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'Mossul ist befreit, aber der Kampf geht weiter'

4. August 2017 in Interview, 1 Lesermeinung
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Ein Interview von "Kirche in Not" mit Amil Shamaaoun Nona der chaldäisch-katholische Erzbischof von Mossul


Irak (kath.net)
Der 6. August 2014 hat sich unauslöschlich in das Gedächtnis der Christen der irakischen Ninive-Ebene rund um die Metropole Mossul eingebrannt. In jener Nacht rückten die Terroreinheiten des „Islamischen Staates“ unaufhaltsam vor. Die kurdischen Peschmergatruppen, eigentlich zum Schutz der Bewohner abkommandiert, streckten die Waffen und zogen sich mit nur 30 Minuten Vorwarnung zurück. Die 120 000 Christen in Mossul und den mehrheitlich christlichen Dörfern der Ninive-Ebene waren ihrem Schicksal überlassen.

Damals war Amil Shamaaoun Nona der chaldäisch-katholische Erzbischof von Mossul. Heute wirkt er von Australien aus in den Diasporagemeinden Ozeaniens, die viele irakische Flüchtlinge aufgenommen haben. Seine frühere Bischofsstadt Mossul ist seit einigen Wochen vom IS befreit. Doch der Erzbischof sieht noch einen anderen Kampf auf die dortige Bevölkerung zukommen.
Maria Lozano von der Päpstlichen Stiftung „Kirche in Not“ hat mit ihm gesprochen.

Maria Lozano: Herr Erzbischof, was waren Ihre ersten Gefühle, als Sie von der Befreiung Mossuls hörten?
Erzbischof Amil Shamaaoun Nona: Es klingt vielleicht seltsam, aber als ich die Nachricht hörte, kamen die Erinnerungen an unseren letzten Tag in Mossul wieder hoch, als wir innerhalb weniger Stunden fliehen mussten und der Kampflärm des IS immer näher rückte. Als ich jetzt von der Befreiung erfuhr, musste ich unablässig an unsere Leute denken: Wo sind sie jetzt? Was ist in den letzten drei Jahren mit unseren Kirchen und dem christlichen Erbe Mossuls geschehen?


Es ist jetzt drei Jahre her, dass Sie und zehntausende Christen aus Mossul fliehen mussten. Sicher eine traumatische Erinnerung …
Die Nacht vom 6. August 2014 war der furchtbarste Moment in meinem Leben. Ich war so voller Angst um meine Gemeinde, vor allem um die Mädchen aus dem Waisenhaus unserer Diözese und die vielen Mütter, die allein mit ihren Kindern lebten. Ich versuchte alles, um ihnen die Flucht zu ermöglichen. Gott sei Dank haben wir es geschafft, die Mädchen und die Mütter aus der Stadt herauszubringen. Ich war sehr glücklich, als ich erfuhr, dass sie in Sicherheit sind.

Was denken Sie: Ist Mossul nach drei Jahren IS-Herrschaft wirklich befreit? Viele Beobachter sagen: Selbst wenn jetzt die Kämpfer weg sind – die Indoktrination in den Köpfen der Einwohner bleibt.
Man kann nicht einfach sagen, der IS sei besiegt. Der IS ist nicht nur eine Kampftruppe, sondern eine Ideologie. Das führt zu einer Gesellschaft, die denkt, sie habe das Recht zu tun, was sie will. Denn sie sind der Überzeugung, ihr Glaube sei der einzig richtige und müsse deshalb den anderen aufgezwungen werden. Mossul ist zwar militärisch befreit, aber der Kampf geht weiter: Es gilt, die Wurzel dieser brutalen und unmenschlichen Denk- und Handlungsweise zu besiegen. Die Christen können nicht einfach ein normales Leben wiederaufnehmen, wenn die Gesellschaft, die eine Ideologie wie den IS hervorgebracht hat, heute noch dieselbe ist wie vor drei Jahren.

Glauben Sie, dass die Christen nach Mossul zurückkehren werden?
Es ist noch zu früh, um das sagen zu können. Erst muss es einen Überblick geben, wie massiv die Zerstörungen sind. Aber ich beobachte mit Freude, dass in den Ortschaften der Ninive-Ebene der Wiederaufbau im Gange ist und immer mehr Familien zurückkommen. „Kirche in Not“ ist mit vollem Einsatz dabei. Und auch wir von der chaldäischen Diözese in Australien versuchen, unseren irakischen Geschwistern so gut es geht zu helfen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Christen im Irak?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt so viele Belastungen, traumatische Erinnerungen und Not. Aber ich hoffe und bete, dass die Christen im Irak bleiben und sich wieder eine gute Zukunft aufbauen können.

Das wird auch sehr von der Solidarität aus dem Ausland abhängen …
Ja, das ist meine Botschaft, vor allem an die Christen: Die Menschen im Irak sind Ihre Brüder und Schwestern, die in extremer Not sind. Also helfen Sie Ihnen bitte dabei, dass sie ihre Heimat wiederaufbauen können. Seit 2000 Jahren leben Christen im Irak. Es besteht die Gefahr, dass sie jetzt alles verlieren, wenn sie keine Unterstützung bekommen. Helfen Sie Ihnen, zu bleiben und als Christen in diesem Land zu leben!


„Kirche in Not“ unterstützt den Wiederaufbau in neun christlichen Dörfern der irakischen Ninive-Ebene. Dort sind rund 13 000 Gebäude beschädigt oder komplett zerstört. Die Gesamtkosten für den Wiederaufbau betragen rund 250 Millionen US-Dollar.
„Kirche in Not“ hat ein Wiederaufbau-Komitee ins Leben gerufen, in dem die syrisch-katholische, die chaldäisch-katholische und die syrisch-orthodoxe Kirche vertreten sind. Aktuellen Angaben des Komitees zufolge sind bereits 599 Familien in die Ninive-Ebene zurückgekehrt, 342 Häuser sind wieder instand gesetzt.

Rund 90 000 Christen halten sich nach wie vor als Binnenflüchtlinge rund um die kurdische Hauptstadt Erbil im Nordirak auf. „Kirche in Not“ unterstützt die Menschen dort mit Lebensmittel- und Medikamentenspenden, hilft bei der Anmietung von Wohnraum und hat acht Schulen für Flüchtlingskinder errichtet.

Um das Überleben der christlichen Minderheit in einer der Ursprungsregionen des Christentums zu erhalten, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – entweder online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Irak

Weitere Informationen zum Wiederaufbauprogramm der christlichen Kirchen im Irak unter dem Vorsitz von „Kirche in Not“ finden sich auf der englischsprachigen Website: www.nrciraq.org

Foto: (c) KIN


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Lesermeinungen

 goegy 4. August 2017 
 

Etwas vom Schmerzlichsten in dieser beschämenden Angelegenheit ist, dass der - mittlerweile stark ent-christlichte - Westen nicht in der Lage, resp. nicht Willens, war, die bedrängten Glaubensbrüder zu schützen.
Laizistisch-sozialistischen Regierungen, wie der
in Paris, war das Schicksal der orientalischen Christen naturgemäss gleichgültig.

Leider zeigten auch reformatorisch geprägte Machtzentren wie Washington u. Berlin wenig aktive Hilfsbereitschaft. Obwohl man sich gerne auf die jüdisch-christliche Kultur und Tradition beruft, war kaum etwas von tatkräftigem Mitleid zu spüren.

Niemand soll erzählen, dass die Obama-Regierung nicht in der Lage gewesen wäre, die Christen zu schützen. Schliesslich gelang es ihr sogar, mit französischer Hilfe, Gaddafi u. sein Regime zu stürzen.


6
 

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