende Macht Deiner Liebe, inmitten Deiner Verborgenheit dürfen wir das Alleluja der Geretteten singen. Gib uns die demütige Einfalt des Glaubens, der sich nicht beirren lässt, wenn Du uns in die Stunden des Dunkels, der Verlassenheit rufst, wo alles fraglich zu werden scheint; gib uns in dieser Zeit, da Deine Sache wie im Todeskampfe liegt, Licht genug, um Dich nicht zu verlieren; Licht genug, damit wir andern Licht werden können, die dessen noch mehr bedürfen. Lass das Geheimnis Deiner österlichen Freude wie eine Morgenröte hineinleuchten in unsere Tage, lass uns wahrhaftig österliche Menschen sein inmitten des Karsamstags der Geschichte. Lass uns durch die hellen und dunklen Tage dieser Zeit hindurch frohgemut unterwegs sein hin zu Deiner kommenden Herrlichkeit.
Amen.


Aus: Joseph Ratzinger, Meditationen zur Karwoche, Kyrios-Verlag, Freising 1969; die drei Meditationen wurden veröffentlicht in Die Angst vor einer Abwesenheit, Beilage zu 30Tage, Nr. 3, März 1994



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Lesermeinungen

 kreuz 25. März 2016 

danke für diese Meditationen,

die Ihr -ich erinnerte mich richtig- vor 2 Jahren schon einmal veröffentlicht hattet.
Joseph Ratzinger spricht hier mit 42 Jahren, 1969, bereits so weise und liebevoll, daß man einen uralten Mann hinter den Worten vermuten könnte.

seine bilderreiche Sprache läßt einen an den Wahrheiten und Geheimissen, die er meditiert, teilnehmen.

danke Benedikt!

kath.net/news/45628


6
 

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