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Maria ohne Erbsünde empfangen

8. Dezember 2016 in Interview, keine Lesermeinung
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Theologie schließt Glauben auf - jenseits denkerischen Fastfoods. Interview der Pressestelle des Bistums Regensburg mit dem Dogmatiker Prof. Josef Kreiml. Von Veit Neumann


Regensburg (kath.net/Presse Bistum Regensburg) Auch sogenannte Qualitätszeitungen wissen nicht immer zwischen dem Dogma von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens und ihrer eigenen Empfängnis in Freiheit von der Erbsünde zu unterscheiden. Angesichts des Hochfestes der unbefleckten Empfängnis am Donnerstag, 8. Dezember, hat die Pressestelle des Bistums Regensburg mit dem Dogmatiker Prof. Dr. Josef Kreiml gesprochen. Er ist Priester des Bistums Regensburg und lehrt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten Fundamentaltheologie.

Dr. Neumann: Herr Prof. Dr. Kreiml, steht die Lehre von Maria dem Glauben an Jesus Christus entgegen?

Prof. Kreiml: Nein. Kardinal Leo Scheffczyk (1920-2005) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Marienlehre als Entfaltung der Christuswahrheit anzusehen ist. Ihr Verhältnis zu dem Geheimnis ihres Sohnes war von der Gnade Gottes und vom freien Willen des Menschen bestimmt. In Maria leuchten aber noch andere Glaubensgeheimnisse auf: die Mitverantwortung des Menschen bei der Erlösung, die in jungfräulicher Mütterlichkeit empfangende Kirche, überhaupt: Erlösung und Gnade, die Vollendung des Menschen, die auch das Leibliche umfasst. All diese Glaubenswahrheiten laufen in der Person Marias wie in einer lebendigen Spitze zusammen.

Dr. Neumann: Aha. Gut zu wissen! Aber was hat das jetzt mit der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter zu tun?

Prof. Kreiml: Was das Wesen der Kirche betrifft, so ist sie heilig, auch wenn viele Sünder zu ihr gehören. Dafür – für diese Heiligkeit – ist Maria ein Realbild, also nicht nur eine Idee oder Vorstellung oder gar eine Projektion, sondern eben ein wirkungsvolles Bild, wobei wirkungsvoll nicht nur im Sinne von wirkmächtig gemeint ist, sondern in dem Sinne, dass es tatsächlich so ist, Wirklichkeit ist.

Dr. Neumann: Warum sollte das uns heute interessieren?

Prof. Kreiml: Es gibt uns die Gewissheit, dass die Kirche in ihrem Kern der Heiligkeit auch durch die Sündigkeit ihrer Glieder nicht angetastet werden kann. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat als Theologe geschrieben, dies sei „Ausdruck der Gewissheit des Glaubens, dass es die heilige Kirche wirklich gibt – als Person und in Person“. Maria, die ohne Erbsünde Empfangene, ist als Person die heilige Kirche.

Dr. Neumann: Was heißt das eigentlich, „ohne Erbsünde empfangen“? Um wen geht es: um Maria oder um ihren Sohn, Jesus Christus?

Prof. Kreiml: Die Lehre von der unbefleckten Empfängnis ist etwas anderes als die Lehre von der Jungfrauengeburt. Die unbefleckte Empfängnis bezieht sich (zunächst) nicht auf die Empfängnis Jesu, sondern auf die seiner Mutter Maria, die auf natürliche Weise von ihren Eltern Joachim und Anna gezeugt, empfangen und geboren wurde. Aber, und das ist das Besondere dabei: Sie blieb, als sie, Maria, empfangen wurde, von der Erbsünde frei („ohne Makel“). Der Begriff des Makels bezieht sich allerdings keinesfalls auf die Art der Empfängnis – jungfräulich oder nicht. Ohnehin sind Zeugung, Empfängnis und Geburt nicht mit einem moralischen Makel behaftet.


Dr. Neumann: Wie aber ist dann die Empfängnis ohne Erbsünde zu verstehen?

Prof. Kreiml: Maria wurde erwählt, Gottesmutter zu sein. Also stellt sich die theologische Frage nach dem Anfang ihres Lebens. Beim Dogma von der Bewahrung Marias vor der Erbsünde vom ersten Augenblick ihres Daseins an handelt sich um die ausdrückliche Erfassung der inneren Voraussetzungen der Tatsache der jungfräulichen Gottesmutterschaft. Maria konnte ihr freies Ja nur sprechen unter der Voraussetzung der ihr verheißenen Gnadenfülle. Sie war in ihrer menschlichen Existenz von Anfang an von der Gnade Jesu Christi derart umfasst, dass sie von der Erbsünde nicht befreit werden musste, sondern vor ihr bewahrt blieb. Die Gnade Jesu Christi hebt die Erbsünde auf.

Dr. Neumann: Bitte das Ganze auch für Nicht-Theologen!

Prof. Kreiml: Die Zustimmung Marias zu ihrer Berufung wurde vor den Folgen der Erbsünde und vor allen schweren und lässlichen Sünden bewahrt.

Dr. Neumann: Das hört sich ja direkt paradiesisch an …

Prof. Kreiml: Nein, es geht hier nicht um die Gnade des paradiesischen Urstandes.

Dr. Neumann: Worum geht es dann?

Prof. Kreiml: Um die Erlösungsgnade Christi, die den Willen und das Handeln Marias trägt. Ausgangspunkt der gläubigen Erfahrung mit Maria, die zum Dogma von 1854 führte, ist die Eva-Maria-Gegenüberstellung und der Glaube der jungfräulichen Gottesmutter. Zur biblischen Begründung des Dogmas von der Erbsündenfreiheit Marias können keine direkten Schriftzeugnisse angeführt werden. Es lassen sich aber Texte nennen, die diese verbindliche Glaubenslehre einschließen, auch wenn sie darin noch unentfaltet ist. Von Bedeutung sind dabei jene Zeugnisse, die alles Geschehen in der Welt im erwählenden Ratschluss Gottes verankert sehen, wie etwa die im Mutterleib anhebende Berufung der Propheten (Jeremias 1,5; Jesaja 49,1). Ähnliches gilt aus neutestamentlicher Sicht für die Kirche. Sie ist vor aller Zeit dazu bestimmt, im Wirkbereich Christi gerecht und heilig zu leben (Epheserbrief 1,3-14). Jede gläubige Existenz ist von Gott gewollt und in ihrer besonderen Eigenart gnadenhaft befähigt. Paulus spricht vom „Maß des Glaubens“ (Römerbrief 12,3), das Gott jedem Menschen zugeteilt hat. Maria ist von Gott erwählt und zur Mutter des Erlösers bestimmt. Nicht nur diese Berufung, sondern auch die Bereitschaft, ihr zu entsprechen, beruht auf einer von Gott geschenkten Gnade. Die Jungfrau bedarf der inneren Zurüstung, um die Messias-Mutterschaft glaubend annehmen und bestehen zu können. Gott selbst ermöglicht ihr die Erfüllung ihres Auftrags, indem er mit ihr ist (vgl. Lk 1,28).

Dr. Neumann: Alles sehr theologisch.

Prof. Kreiml: Ja, aber die Theologie versucht, Glaubensinhalte nachvollziehbar aufzuschließen. Ein denkerisches Fastfood kann es nicht geben. Glaubensgeheimnisse, die die tiefsten Fragen des Lebens betreffen, müssen in Ruhe und Geduld bedacht werden. Dann können sie auch nachvollzogen werden.

Dr. Neumann: Wir könnten aber vielleicht auch auf Bilder zurückgreifen, die in der Theologie eine Rolle spielen können.

Prof. Kreiml: Ja. Ein Beispiel: Mit Bezug auf die Menschwerdung Christi begegnet schon sehr früh die Einsicht, dass die Mutter des Messias als Tempel Gottes besonders geheiligt und von der Sünde gereinigt werden musste.

Das Interview führte Dr. Veit Neumann

Was das Lehramt sagt ...

Papst Sixtus IV. führte 1477 das Fest der „Unbefleckten Empfängnis“ am 8. Dezember ein. Mit Blick auf die große Marianische Bewegung des 19. Jahrhunderts ließ Papst Pius IX. 1849 eine Umfrage im Weltepiskopat durchführen. Von 603 Bischöfen sprachen sich 546 für eine Dogmatisierung der Lehre von der unbefleckten Empfängnis aus. In der Bulle „Ineffabilis Deus“ vom 8. Dezember 1854 erklärte er dann: „Die Lehre, dass die allerseligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis aufgrund einer besonderen Gnade und Auszeichnung von Seiten des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, vor jedem Makel der Erbsünde bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und muss deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft geglaubt werden.“ Damit brachte Papst Pius IX. die frömmigkeits- und dogmengeschichtliche Entwicklung dieser Glaubenslehre zum Abschluss.

Das Zweite Vatikanische Konzil sieht in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium (56) Maria „vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit“. Maria ist „mit allen erlösungsbedürftigen Menschen in der Nachkommenschaft Adams verbunden“. Aber sie ist „im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst und mit ihm in enger und unauflöslicher Verbindung geeint“. Wurde sie doch mit der „höchsten Aufgabe und Würde beschenkt, die Mutter des Sohnes Gottes und daher die bevorzugt geliebte Tochter des Vaters und das Heiligtum des Heiligen Geistes zu sein“ (LG 53).

Wenn Künstler die unbefleckt Empfangene gestalten ...

Die ohne Erbsünde empfangene Gottesmutter Maria wird immer wieder als Figur künstlerisch anspruchsvoll dargestellt – nicht zuletzt zu Zwecken der Verehrung. Dieser ikonographische Typus ist dabei allerdings nicht einheitlich. Unterschieden wird vor allem zwischen einer lieblich-weiblichen Immaculata als der „tota pulchra“, also: zwischen der ganz und gar Schönen sowie einer „Maria vom Siege“. Zur Maria vom Siege gehören wechselweise diverse Attribute, als da sind: eine Kreuzeslanze, die dem Christuskind in die Hand gegeben ist oder die gelegentlich Maria selbst trägt. Maria ihrerseits trägt das Christuskind. Und die Lanze durchbohrt die Schlange. Die Schöne Maria ist etwa mit langen Haaren dargestellt, überhaupt recht lieblich, fraulich und mit einem Ehrengewand angetan.

Während der Katholischen Reform (einer Reaktion vor allem im 17. Jahrhundert auf die Reformation sowie eine innere Neuordnung und Neuaufstellung der römisch-katholischen Kirche) wurde die apokalyptische Frau aus der Offenbarung des Johannes zum Bild der Immaculata schlechthin. Die „Frau“ in der Offenbarung wird auf der einen Seite mit astralen Zeichen beschrieben. Attribute bzw. Haltungen sind, dementsprechend: Sie steht auf der Mondsichel, trägt einen Sternenkranz rund um ihr Haupt und ist von der Sonne umgeben. Zum anderen steht sie im Kampf gegen Satan, der in Gestalt eines Drachens erscheint. Auch das Bild der Frau als Schlangen(zer)treterin aus der Genesis findet Einzug in die Immaculata-Darstellungen. Beide Motivsphären, die astralen Zeichen und der Sieg über Drache oder Schlange, verdeutlichen den Sieg der Gottesmutter über Sünde und Häresie. Die Mondsichel („lunula“) symbolisiert beispielsweise die Vergänglichkeit der Welt. Maria, die unbefleckt Empfangene, steht über dieser Mondsichel. Das Zertreten der Schlange verweist auf den Sündenfall. Maria erscheint als neue Eva, die den Erlöser Jesus Christus zur Welt bringt.

Impression von der Darstellung der Immaculata vor dem Oratorium in Aufhausen


Foto oben (c) Bistum Regensburg


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