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„Von Seiner Liebe umfangen“

5. Mai 2020 in Chronik, 14 Lesermeinungen
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Am Montag verstarb die große katholische Philosophin Alma von Stockhausen im fränkischen Wallfahrtsort Heroldsbach. Gastbeitrag von Michael Hesemann


Heroldsbach (kath.net) In den frühen Morgenstunden des 4. Mai verstarb eine der größten Philosophinnen unserer Zeit, Prof. Dr. Alma von Stockhausen, im fränkischen Wallfahrtsort Heroldsbach nach einer schweren Krebserkrankung. Die Gründerin der Gustav-Siewerth-Akademie wurde 92 Jahre alt. Ihr großes Lebensthema, das sie seit Jahrzehnten auch mit dem späteren Papst Benedikt XVI. verband, war der Brückenbau zwischen Glaube und Vernunft. Zu ihren Schülern gehören hunderte Priester und namhafte Theologen.

Alma von Stockhausen wurde am 30. September 1927 im westfälischen Münster geboren. Ihr Vater war Franz Eduard von Stockhausen, ein prominenter Rechtsanwalt und Historiker, dabei tief im christlichen Glauben verwurzelt. Obwohl im Staatsdienst, konterte er dem damals herandämmernden braunen Zeitgeist und bezog aus dem täglichen Besuch der Heiligen Messe seine Kraft. Schließlich zog er nach Aschendorf in das urkatholische Emsland, wo er zumindest keine Repressalien zu fürchten brauchte. Hitlers „Mein Kampf“ setzte er das epochale Werk „Europas Kampf um Christus. Die Geschichte der christlichen Bewegung“ entgegen und auf das „Heil Hitler!“ nationalsozialistischer Kreisbeamter antwortete er stets mit einem ganz und gar nicht norddeutschen „Grüß Gott!“

Ihre Mutter, eine geborene Gräfin von Bernstorff, hatte – für eine Frau dieser Zeit eine Seltenheit – Philosophie studiert, um ihre Glaubensfragen zu klären. Bereits ihre Großmutter war, zum Schrecken der protestantischen Dynastie, zum katholischen Glauben konvertiert und auch sie wollte diesen Glauben mit den Methoden der Geisteswissenschaften überprüfen. Dabei fand sie nicht nur zu Christus, sondern lernte auch ihren Mann kennen. Sechs Kinder gingen aus dieser Ehe hervor, zwei Mädchen und vier Jungen, von denen drei Priester wurden. Der Jüngste, Pater Dietrich von Stockhausen, betreute jahrelang deutsche Pilger in Medjugorje und leitete vor seiner Emeritierung die Gebetsstätte Heroldsbach. „Ich hatte wirklich heilige Eltern“, erinnerte sich die Professorin immer wieder in großer Dankbarkeit, „wir Kinder versuchten, ihnen nach Kräften nachzueifern. Sie wurden zu meinen größten Lehrern.“

Alma dagegen, die schon als Schülerin Kant las, war von der Philosophie fasziniert, mit der sie ihren Glauben überprüfen wollte und schließlich, ganz wie ihre Mutter, bestätigt fand. Als sie zehn Jahre alt war, kam es in Heede, in unmittelbarer Nähe von Aschendorf, zu Marienerscheinungen. Ihr Vater wurde konsultiert, als man die Seherkinder verhörte. Jeder Versuch der Gestapo, die vier Mädchen dauerhaft in die Psychiatrie einzuweisen, scheiterte; die Erscheinungen dauerten bis 1941 an. Geradezu schicksalhaft ist, dass Alma von Stockhausens Weg sie schließlich nach Heroldsbach führte, wo es zwischen 1949 und 1952, in den Gründerjahren der Bundesrepublik, ebenfalls zu heftig umstrittenen Marienerscheinungen kam. Man kann sagen, dass der Segen der Gottesmutter sie von Anfang bis Ende auf ihrem Lebensweg begleitete. Doch dieser Weg führte über die Wissenschaft, über eine gründliche und kritische Reflexion der deutschen Philosophie, die zur Grundlage auch jedes Theologiestudiums gehört. So studierte sie ab 1946 in Münster, dann in Göttingen und Freiburg Philosophie, Theologie und Geschichte, wurde Schülerin des großen Martin Heidegger, den sie später widerlegte, und fand ihren wahren Meister in Gustav Siewerth, dessen christliche Metaphysik auf Thomas von Aquin zurückging. Auch Alma von Stockhausen hatte bereits 1954 bei Max Müller über Thomas von Aquin promoviert.


Nach ihrer Habilitation lehrte sie ab 1962 an der Universität Freiburg Philosophie, wo sie 1968 in die Turbulenzen der Studentenrevolte geriet. Immer wieder wurden ihre Vorlesungen von linken Studenten gesprengt, bis eine geregelte Lehrtätigkeit unmöglich wurde. Sie reagierte auf ihre Weise mit Herzenswärme, kühlem Verstand und einer gehörigen Portion Mut. Zunächst lud sie die überzeugten Marxisten zum Essen, dann in ihr Haus im Südschwarzwald ein, wo sie ihnen dezidiert Marx widerlegte und ihnen den christlichen Glauben nahebrachte – nicht wenige wurden damals bekehrt. Aus diesen privaten Seminaren, zu denen immer häufiger namhafte Wissenschaftler, Philosophen und Theologen kamen, entstand schließlich die Gustav Siewerth-Akademie, die bald als „Deutschlands kleinste Hochschule“ bekannt wurde. Sie wurde 1988 als wissenschaftliche Hochschule in privater Trägerschaft staatlich anerkannt. Auch katholische Journalisten wurden hier von keinem geringeren als dem Historiker Guido Knopp ausgebildet und Nobelpreisträger wie John Eccles gehörten zu ihren Gästen. In kleinem, persönlichen Rahmen lernten so die Studenten von hochkarätigen Experten, die meist ehrenamtlich in Blockvorlesungen in Bierbronnen wirkten. Zum akademischen Leben gehört hier auch, dass nicht nur gemeinsam und mit allen Lehrkräften diskutiert, sondern ebenso gemeinsam gegessen und gebetet wird. Zudem zeichnet sich die Gustav Siewerth-Akademie durch hochkarätige Sommerakademien aus, die sich dem Dialog der Theologie mit der deutschen Philosophie, der Rolle Marias in der Heilsgeschichte, Darwins Evolutionshypothese im Licht der biblischen Schöpfungslehre oder, so im letzten Jahr, der Paul VI.-Enzyklika Humanae Vitae widmeten. „Sie verstand es, eine aus der Sehnsucht nach Wahrheit drängende Glaubenstiefe mit der Präzision eines hellwachen Geistes in unbestechlicher Klarheit zu verbinden“, beschrieb der Journalist Martin Lohmann eine ihrer Vorlesungen, „wer dieser Gelehrten, die mit großer Achtsamkeit anderen zuzuhören verstand, zuhörte, konnte die Frische eines geradlinigen Geistes aufgeklärter Aufklärung regelrecht verkosten.“

Zu ihren „Geburtshelfern“ und regelmäßigen Gästen gehörte der Regensburger Theologe Professor Joseph Ratzinger, der auch als Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation, ja sogar als Papst der Gustav Siewerth-Akademie freundschaftlich verbunden blieb. In einem Gratulationsbrief zu Alma von Stockhausens 90. Geburtstag, den sie 2017 feierte, erinnerte sich Benedikt XVI. an die vielen persönlichen Gespräche in Bierbronnen, „in denen Sie Ihre philosophische Vision entwickelten, die schließlich bis ins Geheimnis des lebendigen Gottes hineinreicht, die die Vernunft des Glaubens als Frucht der Anstrengung des Denkens sichtbar werden lässt. So ist dann in Bierbronnen die Gustav-Siewerth-Akademie entstanden, die vielen jungen Menschen Wegweisung wurde und trotz aller Schwierigkeiten noch immer einen wichtigen Dienst für das Zueinander von Denken und Glauben leistet“. Zuletzt besuchte die damals 91jährige den gleichaltrigen „Papa emerito“ noch im Mai 2019 in seinem Alterswohnsitz in den vatikanischen Gärten.

Immer wieder führten ihre philosophischen Studien sie zu jenem Thema zurück, das ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt wurde, ja schon vor ihrer Geburt den Weg ihrer Familie geprägt hatte: Der Auseinandersetzung mit Martin Luther und dem Protestantismus. Mit einer Klarheit und intellektuellen Schärfe, die den meisten deutschen Theologen längst abhandengekommen ist, sezierte sie Luthers Schriften und entlarvte seine Lehre als Reflektion seiner Autobiografie, als Selbstrechtfertigung eines Opfers sündhafter Leidenschaften mit fatalen Folgen. „Die Krise der heutigen Theologie ist bedingt durch die Philosophie“, erkannte Alma von Stockhausen, ganz im Einklang mit Joseph Ratzinger: „Eine falsche Philosophie liegt der Theologie zugrunde. Und was ist diese falsche Philosophie? Das ist die deutsche Philosophie. Und die deutsche Philosophie ist von Luther nicht nur beeinflusst, sondern hat bei ihm ihren Ursprung.“ Darüber aufzuklären war ihre große Lebensmission, der Inhalt ihrer letzten wissenschaftlichen Arbeiten. Das Alter konnte ihren Körper beugen, nie aber ihre innere Haltung, ihre intellektuelle Redlichkeit und ihren Bekennermut. Keiner Diktatur des Relativismus und auch keinem baden-württembergischen Kultusministerium gelang es, diese aufrechte Cooperatrix veritatis in die Knie zu zwingen, die bis zuletzt für die geoffenbarte Wahrheit Zeugnis ablegte. Sie begriff, dass wahre Philosophie kein intellektuelles Ratespiel und auch keine Schmiede zeitgeistkonformer Denkmodelle ist, sondern ein Hinuntertauchen zum Urgrund des Seins, auf dem wir jenseits aller Irrwege dem lebendigen Gott begegnen.

Ihren Lebensabend verbrachte Alma von Stockhausen im fränkischen Heroldsbach bei Forchheim, wo ihr Bruder Dietrich nach wie vor segensreich wirkt. Dort leitete sie regelmäßig philosophische Seminare, verbrachte hunderte Stunden in stiller Zwiesprache mit dem Eucharistischen Herrn und schrieb ihr letztes Buch, das zu ihrem geistlichen Vermächtnis werden sollte. „Christus, die Liebe, die alles umfängt“ (Gustav-Siewerth-Akademie 2019) ist ihre persönliche, philosophisch-theologische Liebeserklärung an Den, der ihr zum Weg, zur Wahrheit und zum Leben wurde und dessen Liebe sich in jedem ihrer Worte und Taten widerspiegelte. Allen, die durch sie berührt und in ihrer Berufung bestärkt wurden, ist sie längst zur mütterlichen Lehrerin und Freundin geworden. Auch ich bin in meinem ganzen Leben keiner weiseren, gütigeren, frömmeren, ja heiligmäßigeren Frau begegnet.

Die letzten Wochen ihres Lebens nach einer schweren Operation am letzten Februartag konnte sie noch in Heroldsbach verbringen, dort, wo sich zwischen 1949 und 1952 der Himmel weit öffnete und den sieben Sehermädchen die Gottesmutter, Christus und viele Heilige und Engel erschienen. Jeden Tag empfing sie aus den Händen ihres Priester-Bruders die Heilige Kommunion. Sie lebte und starb wie eine Heilige. Jetzt ist sie, dem Himmel so nah und ganz von Seiner Liebe umfangen, zum Herrn heimgekehrt. Während sie die Wahrheit Gottes schaut, hat sie die Worte hinter sich gelassen, die nur der Schleier Seiner Liebe sind.

Alma von Stockhausen (*1927 +2020)


Foto (c) Michael Hesemann


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