Login




oder neu registrieren?


Suche

Suchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln:







Top-15

meist-diskutiert

  1. Vatikan-Kommission: Frauen können nicht zur Diakonenweihe zugelassen werden
  2. US-Präsident Trump veröffentlichte erstaunliche Würdigung der Muttergottes
  3. Ein gekreuzigter Frosch, Maria als Transfrau – provokante Ausstellung in Wien
  4. Die Kirche in Deutschland und in der Schweiz hat kapituliert
  5. Wer MEHR will, soll MEHR bekommen
  6. Republik der Dünnhäutigen
  7. Auch ohne Weiheamt für Frauen ist der Diakonat das Zukunftsthema für die Kirche
  8. Die Achillesferse des Teufels
  9. US-Bischof Daniel Thomas/Ohio: „Gott hat Transsexualität nicht vorgesehen“
  10. Thomas von Aquin über Migration
  11. Manuel Ostermann, Vize-Vorsitzender der Polizeigewerkschaft: „Die Kriminalität explodiert“
  12. Katholischer Philosoph ausgeladen – ‚Erschießen werden wir ihn nicht ‘
  13. Niemand rettet die Welt allein. Nicht einmal Gott will sie allein retten
  14. Forscher warnen vor früher Smartphone-Nutzung von Kindern
  15. 100.000 Euro von der EKD für Afghanen, damit diese Aufenthalt in Deutschland einklagen können

Türkei: Experte sieht derzeit kaum Chance auf Genozid-Anerkennung

10. April 2015 in Chronik, 3 Lesermeinungen
Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden


Historiker Prof. Grulich im "Kathpress"-Gespräch über Hintergründe des Armenier-Völkermordes vor 100 Jahren und die mangelnde Aufarbeitung durch die Türkei wie auch durch den Westen


Wien (kath.net/KAP) Kaum Bewegung in der Türkei kann der deutsche Kirchenhistoriker Prof. Rudolf Grulich hinsichtlich der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern vor 100 Jahren erkennen. Er wolle aber Zweckoptimist bleiben, so Grulich im "Kathpress"-Gespräch. Die Reformbemühungen der Regierung Erdogan hätten nach den Anfangsjahren inzwischen ihren Schwung weitgehend verloren. Statt Reformen habe der türkische Nationalismus ungeahnte Ausmaße angenommen und sei fast zu einer Art neuer Religion geworden, so Grulich.

Der Genozid der Jahre 1915 bis 1918, der bis zu eineinhalb Millionen armenischer Christen das Leben kostete, wird von der türkischen Regierung bis heute nicht anerkannt. Sie behauptet, es habe ihn in dieser Form nie gegeben. Zwar bestreitet sie nicht Hunderttausende Tote. Doch die Gewalt und die Deportationen seien Folge von bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen, von Hunger, Seuchen und Not gewesen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor einem Jahr, damals noch als Ministerpräsident, zumindest einen kleinen Schritt auf die Armenier zugemacht und von einer menschlichen Pflicht gesprochen "das Gedenken der Armenier an die Erinnerung an das Leid, das die Armenier zu jener Zeit durchlebt haben, zu verstehen und es mit ihnen zu teilen." Von einer Anerkennung des Völkermordes ist die offizielle Türkei damit freilich noch meilenweit entfernt. Nach wie vor müssen innertürkische Kritiker der offiziellen Sichtweise Strafverfolgung aufgrund des umstrittenen Artikels 301 des Strafgesetzbuches rechnen. Dieser stellt unter anderem eine "Beleidigung der türkischen Nation" unter Strafe.


Die Entwicklung in der Türkei hätte möglicherweise aber auch anders verlaufen können, wie Prof. Grulich gegenüber "Kathpress" meinte. Ansätze, dass die Türkei den Völkermord aufarbeitet, habe es bereits nach dem Ersten Weltkrieg gegeben. 1919 habe in Istanbul ein Kriegsverbrecherprozess gegen Verantwortliche für das Armeniermassaker stattgefunden, bei dem man u.a. die drei Rädelsführer - Enver Pascha, Cemal Pascha und Talaat Pascha - in Abwesenheit zum Tode verurteilte.

Natürlich sei der Prozess in Istanbul unter starkem Druck der Siegermächte des Ersten Weltkriegs gestanden, räumte Grulich ein. Die Engländer, die in Konstantinopel Truppen hatten, hätten den Prozess durchgesetzt. Aber es sei ein türkisches Gericht unter dem Sultan gewesen, das ihn geführt hatte.

Die Stimmung in der Türkei sei dann gekippt, als die Siegermächte versuchten, die Türkei unter sich aufzuteilen. Griechische Truppen begingen in Izmir ein Massaker an der türkischen Bevölkerung und drangen weiter in die Türkei ein. Italienische Truppen standen in Antalya, französische in Kilikien. Der Friedensvertrag von Sevres (1920) hatte die Türkei so amputiert, dass vor allem Griechenland die Situation für einen Angriff auf die Resttürkei nutze. Als Mustafa Kemal Atatürk erkannte, dass die Siegermächte moralisch mit zweierlei Maß vorgingen, schwenkte er von seiner vormaligen Abneigung gegen die Verantwortliche des Völkermordes ab. Er habe in Folge auch Kriegsverbrecher, die führend bei Massakern beteiligt waren, in die Regierung aufgenommen, erläuterte Grulich. 1923 erließ die türkische Regierung unter Atatürk schließlich eine allgemeine Amnestie.

Dass es sich tatsächlich um einen Völkermord handelt, sei spätestens Anfang der 1920er-Jahre klar gewesen, führte der Historiker weiter aus. 1921 wurde Talaat Pascha von einem armenischen Studenten in Berlin ermordet. Im folgenden Prozess seien die Vorgänge im Osmanischen Reich gründlich aufgearbeitet worden. Zahlreiche Berichte von Zeugen ergaben ein klares und eindeutiges Bild. Der Student wurde letztlich freigesprochen.

Außer den Armeniern selbst war nach 1921 keine Land mehr ernsthaft an einer Aufarbeiten der Vorkommnisse geschweige denn an der Verfolgung der Täter interessiert. Wie Prof. Grulich weiter sagte, habe das Desinteresse der Weltöffentlichkeit an dem Genozid besonders auch Adolf Hitler interessiert. Noch vor dem Polenfeldzug 1939 solle dieser zu Vorhaltungen seiner Gefolgsleute, was die Weltöffentlichkeit zum Mord an den Juden sagen werde, gesagt haben: "Wer spricht heute noch von den Armeniern?"

22 Staaten haben den Genozid inzwischen anerkannt, Deutschland und Österreich seien freilich nicht dabei, kritisiert Grulich und ortete fehlenden Mut. Für Wirtschaftsinteressen lasse man die orientalischen Christen fallen, so Grulich. Er appellierte zugleich an den Westen, die letzten Christen in der Türkei nicht im Stich zu lassen.

Skepsis gegenüber Heiligsprechung

Sehr skeptisch äußerte sich der Historiker zur bevorstehenden pauschalen Heiligsprechung der rund 1,5 Millionen Armenier, die beim Genozid ums Leben kamen. Diese Heiligsprechung soll im Rahmen einer Feier der armenisch-apostolischen Kirche am 23. April im armenischen Etschmiadzin erfolgen. Nach Ansicht des deutschen Historikers seien die Menschen damals aber wegen ihrer Nationalität ermordet worden, nicht wegen ihres Glaubens.

Prof. Rudolf Grulich – Vortrag: Die Türkei und Europa - Wie geht es den Christen? (Hinführung von Michael Ragg)


Arte Doku (2011): Aghet - Der Völkermord an den Armeniern - Doku komplett


Copyright 2015 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten


Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!

 





Lesermeinungen

  10. April 2015 
 

Immer wieder öffentlich machen

Das mögen die Verdreher am wenigsten.


1
 
 mhesemann 10. April 2015 
 

Teil 2

Der Superior des Kapuzinerordens in Erzurum, der österreichische Pater Norbert Hofer, schrieb im Oktober 1915 an den Vatikan: „Die Bestrafung der armenischen Nation (für angebliche Aufstände, d.Verf.) ist bloß ein Vorwand der freimaurerischen türkischen Regierung, um alle christlichen Elemente im Land ungestraft vernichten zu können.“ Und sein Landsmann und Ordensbruder, der österreichische Kapuzinermissionar Michael Liebl, brachte in Samsun in Erfahrung: „Nicht die Armenier, die Christen wurden (zum Tode) verurteilt auf einer geheimen Konferenz der Jungtürken vor 5 oder 6 Jahren in Thessaloniki.“


3
 
 mhesemann 10. April 2015 
 

Es war eine Christenverfolgung!

Ich möchte Prof. Grulich entschieden widersprechen. Die Armenier sind sehr wohl wegen ihres Glaubens ermordet worden, nicht wegen ihrer Nationalität. Den Jungtürken ging es um eine Umwandlung des multiethnischen osmanischen Reiches in einen homogenen Nationalstaat mit einer einheitlichen Religion, dem sunnitischen Islam. So fielen auch nicht nur Armenier, sondern letztendlich der Großteil aller Christen - ehemals 20 %, heute 0,2 % - Vernichtungsaktionen zum Opfer, wurden vertrieben oder deportiert. Fast immer reichte eine Konversion zum Islam, um den Maßnahmen zu entgehen. So stellte schon das armenisch-katholische Patriarchat im Februar 1916 in einem Bericht an den Heiligen Stuhl fest: "Es ist sicher, dass die osmanische Regierung beschlossen hat, das Christentum aus der Türkei zu beseitigen, bevor der Krieg zuende ist."

michaelhesemann.info/9_5.html


4
 

Um selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen.

Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
kath.net verweist in dem Zusammenhang auch an das Schreiben von Papst Benedikt zum 45. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und lädt die Kommentatoren dazu ein, sich daran zu orientieren: "Das Evangelium durch die neuen Medien mitzuteilen bedeutet nicht nur, ausgesprochen religiöse Inhalte auf die Plattformen der verschiedenen Medien zu setzen, sondern auch im eigenen digitalen Profil und Kommunikationsstil konsequent Zeugnis abzulegen hinsichtlich Entscheidungen, Präferenzen und Urteilen, die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht explizit davon gesprochen wird." (www.kath.net)
kath.net behält sich vor, Kommentare, welche strafrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen, zu entfernen. Die Benutzer können diesfalls keine Ansprüche stellen. Aus Zeitgründen kann über die Moderation von User-Kommentaren keine Korrespondenz geführt werden. Weiters behält sich kath.net vor, strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.


Mehr zu

Türkei

  1. Katholisch sein in Istanbul - Philip und Diana erzählen
  2. Erste fliegende Papst-Pressekonferenz: Lob für Vermittler Erdogan
  3. Papst-Attentäter Mehmet Ali Agca wollte in Iznik mit Papst Leo reden
  4. Papst Leo XIV. in Ankara gelandet
  5. Erster Kirchen-Neubau in Türkei seit 100 Jahren eröffnet
  6. "Lasst uns weiterhin auf Gott und Seine heilige Vorsehung vertrauen"
  7. Erster Kirchen-Neubau in Türkei seit 100 Jahren vor Eröffnung
  8. Christlicher Missionar aus Türkei ausgewiesen
  9. Chalki-Wiedereröffnung: Orthodoxer US-Bischof appelliert an Erdogan
  10. Laschet verbietet der Presse Fragen zu „Ditib“






Top-15

meist-gelesen

  1. Vatikan-Kommission: Frauen können nicht zur Diakonenweihe zugelassen werden
  2. Die Kirche in Deutschland und in der Schweiz hat kapituliert
  3. Ein gekreuzigter Frosch, Maria als Transfrau – provokante Ausstellung in Wien
  4. US-Präsident Trump veröffentlichte erstaunliche Würdigung der Muttergottes
  5. Weihnachtsspende für kath.net - Wir brauchen JETZT Ihre HILFE!
  6. Die Achillesferse des Teufels
  7. Wer MEHR will, soll MEHR bekommen
  8. Republik der Dünnhäutigen
  9. Thomas von Aquin über Migration
  10. Mailands Erzbischof: Kollaps der Gesellschaft droht
  11. Beweise mir das Gegenteil!
  12. Legenden vom Heiligen Nikolaus
  13. Manuel Ostermann, Vize-Vorsitzender der Polizeigewerkschaft: „Die Kriminalität explodiert“
  14. Auch ohne Weiheamt für Frauen ist der Diakonat das Zukunftsthema für die Kirche
  15. Katholischer Philosoph ausgeladen – ‚Erschießen werden wir ihn nicht ‘

© 2025 kath.net | Impressum | Datenschutz