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Maria von Guadalupe: Die spannendste Geschichte der Welt

21. Mai 2004 in Interview, keine Lesermeinung
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"Ihre Augen sind immer dieselben Augen". Interview mit Paul Badde über eine Frau der Gegenwart, die Millionen rund um die Welt zu Tränen rührt: Maria von Guadalupe.


Rom (www.kath.net / zenit)
Im Monat Mai, der in besonderer Weise der Muttergottes gewidmet ist, veröffentlichen wir ein Interview mit Paul Badde, seit zwei Jahren Korrespondent der „Welt“ in Rom. Zuvor war Badde für dieselbe Zeitung als Korrespondent in Jerusalem tätig. Sein neuestes Buch über „Maria von Guadalupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb“ ist vor kurzem im Ullstein Verlag erschienen. Das Interview führte Marie Czernin für ZENIT:

Wie kam es, dass Sie sich für dieses Thema, das für einen deutschen Journalisten doch recht ungewöhnlich ist, zu interessieren begannen? Warum gerade ein Buch über die Muttergottes schreiben?

Badde: Alle Journalisten, die ich kenne, suchen im Grunde immer nach der spannendsten Geschichte der Welt, und am besten nach solch einer, die vor ihnen noch keiner erzählt hat. Die Antwort ist also ganz einfach: Hier dachte ich, dass ich sie gefunden hatte. Eine aufregendere Geschichte hatte ich davor noch nirgendwo gehört oder gelesen, die merkwürdigerweise in Europa aber dennoch bis heute so gut wie unbekannt geblieben war. Sollte mir jemand eine noch spannendere – und ebenso glaubwürdige! – Geschichte erzählen, würde ich mich sofort wieder aufmachen, um sie zu untersuchen.

Sie sind eigentlich Historiker und beschreiben daher auch sehr ausführlich die geschichtlichen Hintergründe, die das Umfeld und die Entstehung des mysteriösen Bildes veranschaulichen. Gleichzeitig liest sich das Buch jedoch wie ein Krimi, und man fühlt sich selbst hinein versetzt in die Zeit der Indianer und spanischen Eroberer Mexikos. Wie schätzen sie die historische Bedeutung dieser Geschichte ein? Warum hat die Mutter Gottes von Guadalupe einen solchen Einfluss auf die Geschichte Mexikos, aber auch auf ganz Amerika ausgeübt?

Badde: Die Entstehung des Bildes geschah zehn Jahre nach der Eroberung des Aztekenreiches durch die Spanier, das heißt: sie geschah in einem grauenhaften Moment der Geschichte Amerikas. Die Gräuel des Krieges im Irak erscheinen heute fast zivilisiert dagegen. Die Spanier hatten einen unvorstellbar grässlichen Opferkult vernichtet, aber jetzt benahmen sich die Eroberer und Besatzer oft selbst wie gierige Teufel. Mutlosigkeit und Gewalt beherrschten Mexiko, die Menschen waren hoffnungslos. Da erschien eines Morgens einem Indio mit Namen Juan Diego vor Sonnenaufgang auf einem Hügel bei der Hauptstadt eine wunderschöne Dame und stellte sich ihm als „Mutter aller Menschen“ vor, die seinem Volk „den wahren Gott“ bekannt machen wollte. Er sollte zum Bischof gehen und um den Bau eines Gotteshauses bitten. Als Zeichen ihrer Vollmacht gab sie ihm einige Rosen mit. Er wickelte sie in seinen Umhang und brachte sie zum Bischof. Als er dort das Tuch entfaltete, fielen die Blumen zu Boden und ließen dieses Bild Marias auf dem Stoff erkennen, das die Menschen seitdem zu Millionen nach Mexiko zieht. Das Gnadenbild von Guadalupe ist nichts anderes als der alte Umhang Juan Diegos. Wie das Grabtuch von Turin, das erst in den letzten hundert Jahren richtig entdeckt und zum Sprechen gebracht worden ist, ist aber auch die apokalyptische Madonna von Guadalupe eine Frau der Gegenwart und mehr noch: ihre Geschichte wird sich wohl erst in Zukunft richtig entfalten und bekannt werden – wenn in Nordamerika mehr Spanisch als Englisch gesprochen werden wird. Das wird schon recht bald sein. Dann wird sie – als vom Papst XII. im Jahr 1945 gekrönte „Kaiserin der beiden Amerikas“! – sicher noch einmal einen neuen Siegeszug ganz eigener Art antreten.

Es heißt, es handelt sich bei der Muttergottes von Guadalupe um ein Bild, das „nicht von Menschenhand gemalt“ wurde. Woher kommt dieser Ausdruck? Gibt es noch mehrere solche mysteriöse Bilder, dessen Ursprung man nicht kennt? Gibt es gewisse Ähnlichkeiten zum Turiner Grabtuch?

Badde: Äußerlich kaum, weil es farbig ist. Das Abbild auf dem Grabtuch in Turin ist aber nur sepiabraun, mit ein paar rostroten Blutflecken. Es ist außerdem nur schemenhaft, während die Madonna von Guadalupe ganz und gar plastisch wirkt. Ansonsten ist es ähnlich rätselhaft. Das Gnadenbild der Muttergottes ist ein Mysterium wie das berühmte Christusbild. Es ist ein einzigartiges Lichtbild, lange vor der Erfindung der Fotografie. Er besteht aus Agavenfasern, die normalerweise nach zwanzig Jahren zerfallen. Hier aber halten sie sich schon seit fast 500 Jahren unversehrt wie alte Seide. Das Bild ist rosarot, meergrün, golden, doch auch unter dem Mikroskop finden sich – wie in Turin! - keinerlei Farbspuren in dem Gewebe. Es ist farbig wie Blumen farbig sind. Kein Mensch kann erklären, wie so etwas möglich ist. Je mehr das Tuch untersucht wird, desto mehr vermehren sich seine Rätsel. Vor wenigen Jahren ist entdeckt worden, dass die Sterne auf dem Mantel Marias in der Konstellation des Sternhimmels über Mexiko-Stadt vom 12. Dezember 1531 angeordnet sind. Das war aber genau der Tag, an dem die Jungfrau Juan Diego zum letzten Mal erschien und ihn zum Bischof schickte. Die Sterne halten das Datum der Entstehung wie mit einem Barcode fest. Auch dafür gibt es keine Erklärung. – Ähnliche Bilder kenne ich nur aus den Abruzzen, wo in dem Dorf Manoppello ein sehr mysteriöser Schleier mit dem Gesicht Christi verehrt wird, oder in Absam bei Innsbruck, wo ein merkwürdiges Madonnenporträt in Glas aus dem Jahr 1797 die Pilger anzieht – oder in Oviedo in Spanien, wo ein Schweißtuch Christi verwahrt wird, das allerdings nur Blutspuren und kein Abbild enthält.

Sie erwähnen in dem Buch, dass Augenspezialisten die Augen der Muttergottes untersucht haben, da sie auf dem Bild "so lebendig" auf den Betrachter wirken. Was kam bei ihren Untersuchungen heraus?

Badde: In den Augen des Gnadenbildes der Maria von Guadalupe ist vor kurzem in 2.500facher Vergrößerung von Wissenschaftlern die Spiegelung von dreizehn Personen entdeckt worden. Sie ist so fein, wie kein Pinsel sie malen könnte und mikroskopisch genau. Sogar eine Träne können wir da auf der Wange eines alten Mannes erkennen, dem ein anderer Mann mit Kapuze gerade ein Tuch reicht. Neben ihnen steht ein Indio mit Pferdeschwanz, daneben ein schwarzes Mädchen, und im Hintergrund sitzt eine Gruppe, die einer indianischen Familie gleicht: der Vater mit Hut, die Mutter mit einem Baby auf dem Rücken, dazu drei Kinder und Großeltern. Die Szene auf der Netzhaut Marias gleicht in jeder Einzelheit einer Momentaufnahme jener Geschichte, die in Mexiko schon seit 400 Jahren über die erste Enthüllung des Gnadenbildes erzählt wird.

Sie erwähnen auch, dass die Darstellung der Muttergottes viele aztekische Symbole enthält, eine Art Zeichensprache also, wodurch die Indianer einen direkten Zugang zum Bild und zur Muttergottes finden konnten und ihnen der christliche Glaube auf einmal verständlich schien. Um welche aztekischen Symbole handelt es sich dabei?

Badde: Um gewisse Blumen und Ornamente, die sie augenblicklich lesen konnten wie ein offenes Buch, ohne jede Erklärung oder Übersetzung. Für die Indianer war das Bild niemals ein Rätsel. Sie konnten nach dem Rhythmus seiner Sonnenstrahlen tanzen. Die Sterne und Blumen auf dem Gewand Marias erzählten ihnen von einer neuen Zeit und einer neuen Hoffnung. Zu ihnen sprach es wie ein fünftes Evangelium. Bald nach der Erscheinung ließen sie sich deshalb zu Millionen taufen. Die unerklärlich rasche Versöhnung der Spanier mit den Indianern ist deshalb das größte Wunder, das von dem Bild berichtet wird. Die mächtigen Spanier konnten die Indianer nur niederwerfen und ihr Reich zerstören, die kleine Königin des Himmels aber hat ihre Herzen erobert. Die Mexikaner lieben sie dafür bis heute wie verrückt – zusammen mit dem Papst in Rom, dessen große Liebe die Jungfrau von Guadalupe ist.

Sie stellen in Ihrem Buch auch einen Bezug zu Jerusalem her, und speziell zur angeblichen Grabstätte der Muttergottes. Sie meinen, diese Grabstätte befinde sich in Jerusalem und nicht in Ephesus, wie viele Menschen glauben. Woher kommt diese Gewissheit? Inwiefern hat diese Tatsache mit der Muttergottes von Mexiko zu tun?

Badde: Nicht ich meine, dass sich das Grab der Muttergottes in Jerusalem befindet, sondern das ist die Überzeugung einer sehr alten Tradition. Und es ist nicht nur eine mündliche Tradition, die davon erzählt, sondern es gibt in Jerusalem einfach faktisch dieses leere Grab Marias. Jeder kennt es da. Ich habe es oft selbst gesehen und besucht. Es liegt neben der Agoniekirche Christi im Garten Gethsemani, wo es seit undenklichen Zeiten von Pilgern aus aller Welt aufgesucht und als Grab der Gottesmutter verehrt wird – gerade so wie das leere Grab Christi in der Grabeskirche! In Ephesus aber gibt es zwar ein ehrwürdiges altes Haus Mariens, aber kein Grab von ihr. Das gab es dort auch nie, noch wurde es dort jemals verehrt. Sehr viel spricht also dafür, dass Maria zwar in Ephesus gelebt hat, zusammen mit Johannes, und dass sie auf einer Reise zum Apostelkonzil in Jerusalem gestorben ist, direkt neben dem Abendmahlsaal auf dem Zionsberg – wo die Entschlafungskirche Marias noch heute daran erinnert. Was diese Tatsache aber mit der Muttergottes von Mexiko zu tun hat, ist noch einfacher. Denn es gibt ja nur eine Mutter Gottes. Das war die Mutter Jesu. Sie war keine Ikone, oder eine Metapher, oder ein Symbol. Sondern sie ist doch – wie ihr Sohn selbst – eine ganz bestimmte Person und keine andere. In ihr ist Gott eine Person aus Fleisch und Blut geworden – und nicht etwa ein Buch oder Theologie oder ein System. Deshalb ist auch Maria natürlich immer ein und dieselbe, in Mexiko wie in Jerusalem oder in Lourdes oder Fatima oder wo immer sie schon erschienen ist. Ihre Augen sind immer dieselben Augen – in denen sich auch schon die Passion und Kreuzigung Christi aus nächster Nähe gespiegelt hat, die in diesen Tagen Millionen von Menschen rund um den Globus zu Tränen rührt.

Welche Bedeutung hat die Muttergottes von Guadalupe noch für unsere heutige Zeit? Was können wir von ihrem Erscheinen in Mexiko noch heute lernen? Tun wir uns nicht gerade heutzutage etwas schwer mit solchen himmlischen Erscheinungen oder wundertätigen Bildern?

Badde: Es zeigt, dass Politiker und Kriegsherren nicht unbedingt das letzte Wort haben müssen, damals wie heute nicht, wo wir diese Hoffnung wieder besonders nötig haben. Nicht Präsidenten und ihre vielen Berater, oder Tyrannen, Generäle und siegreiche Eroberer, sondern Gott allein ist der Herr der Geschichte. Und seine Mutter ist die einzig wahre Königin des Friedens. Es ist deshalb nicht unbedingt ein Vergnügen zu sehen, wie eine wahrhaft apokalyptische Geschichte der Geschichte Marias von Guadalupe und meinem kleinen Bericht über sie aus der dunklen Zukunft entgegen kommt, aber es ist doch ein großer Trost.

Paul Badde, Maria von Guadalupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb, Ullstein Verlag, 255 Seiten, 23 Farbabbildungen, 20,60 Euro.

Das Buch kann direkt bei KATH.NET in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung CHRIST-MEDIA (Auslieferung Österreich und Deutschland) und der BuchhandlungImmanuel (Auslieferung Schweiz) bestellt werden. Es werden die anteiligen Portokosten dazugerechnet. Die Bestellungen werden in den jeweiligenLändern (A, D, CH) aufgegeben, dadurch nur Inlandportokosten.

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Für Bestellungen aus der Schweiz:
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Lesetipp: Was der Papst in seiner neuen Autobiographie über Guadalupe sagte.



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