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'Der lahme Toleranzbegriff der Gleichgültigen reicht nicht aus'

1. September 2015 in Chronik, 5 Lesermeinungen
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Religionsphilosophin Prof. Gerl-Falkovitz kritisiert: Religionsdialog bisher vorwiegend unter Betonung der Übereinstimmungen, nicht aber der grundlegenden Unterschiede (Jesus Christus/Trinität). Gastbericht von Dekan Dr. Ignaz Steinwender


Aigen (kath.net) In Aigen im oberösterreichischen Mühlviertel findet derzeit die 27. Internationale Theologisches Sommerakademie zum Thema „Gott Vater“ statt. Das Eröffnungsreferat hielt die in Heiligenkreuz dozierende Religionsphilosophin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz unter dem provokanten Titel „Schluss mit den drei Monotheismen!“ Die emeritierte Professorin der Universität Dresden nahm zunächst Bezug auf einen gleichnamigen Artikel von Professor Remi Brague über die Vergleichbarkeit der drei Religionen, in dem dieser nicht nur die Alleinstellung der Monotheismus-Prädikats für die genannten Religionen (Christentum, Islam und Judentum) bestritten hatte, sondern auch ihre Gruppierung unter „Religionen Abrahams“ oder „Buchreligionen“ als unscharfe und teilweise irreführende Klassifizierungen kritisiert hatte. In Anlehnung an Professor Remi Brague führte Gerl-Falkovitz weiter aus:

Der Begriff Monotheismus habe seinen philosophischen Ursprung bereits bei Vorsokratiker wie bei Xenophanes (6.-5. Jh.) und bei Aristoteles und Platon und es gäbe zudem weit mehr als drei religiöse Monotheismen, beginnend im alten Ägypten bei Echnaton (1250 v. Chr.) bis zu neu entstandenen Religionen bis ins 20. Jahrhundert z. B. in Afrika. Die Einzigkeit Gottes werde ferner unterschiedlich begründet und beschrieben wie im Koran mit seiner kontinuierlichen „Unergründlichkeit“, im Alten Testament mit seiner „Treue“ zu Israel und im Neuen Testament mit der „Eintracht der Liebe des Vaters zum Sohn im Heiligen Geist“.

Zum Terminus „Drei Religionen Abrahams“ führte Gerl-Falkovitz weiter aus, dass der Name Abraham sowie auch andere Namen in allen drei Heiligen Schriften auftauche. Im Koran seinen jedoch identische Namen häufig anders eingebettet. Abraham begründe im AT die jüdische Genealogie, in welche im Christentum nach Paulus auch die Heiden einbezogen werden (Gal 4,21-31), während Mohammed, der selbst kein Jude war, Ismael, den Sohn der Hagar, als Stammvater der Nomaden der Wüste einsetzte. Der Koran bediene sich der Person Abrahams und seiner Sühne, um die Geschichte von der Errichtung eines Tempels durch die Hand des Patriarchen (kubischer Tempel von Mekka) zu erzählen, was weder im Judentum noch im Christentum bekannt sei.


Für den Christen bedeute das Sprechen von der Religion Abrahams die Einbeziehung des Judentums und des Islams in eine Verbindung mit dem Christentum, während der Islam dadurch das Juden- und Christentum ausschließe. Gemäß dem Koran sei die Religion Abrahams bereits der Islam gewesen (auch Jesus war also Moslem, die Urreligion der Menschheit, von der sowohl Juden wie Christen abgefallen seien. Die Thora und das Neue Testament seinen demgemäß eine Fälschung.

Frau Prof. Gerl-Falkovitz beschrieb nach Professor Remi Brague wesentliche Unterschiede der drei Religionen im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Buch. Das Alte Testament sie in sieben Jahrhunderten, das Neue Testament in sieben Jahrzehnten und der Koran in etwa zwei Jahrzehnten gewachsen. Im AT und im NT gäbe es viele literarische Gattungen, während der Koran einheitlich konzipiert sei. Das AT enthalte die politische Entwicklungen des Volkes Israel in Verbindung mit der Offenbarung Gottes. Im NT sei nicht das Geschrieben entscheidend, sondern das Ereignis, das Jesus selbst vorstellt.

Der Koran sei eine unmittelbare „Buchwerdung“ (Inlibration) der Stimme Allahs und eine primäres „Gesetzbuch“, den bis ins einzelne gehenden Willen Allahs zur Regelung des gesamten menschlichen Lebens enthalte. Der Islam kenne keine anthropologie der Freiheit wie etwa Paulus, keine Geisttheologie immer neuer, zeitgemäßer Wandlung der Kirche, keine Eschatologie vollendeter Erlösung. Mohammed selbst habe seine Berufung zum Propheten „wider Willen“ durch Gewaltanwendung als Unterwerfung erfahren. Im Gegensatz zur Buchwerdung des Wortes stehe im Christentum die Fleischwerdung (Inkarnation) des Gottessohnes, die durch die freie, überlegte Zustimmung Marias geschah.

Gerl-Falkovitz führte aus, dass der Begriff Vater im Islam für Gott nicht verwendet werden könne. Islam bedeute Unterwerfung unter die Gewalt Allahs, der auch der Erbarmer und Schicksalsentscheider sei. Zwischen Allah und dem Menschen gäbe es kein Gespräch, keine Frage, kein Aufbegehren. Mohammed blieb sein Leben lang ein Krieger, ein Feldherr, der Zwang erfuhr, selbst ausübte und weitergab. Kriegerische Erfolge galten als Zeichen der Erwählung, religionsphilosophisch sei das Auftreten des Feldherrn als Religionsstifter einzigartig.

Für den Islam gäbe es als Geschichtsvision nicht die erlöste „neue Schöpfung“, sondern die schrittweise Umwandlung der Welt vom „Haus des Krieges“ (die Ungläubigen) zum „Haus des Islam“ durch Mission oder Majorisierung, also durch den Dschihad (heiliger Krieg), der bis heute verpflichtend sei.

Israel habe, so Frau Prof. Gerl-Falkovitz, die Ausformulierung eines sehenden, erprobten, durch Feuer und Wasser gegangenen Vertrauens gegen die Angst vollzogen. Gott sei einer, jenseits der Naturmächte. Das Judentum habe sich von dem animistisch-magischen Kult der Mutter-Göttinnen und der väterlichen Zeugungspotenzen und den Dämonen gelöst. Gott offenbart sich zunächst als Namensloser im Dornbusch, dann in der Bundeserfahrung am Sinai und schließlich im Dekalog. Das Alte Testament komme unter der langen Glaubenserfahrung und göttlicher Führung zum Liebesgebot, was eine neue Sicht für den Umgang mit den Feinden eröffnet (Spr 25,21f). Hier wird der andere schon als Geschöpf desselben Vaters verstanden.

Im Christentum geschehe eine entscheidende Wende von dem, der selbst Gewalt ausübt, zu dem, der sich ihr freiwillig unterwirft. Diese werde sogar zur kultischen Mitte der „memoria passionis“, die Gegenwärtigsetzung des ein für allemal erbrachten Opfers. Das Christentum verbiete religiös begründeten Selbstmord, das Drängen zum Martyrium und leite zur seelischen Hingabe als gewaltfreie „imitatio Christi“ an. Den Kampfbegriff gäbe es nur gegen die Sünde. In der Bergpredigt verdichteten sich entscheidende Elemente einer neuen Anthropologie in das Bild gleich geliebter Kinder eines einzigen Vaters. Dies führe zu einer Individualethik (Appell an das Gewissen) und zu einer Universalethik (nicht mehr auf die Sippe beschränkt) und so werde im Christentum der Begriff Mensch erstmals individuell konstituiert.

Gerl-Falkovitz skizzierte abschließend einige Aufgaben:

„Angesichts eines revitalisierten, zum Teil fanatisierten Islam kann es nur die Antworten eines revitalisierten und nicht fanatisierten Judentums und eines ebensolchen Christentums geben, das seine Quelle im Judentum kennt und auch achtet. Dies betrifft die religiöse Seite der Frage; die politische und rechtliche im Sinne einer Demokratisierung des Islam ist davon zu unterschieden und von rechtsstattlicher Seite zu klären.

Nicht ausreichend scheinen die Rituale der Betroffenheit (Kerzen etc.) gegenüber dem Fanatismus, nicht ausreichend ist der lahme Toleranzbegriff der Gleichgültigen, nicht ausreichend das bloße Nebeneinander der „Kulturen“, das sich beispielsweise nicht einmal dem Grundgesetz gemeinsam verpflichtet weiß (…)“

Der Religionsdialog sei bisher vorwiegend von der Betonung der Übereinstimmungen, nicht aber der grundlegenden Unterschiede im Blick auf Jesus Christus und die Trinität geführt worden. Es bedürfe vieler Gespräche und mehr noch der historischen Verarbeitung sowie auch der Selbstbearbeitung islamischer Geschichte durch Moslems, um die Gewaltbereitschaft einzudämmen.

Bezüglich der Koranauslegung sagte Gerl-Falkovitz, dass sich künftig alles daran entscheiden werde, ob der Koran von seinen versöhnlichen oder von seinen kämpferischen Suren her verstanden werde. Brüder, Geschwister gebe es aber nur, wo es einen Vater gibt. Der Weg dorthin sei gewiss lang und steinig.

Dekan Dr. theol. Ignaz Steinwender ist Pfarrer in Zell am Ziller/Erzdiözese Salzburg


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Lesermeinungen

 Scribus 15. Oktober 2015 
 

Salz der Erde

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man's salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als daß man es wegschüttet und läßt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
(Matth. 5,13-16)
------------------------------------------------------
Ist das Christentum (in der westlichen Welt) noch Salz der Erde? Oder salzt es nicht mehr, weil man Toleranz mit Gleichgültigkeit verwechselt?

Und stellen Christen nicht ständig ihr Licht unter den Scheffel, in dem sie nicht vorhandene Gemeinsamkeiten mit allen Religionen entdecken??

Wir haben alle den gleichen Gott, säuselt man. Allah, der Gott des Korans kann nicht mein Gott sein.


0
 
 myriam 9. Oktober 2015 
 

JESUS oder Mohammed

Der Artikel ist sehr wichtig für die gegenwärtige Situation mit den vielen moslemischen Flüchtlingen.
Wir Christen brauchen ganz dringend sehr einfache Materialien für den DIALOG mit Moslems. Wissenschaft muss Wissen so vermitteln, dass auch Laien das Gelernte schnell im Alltag anwenden können, ohne wenn und aber.
Es ist sehr erschreckend zu sehen, dass wir einerseits die hohen Geisteswissenschaften; Theologie und Philospphie haben und dann lediglich die armen Laien, die auf diese Wissenschaften warten sollen.
Es ist eine echte Schande, dass die Laien, die Schafe nicht mit der passenden Nahrung versorgt worden sind und nun schutzlos einem Dialog im Alltag mit Moslemen ausgeliefert worden sind.
Religionsdialog hat bisher tatsächlich nichts ehrliches auf den Weg gebracht.

JESUS ist absolut einzigartig in seiner ganz besonderen ERLÖSUNGSTAT. Was ER getan hat, dass hat KEIN anderer REligionsgründer getan.
WARUM wird das nicht klar gesagt?
Hoffentlich werden die Verantwortlichen wach!


0
 
  1. September 2015 
 

Toleranz

Der westliche Toleranzbegriff ist durch das Christentum entstanden. In der antiken Stoa bedeutete Toleranz das Ertragen der unvermeidbaren Mühseligkeiten des Lebens. Savonarola griff den Toleranzgedanken auf, begründet auf die Stelle des Evangeliums: ... nehme täglich sein Kreuz auf sich ... (tolerare ist das Kreuz tragen). Dadurch erst wurde die Toleranz zu einer sozialen Tugend. In andere Kulturen (Islam, Buddhismus) können wird diesen Toleranzbegriff nur übertragen, wenn wir auch das Christentum denen mitgeben.


5
 
 Selene 1. September 2015 
 

Kein Gehör

Leider wird auch diese Wissenschaftlerin bei den Politikern und Kirchenleuten Europas kein Gehör finden.

Europa steuert voll Euphorie in den eigenen Untergang. Nur ein Wunder könnte diese Entwicklung noch aufhalten.


6
 
 Kleine Blume 1. September 2015 
 

verdünnte Nächstenliebe

Während die christliche Nächstenliebe auch die Sorge um das ewige Heil meines Nächsten einschließt, beschränkt sich die Toleranz auf die friedliche Koexistenz hier und jetzt.

(Nach den Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges erscheint der Toleranzgedanke durchaus verständlich, aber er beschränkt sich auf ein friedliches Zusammenleben im Diesseits und klammert das Jenseits und somit die Frage nach der wahren Religion aus.)


7
 

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