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27. März 2019 in Kommentar, 10 Lesermeinungen
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"Kritik an der Kirche ist Entfremdung vom Evangelium." Gastbeitrag von Thorsten Paprotny


Hannover (kath.net) Die maßlose „Kritik an der Kirche geht mit einer Entfremdung vom Evangelium Hand in Hand“. So urteilte der Konzilstheolge Henri de Lubac, vor fünfzig Jahren, als er die kleine Schrift „L’Église dans la crise actuelle“ (= „Die Kirche in der aktuellen Krise“) publizierte. Es ist ein aus heutiger Sicht prophetischer Text. Die deutsche Übersetzung erschien ein Jahr später unter dem Titel: „Krise zum Heil?“

An einige Aspekte, die de Lubac 1969 anspricht, möchte ich erinnern. Der „alte Gegensatz zwischen Kirche und Evangelium“ sei ein „wohlfeiles Thema“. Die Kirche sei „zu keiner Zeit und an keinem Ort in ihren Gliedern vollkommen treu“ gewesen. Die Sünde verschone die getauften Christen und darum auch die Kirche nicht. Die Kirche besteht aus Sündern, aber die Kirche selbst ist nicht sündig, sondern heilig. Wäre die Kirche nicht heilig, müssten wir das Credo umschreiben. Wäre die Kirche nicht heilig, bräuchten wir sie dann noch? Der Kirche gehören Sünder an, ja. Unter den Sündern gibt es auch Heilige. Ebenso üben viele Sünder, so können wir sagen, Kritik an der Kirche, immer wieder. Ist die Kirche heute deswegen gefährdet?

1969 sagte Henri de Lubac energisch, die Kirche sei in Gefahr, wenn …

… jeder Beliebige in der Kirche alles Beliebige an der Kirche kritisiere und die Kritik als seine Berufung erkenne
… jeder unter Berufung auf seine Mündigkeit Disziplin, Dogma und Sittengesetz über Bord werfe
… wenn sogar ein Theologe zum „Agitator“ werde
… wenn ein Theologe sich als „oberste Instanz aufspielt“ und „seine persönliche >Wissenschaft< als Norm für den Glauben hinstellt“
… wenn der Papst verhöhnt, geschmäht und angegriffen werde


Wenn dieses alles eintreten sollte, so Henri de Lubac, „dann muß die Kirche sich notwendig auflösen“. Er schreibt weiter: „Diejenigen, die gegenwärtig zu solchen Maßlosigkeiten sich versteigen, wissen nicht, was sie tun. Welchen Vorwand sie immer geltend machen: Sie kehren dem Evangelium den Rücken. Sie geben im wahrsten Sinne des Wortes vielen ihrer Brüder Ärgernis. Sie fördern, ob sie wollen oder nicht, ein wildes Wuchern kleiner Gruppen, deren sektiererische Forderungen und Ansprüche nur ihrer geistlichen Armut gleichkommen. Sie beschimpfen alle, die einen Sinn für die Verpflichtung des christlichen Namens bewahren. Sie betrüben alle Gutgesinnten. Soweit es an ihnen liegt, untergraben sie die Kirche; denn eine Kirche, in der eine solche Unordnung um sich greifen und in der solche Sitten sich durchsetzen würden, wäre dem Untergang geweiht.“ (zum Nachlesen: Henri de Lubac, Krise zum Heil?, Morus Verlag Berlin 2002, S. 69–71)

Hat der Theologe recht damit? Ich bin etwas gelassener, aber das liegt vielleicht an meiner Naivität. Es gibt doch das Gute, das Große, das Frohmachende – auch in Krisenzeiten. Henri de Lubac selbst erinnert positiv an das Beispiel der Demütigen, die scharfsichtiger sein können als alle, die sich in allen Fragen des christlichen Denkens und Handelns für scharfsichtig halten.

Rudolf Voderholzer, damals Habilitand in München, heute Bischof von Regensburg, schrieb einleitende Worte zu dem Buch: „So wie es keine Kenntnis von Christus und keine Gemeinschaft mit Christus gibt ohne die Kirche oder an der Kirche vorbei, so gibt es auch keine Vertiefung der Liebe zu Christus ohne eine Vertiefung der Liebe zur Kirche.“ (S. 16 f.) Ein getaufter Christ – 1969 wie 2019 – liebt die Kirche von ganzem Herzen, biblisch gedacht – mit seiner ganzen Person. Der Christ kann gar nicht anders. Denken können wir dabei auch an den Apostel Paulus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.“ (Röm 14,8) Unserem Herrn Jesus Christus begegnen wir in der Kirche des Herrn. Wer über Jesus Christus, über die DNA des Christentums, mehr wissen möchte, höre sich zur Stärkung im Glauben diese Predigt von Pater Engelbert Recktenwald an. Wir sind, scheint mir, nicht dazu berufen, wie vor 10, 20, 30, 40 oder 50 Jahren die Kirche zu kritisieren und zu bekennen: „Jesus ja – Kirche nein“, sondern einfach nur dankbar das Credo zu sprechen und Christus und Seine Kirche immer mehr zu lieben.

Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998-2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte 2018 den Band „Theologisch denken mit Benedikt XVI.“ im Verlag Traugott Bautz und arbeitet an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.

kath.net-Buchtipp
Theologisch denken mit Benedikt XVI.
Von Thorsten Paprotny
Taschenbuch, 112 Seiten
2018 Bautz
ISBN 978-3-95948-336-0
Preis 15.50 EUR

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