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'Den Schrecken benennen und Weg der Versöhnung gehen'

24. April 2015 in Chronik, keine Lesermeinung
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DBK-Vorsitzender Marx bei Armeniergedenken: Immer mehr Staaten, politische und religiöse Führer in aller Welt bezeichneten diese Ereignisse inzwischen als Völkermord, so Kardinal Marx, „auch Papst Franziskus“ – Die Marx-Predigt in voller Länge


Berlin (kath.net/dbk/red) In einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom gedachten am 23. April 2015 über 1.100 Menschen des Völkermordes an Armeniern, Aramäern, Assyrern und Pontos-Griechen vor hundert Jahren. Schätzungen zufolge 1,5 Millionen Menschen wurden zwischen 1915 und 1922 im Osmanischen Reich ermordet. „Als Kirchen in Deutschland stehen wir zusammen zu der Verantwortung, das Gedenken an den Völkermord wachzuhalten“, erklärten Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Deutsche Bischofskonferenz, Armenische Apostolische Kirche und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), die zu dem Gottesdienst gemeinsam einluden. Im Anschluss an den Gottesdienst sprach Bundespräsident Joachim Gauck, er bezeichnete das Massaker an den christlichen Armeniern als „Völkermord“. Das Schicksal der Armenier stehe „beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist“. „Einheits- und Reinheitsideologien enden nicht selten in Ausschluss und Vertreibung und in letzter Konsequenz in mörderischer Tat. Im Osmanischen Reich entwickelte sich daraus eine genozidale Dynamik, der das armenische Volk zum Opfer fiel.“ Dabei würden auch die Deutschen Mitverantwortung für den „Völkermord an den Armeniern“ tragen, „unter Umständen sogar Mitschuld“.

Landesbischof Heinrich Bedford Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, sagte in seinem Eingangswort: „Wir feiern diesen Gottesdienst in ökumenischer Gemeinschaft, weil wir alle Glieder am einen Leib Jesu Christi sind und deshalb auch die Last der Trauer gemeinsam tragen. Mit dem Apostel Paulus wissen wir: Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit (1 Kor 12,26)“ Im Gedenken an die Opfer sprach er auch die Verantwortung Deutschlands am Genozid an und sagte: „Doch dürfen wir ebenso nicht verschweigen, dass evangelische Kirchenleitungen und Missionsgesellschaften vor einhundert Jahren genau Bescheid wussten, dass sie aber dennoch wegschauten und untätig blieben. Nur wenn wir diese eigene Mitschuld deutlich und klar aussprechen und anerkennen, können wir auch andere dazu ermutigen, sich aufrichtig und objektiv mit dem Verbrechen des Genozid auseinanderzusetzen.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sprach in seiner Predigt von einer „Chronik der Unmenschlichkeit“, der an jedem Tag neue Seiten hinzugefügt werden. „Was vor 100 Jahren, am 24. April 1915, seinen Anfang nahm, war ein solches Menschheitsverbrechen – das ‚große Verbrechen‘, wie die Armenier sagen.“ Immer mehr Staaten, politische und religiöse Führer in aller Welt bezeichneten diese Ereignisse inzwischen als Völkermord, so Kardinal Marx: „Auch Papst Franziskus hat dies getan, als er bei einem Gottesdienst mit armenischen Gläubigen das Wort von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung rief, dass das ihren Vorfahren angetane Unrecht ‚allgemein als ‚der erste Genozid des 20. Jahrhunderts‘ angesehen werde. Kardinal Marx betonte in seiner Predigt, dass nicht an die Grausamkeiten der Geschichte erinnert werde, um die Vergangenheit nicht vergehen zu lassen. „Sondern wir rufen sie ins Gedächtnis, damit eine verdrängte Vergangenheit uns nicht gefangen nimmt und uns innerlich vergiftet. Um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen: ‚Wenn die Erinnerung schwindet, hält das Böse die Wunde weiter offen.‘ Das müssen wir verhindern.“ Gerade deshalb sei es wichtig, so Kardinal Marx, „dass wir heute zusammengekommen sind – Christen verschiedener Konfession und Herkunft –, um den Schrecken beim Namen zu nennen und so einen Weg zu beschreiten, den Schrecken zu bannen und Wege des Neuanfangs und der Versöhnung zu gehen.“


Die Predigt von Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, im Ökumenischen Gottesdienst am 23. April 2015 in Berlin im Gedenken an den 100. Jahrestag des Genozids an Armeniern, Aramäern, Assyrern und Pontos-Griechen in voller Länge:

Liebe Schwestern und Brüder!
Die Geschichte der Menschheit kann auch als Geschichte des Bösen, als Ansammlung von Untaten und Verbrechen, von Gewalt und Mord geschrieben werden. Der Chronik der Unmenschlichkeit werden an jedem Tag neue Seiten hinzugefügt. Und doch: Bestimmte Verbrechen ragen aus dieser alltäglichen und allgegenwärtigen Flut menschengemachter Schrecken heraus. Sie bleiben nicht nur Einzelnen im Gedächtnis, nicht nur Gruppen oder bestimmten Völkern, nein, die ganze Menschheit wird immer wieder von der Erinnerung daran geplagt. Denn es sind Verbrechen, die den Raum der bloß individuellen oder nationalen Leiderfahrung sprengen. Sie konfrontieren die ganze Menschheit und jeden Einzelnen mit den moralischen Abgründen, die wir alle als Möglichkeit in uns tragen.

Was vor 100 Jahren, am 24. April 1915, seinen Anfang nahm, war ein solches Menschheitsverbrechen – das „große Verbrechen“, wie die Armenier sagen. Es beginnt mit der vom Innenminister der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reiches befohlenen Verhaftung von 235 armenischen Persönlichkeiten. Ein fast unscheinbares Ereignis. Aber dann wird die armenische Bevölkerung – und mit ihr die katholischen und orthodoxen Syrer, die Assyrer, Chaldäer und Griechen – aus ihren Siedlungsgebieten deportiert. Die Menschen verhungern und verdursten auf dem Fußweg in die Wüstenlager, in die sie verbracht werden sollen. Viele werden auf diesem Marsch erschossen, erschlagen, in Flüssen ertränkt. Reguläre Truppen sind hier am Werk, Paramilitärs, auch aufgehetzte türkische Zivilisten. Selbst wer die Lager erreicht, hat nur geringe Überlebenschancen. Es fehlt an allem. Dies sind keine Orte, die zum Leben ausgelegt wären. Und so steht am Ende eine erschütternde Bilanz: Hundertausende sind dem schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen, eine Million, manche sprechen von 1,5 Millionen Toten.

Immer mehr Staaten, politische und religiöse Führer in aller Welt bezeichnen diese Ereignisse inzwischen als Völkermord. Auch Papst Franziskus hat dies getan, als er bei einem Gottesdienst mit armenischen Gläubigen das Wort von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung rief, dass das ihren Vorfahren angetane Unrecht „allgemein als ‚der erste Genozid des 20. Jahrhunderts‘“ angesehen werde. Mit dieser Bemerkung hat sich der Papst den Zorn der türkischen Regierung zugezogen. Ich bin kein Historiker und kein Jurist. Aber ich verstehe gut, warum die Nachfahren der Opfer auf dieser Charakterisierung beharren. Sie wollen die jahrzehntelange Geschichte des Leugnens, Verdrängens und Bagatellisierens definitiv beendet wissen, die sie als fortdauernde Demütigung der Opfer verstehen. Und tatsächlich machen die historischen Umstände – die bedrängte Situation des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg und die gegen das Reich gerichteten nationalen Ambitionen der Armenier – zwar manches verständlich. Doch sie vermögen in keiner Weise zu rechtfertigen, was geschehen ist. Man darf die Verbrechen, die an den Armeniern und den anderen christlichen Gruppen begangen wurden, nicht in das allgemeine Kriegsgeschehen (so furchtbar dieses auch war) einordnen und sie allenfalls als kriegsbedingte Exzesse bedauern. Denn dies hieße, die moralischen Maßstäbe preiszugeben, die wir alle – gerade mit Blick auf die Konflikte und gewalttätigen Auseinandersetzungen – auch heute und für die Zukunft so dringend benötigen.

Wir erinnern nicht an die Grausamkeiten der Geschichte, um die Vergangenheit nicht vergehen zu lassen. Sondern wir rufen sie ins Gedächtnis, damit eine verdrängte Vergangenheit uns nicht gefangen nimmt und uns innerlich vergiftet. Um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen: „Wenn die Erinnerung schwindet, hält das Böse die Wunde weiter offen“. Das müssen wir verhindern. Und deshalb ist es wichtig, dass wir heute zusammengekommen sind – Christen verschiedener Konfession und Herkunft –, um den Schrecken beim Namen zu nennen und so einen Weg zu beschreiten, den Schrecken zu bannen und Wege des Neuanfangs und der Versöhnung zu gehen.

Aber kann es nach einem massenhaften Morden, wie es die Armenier erlebt haben, überhaupt je wieder zu einem friedlichen Zusammenleben kommen? Eine „abstrakte“ Antwort jenseits der konkreten Geschichte kann es hier sicher nicht geben. Aber als Deutsche dürfen wir von der Erfahrung sprechen, nach dem Zweiten Weltkrieg eine unverdiente Chance der Aussöhnung erhalten zu haben. Nach den Vernichtungskriegen im Osten Europas und dem in seiner Art einmaligen Verbrechen des Holocaust sind uns neue Anfänge ermöglicht worden. Wir haben Vergebung erfahren. Aber der Preis ist der Mut zur Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Geschichte und die wirkliche Bereitschaft, auf die Opfer und ihre Nachkommen zu hören. Ohne dies aber wäre es nicht möglich geworden. Und ohne dies gibt es auch heute keine Wege in eine gemeinsame Zukunft der durch geschichtliche Schuld getrennten Völker. Als Christen haben wir dazu eine besondere Verantwortung im Blick auf den Gott, der im Kreuz seines Sohnes alle Schuld, alle Verbrechen auf sich gezogen hat.

ZDF: Bundespräsident Gauck - Massaker an Armeniern war Völkermord - Mit kurzem Hintergrund zu Völkermordbenennung durch Bundesregierung


ARD Hintergrund: Völkermord an den Armeniern durch die Türken


Gesellschaft für bedrohte Völker: 100 Jahre Genozid an den Armeniern



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