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100 Jahre Oktoberrevolution: ‘Jetzt gibt es keine Kirche mehr’

11. November 2017 in Chronik, 3 Lesermeinungen
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Nach Auffassung von Bischöfen und Historikern begann mit dem Putsch der Bolschewiken 1917 die "schlimmste Verfolgung" des Christentums aller Zeiten - Ein 1.000 Seiten starkes Buch soll das belegen - Korrespondentenbericht von Roland Juchem.


Rom (kath.net/ KAP)
Es scheint fast unwirklich, als im kalten Licht des großen Hörsaals an der Päpstlichen Universität Gregoriana Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz vorn am Podium die Stimme bricht. Er spricht Russisch. So müssen die meisten der rund 200 Zuhörer in den Bankreihen erst die Übersetzung abwarten, um zu wissen, wovon der 71-Jährige spricht. "Es war am 16. November 1961, als sie in meiner Heimatstadt Hrodna in Weißrussland die Kirche in die Luft sprengten", berichtete der Erzbischof von Minsk stockend. "Wir rannten zum 'Platz der Sowjetunion', sahen die Trümmer und den Rauch. Ein Polizist bemerkte verächtlich: 'Jetzt gibt es keine Kirche mehr'."

Dass es nach etlichen Jahrzehnten kommunistischen Terrors Kirche und Christentum in Osteuropa heute immer noch gibt, verdankt sie nach Aussage von Jan Mikrut eher den Glaubenszeugnissen Millionen einfacher Christen als der Diplomatie der vatikanischen Kurie. Der aus Polen stammende Gregoriana-Professor und zuvor langjährige Leiter des Wiener diözesanen Heiligsprechungsreferats hat soeben ein Buch herausgegeben, dass auf gut 1.000 Seiten der Geschichte der katholischen Kirche in der Sowjetunion nachgeht. Sein Fazit: "Nie hat es eine solch gewalttätige, systematische und entschlossene Bekämpfung religiösen Glaubens gegeben wie in der UdSSR."


38 meist mittel- oder osteuropäische Autoren behandeln in dem Band die Zeit zwischen Oktoberrevolution und Perestroika. Teils systematisch - als Historiker, Theologen und Politologen -, teils in Form gesammelter persönlicher Berichte einfacher Gläubiger wie prominenter Bischöfe. Darunter etwa die Erzbischöfe Jossyf Slipyj (1892-1984) aus der Ukraine oder Eduard Profittlich (1890-1942) aus Estland.

Seine eigenen Erfahrungen als Kind, Student sowie als Priester und später Bischof der griechisch-katholischen Untergrundkirche schildert Irynej Bilyk. Nüchtern und fast schüchtern erzählt der ehemalige Bischof von Bucac in der Ukraine, heute als Kanoniker an Santa Maria Maggiore in Rom tätig, von der für die Glaubensweitergabe fast sprichwörtlich wichtigen Großmutter. "Die Oma hat uns Geschichten von Jesus erzählt, uns kirchliche Feste erläutert. Sie fastete mittwochs und freitags, brachte zu Ostern ein geweihtes Osterei mit."

Nach dem Militärdienst Anfang der 70er Jahre - an dieser Stelle lässt der Bischof Bilder von sich als junger Mann in Uniform an die Wand werfen - entschloss sich Irynej Bilyk, Priester zu werden. Und von da an verlief der Teil seines Lebens, der ihm wesentlich war, im Untergrund. Einzeln betraten er und seine künftigen Mitbrüder nachts das Haus einer vertrauenswürdigen Familie und erhielten dort einzeln Theologieunterricht. So wie sie später in entfernte Dörfer geschickt wurden, um Messe zu feiern, wo sie niemand kannte.

Alles, damit niemand sie verraten könne. Die Messtexte von Hand ins Notizbuch zwischen Telefonnummern geschrieben, ein Wasserglas als Kelch. "Erst als meine Mutter starb, konnte ich ihr sagen, dass ich schon sechs Jahre lang Priester war", bekennt Bilyk. Ende 1989 dann besucht Michail Gorbatschow Johannes Paul II. in Rom. Danach konnte die Kirche langsam ihre Katakomben verlassen, sich offiziell registrieren lassen. Bilder des Papstes aus Polen mit den ukrainischen Untergrundbischöfen, die Bilyk ebenfalls zeigt, strahlen stillen Triumph aus. Bis heute scheint der 67-Jährige davon zu zehren.

Sein Buch über die Kirche in der Sowjetunion ist Jan Mikruts fünfter Band einer Reihe über das Christentum in Mittel- und Osteuropa. Erst im Februar hatte er ein Werk mit Glaubenszeugnissen aus kommunistischer Zeit vorgelegt. Anfang 2019 soll ein weiterer über die Kirche in der Nazizeit folgen.

1917 - daran wird in der Aula Magna der Gregoriana auch erinnert - war nicht nur das Jahr der Oktoberrevolution, sondern auch der Erscheinungen von Fatima. Und so erklärt Erzbischof Kondrusiewicz am Ende, und längst hat sich seine Stimme wieder gefangen: "Wir sind Zeugen, wie sich die Prophezeiung von Fatima bewahrheitet hat." - "Von wegen 'Die Kirche gibt's nicht mehr'", zitiert er den Polizisten von der Kirchensprengung in seiner Heimatstadt - und er lächelt erwartungsvoll zum Übersetzer herüber, der auch dies dem meist westeuropäischen Publikum sagen soll.

Copyright 2017 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich (www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten


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Lesermeinungen

 SCHLEGL 12. November 2017 
 

@Uwe Lay

Über dieses Thema kann man im Buch "die Ostpolitik des Vatikan" von Hans Jakob Stehle Interessantes nachlesen.Nachdem Lenin an die Macht gekommen war,wurde zunächst die orth. Staatskirche,die mit der zaristischen Ochrana zusammengearbeitet hatte,verfolgt. In der Sowjetunion gab es vor der Revolution 84.000 Kirchengebäude. In den 20.er Jahren,des 20.Jh. vereinbarte Rom sogar mit dem sowjetischen Außenminister Tschitscherin Nahrungsmittelhilfe!Auf den Eisenbahnwaggons stand "Der römische Papst für das russische Volk".
Das Blatt wendete sich, als Stalin seine Macht gefestigt hatte, alle katholischen (polnischen)Bischöfe wurden inhaftiert,die meisten kamen in Lagern um.Patriarch Tychon wurde wahrscheinlich ermordet.
Während des II. Weltkriegs brachte Stalin die orth. Kirche auf Linie unter dem Metropoliten Sergij.Seit damals war die russische Kirche ein Teil des NKWD/KGB, der Bischöfe ernannte.Es gab im Untergrund eine geringe Zahl orth.Geistlicher,die da nicht mitmachten.Msgr.F. Schlegl


2
 
 Uwe Lay 11. November 2017 
 

Eine kleine Frage

Ist nach der Oktoberrevolution hauptsächlich die Katholische Kirche in Rußland verfolgt worden und auch andere Nicht- Russisch- Orthoxe Konfessionen oder ist die Russisch Orthodoxe auch so sehr verfolgt worden, bzw. hat Stalin noch so intensiv wie vordem Lenin die Russisch-Orthodoxe Kirche bekämpft?
Uwe C. Lay Pro Theol Blogspot


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 Bernhard Joseph 11. November 2017 
 

Stalin hat 10 Tausende Priester ermorden lassen

Der Historiker Jörg Baberowski beschreibt in seinem Buch "Verbrannte Erde - Stalins Herrschaft der Gewalt" den Wahnsinn der Bolschewiki. Stalin war ein Sadist und hat sich mit Sadisten in seinem engsten Freundeskreis umgeben, was ihn nicht hinderte, auch diese irgendwann ermorden zu lassen, wenn es ihm gerade in den Sinn kam.

Die Hohlheit marxistischer Ideologie hat im Bolschewismus ihren bösartigsten Ausdruck gefunden und vor Augen geführt, was passiert, wenn sich der Mensch zum Herren über die Schöpfung aufschwingt.

Immer noch wird der Kommunismus verharmlost und teils sogar romantisiert, wobei in ihm der gleiche Terror obwaltete wie im Nationalsozialismus. Jeder weltliche Messianismus muss irgendwann in Terror ausarten, weil er einen neuen Menschen voraussetzt, den man erst schaffen muss, wobei der "alte" Mensch vorher beseitigt - sprich ermordet - werden muss. Genau diese Logik hatten die Bolschewiki und daher war ihnen der ihrer Ideologie konträre christliche Glaube verhasst.


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