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'Einfach Spaß haben. Darum geht’s doch!' Wirklich?

26. November 2016 in Kommentar, 2 Lesermeinungen
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Wie die Konsumgesellschaft Unzufriedene produziert. idea-Kommentar von Gerhard Besier


Berlin (kath.net/idea) Freitags, wenn das Wochenende in Deutschland beginnt, prasseln auf allen Kanälen die Freizeitangebote auf uns ein. Nachdem der Radiomoderator alle möglichen Zerstreuungen angepriesen hatte, fasste er zusammen: „Einfach Spaß haben. Darum geht’s doch!“ Wirklich?

Gleichzeitig erreichte uns die Nachricht, dass mehr als jeder zehnte Erwachsene (10,6 Prozent) in Deutschland überschuldet ist – in absoluten Zahlen 6,8 Millionen Menschen über 18 Jahren. Gegenüber dem Vorjahr ist der Prozentsatz um 1,9 Prozentpunkte gestiegen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind gewiss unterschiedlich. So mag Altersüberschuldung damit zusammenhängen, dass in der Wahrnehmung vieler Menschen ihre Renten zu niedrig sind und sie die Kosten für ihren Lebensunterhalt, ohne Schulden zu machen, kaum mehr decken können. Überdies ist die Umstellung ein großes Problem: Solange sie berufstätig waren, konnten sie sich mehr leisten, jetzt müssen sie erst lernen, mit weniger in ihrem Geldbeutel zurechtzukommen.

Es gibt natürlich auch die vielen anderen, die nicht genug verdienen, um sich ihre „Träume“ zu verwirklichen, oder die keine Arbeit haben und dennoch prall „leben“ wollen.


Tagtäglich wird uns vorgegaukelt, was wir zum Leben brauchen

Keine andere Freiheit als die zu konsumieren hat eine solche Erfolgsgeschichte hinter sich. Überall auf der Welt, auch in sozialistischen Staaten wie in China, wollen die Menschen kaufen und besitzen, was ihr Herz begehrt. Tagtäglich wird ihnen vorgegaukelt, was sie zum Leben unbedingt brauchen. Das beginnt bei der Kleidung, die von schönen Menschen oder makellosen Puppen getragen werden. Ziehst du dieses oder jenes an, so lautet die Verheißung, dann bist du wer. Ähnlich verhält es sich mit Möbeln, die angeblich eine Wohnung erst wirklich wohnlich machen, mit dem Auto und vielen anderen Gegenständen, die zu besitzen angeblich notwendig sind.
Nur wenige können sich diesem beständigen Drängen entziehen. Sie schließen einen Kreditvertrag nach dem anderen ab und können die Raten schließlich nicht mehr bedienen. Schuldnerberater sollen ihnen dann aus der Patsche helfen.

Bekämpft sich die Gesellschaft selbst?

Ein erheblicher Teil der Unzufriedenheit vieler Menschen mit der Regierung und den Eliten rührt aus dem Gefühl, nicht das zu bekommen, was ihnen eigentlich zusteht, abgehängt worden zu sein und am Rande der Gesellschaft dahinvegetieren zu müssen. Solche Gefühle sind stärker als ruhige Argumente. Und das Irre daran ist ja, dass es dieselbe Gesellschaft ist, aus der heraus ständig neue Bedürfnisse erfunden werden. Insofern könnte man tatsächlich sagen, dass unsere Gesellschaft sich selbst bekämpft.

Es gäbe was von Wert, doch die Stimmen bleiben verschwommen

Dabei gibt es zweifellos die Sehnsucht nach dem, was bleibt, nach dem, was wirklichen Wert hat. Doch die Stimmen derer, die die Menschen auf die tatsächliche Mitte ihres Lebens verweisen wollen, bleiben merkwürdig verschwommen und durchsetzt von Debatten, die dort eigentlich nicht hingehören. Die EKD-Synode ist vorüber, und viele Kirchenmitglieder haben nicht einmal wahrgenommen, dass sie überhaupt stattgefunden hat. Wieder einmal ging von ihr keine zündende Botschaft aus, sondern der theopolitisch so korrekte Sprech gegen „Rechtspopulisten“, den viele Gläubige so satt haben. Dabei wäre es endlich an der Zeit, sich auch im kirchlichen Raum selbstkritisch zu fragen, welche Arroganz und Ignoranz aufseiten der meist linksliberal gestimmten kirchlichen Eliten zu dieser breiten Unzufriedenen-Bewegung an der Basis geführt hat.

Die Kirche hat bisher keine Antwort gefunden

„Die da oben“ haben Spaß, denn sie können sich eben alles auf unsere Kosten leisten, so denken viele an der Basis. Und die Reaktion ist: „Wir aber nicht, und das muss sich ändern!“ Das Bewusstsein der Menschen ist egalitärer geworden – ein positives Ergebnis der demokratischen Sozialisation. Die Ökonomie aber ist es nicht und auch nicht die angemessene Bildung, die einen erst befähigt, mit raffinierten Versuchungen und eigenen Wünschen so umzugehen, dass man in diesem Meer aus Verführung und Selbsttäuschung nicht untergeht. Auf die massive Rebellion von denen „da unten“ gegen „die da oben“ hat die Kirche bisher keine andere Antwort gefunden als die Politik. Darin liegt die wahre Enttäuschung. Es fehlt an geistlicher Orientierung in der Spaßgesellschaft.

Der Autor, Gerhard Besier (Dresden), ist habilitierter evangelischer Theologe, promovierter Historiker und Diplom-Psychologe. Er lehrt an verschiedenen europäischen Universitäten und an der Stanford-Universität in Kalifornien.


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