Login




oder neu registrieren?


Suche

Suchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln:







Top-15

meist-diskutiert

  1. Weihnachtsinterview von Bischof Bätzing kommt ohne Weihnachten aus
  2. Kirchenbesucher sorgten für Eklat bei Christmette in Freiburg
  3. War der Magdeburger Weihnachtsmarkt-Mörder doch ein Islam-Anhänger?
  4. Hugh Grant: 'Ihr Katholiken habt bestimmt mehr Spaß im Leben als die Protestanten'
  5. Wirre Anordnung von Kardinal Cupich: Gläubige sollen Kommunion nur im Stehen empfangen
  6. Heiliges Jahr der Hoffnung 2025. Geistliche Erneuerung und Verpflichtung zur Umgestaltung der Welt
  7. Pro-Death bis zum Ende – Joe Biden
  8. Stille Nacht, Heilige Nacht
  9. Ab 20. Januar ist Schluss mit 'Gender-Wahnsinn' in den USA
  10. Ein "Scha(r)feswort" an den Bischof von Speyer
  11. Weint eine Ikone der Gottesmutter in der Kathedrale von Łódź?
  12. Pasha Lyubarsky, Berliner Jude: „Fünf historische Fakten zu Jesus“
  13. Noel
  14. Immer wieder rührt die Schönheit dieses Evangeliums unser Herz an
  15. Urbi et Orbi Weihnachten 2024: Jesus ist die Pforte des Friedens

Spinnen die Gläubigen?

18. Juni 2007 in Österreich, keine Lesermeinung
Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden


Krankmachende Religion – oder die artgerechte Haltung des Menschen: Eine interdisziplinäre Kontroverse über das, was Papst Benedikt XVI. "Pathologien der Religion" nannte. Von Stephan Baier / Die Tagespost.


Graz (www.kath.net) „Der Mensch soll das Christentum aufgeben, dann erst wird er Mensch“, schrieb der Philosoph Ludwig Feuerbach. Seitdem steht die These im Raum, dass „Religion“ – gemeint ist offensichtlich stets monotheistische Religion – den Menschen entfremde.

Wenn Gott nicht mehr ist als „was der Mensch nicht wirklich ist, aber zu sein wünscht“, also lediglich „der in der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen“ (Feuerbach), dann ist Religion wohl, wie Marx formulierte, Produkt der Entfremdung des Menschen, bestenfalls „Opium des Volkes“, schlimmstenfalls ein Herrschaftsinstrument. Wie naheliegend klingt dann auch die These Sigmund Freuds, Religion sei eine universelle Zwangsneurose, eine infantile Form der Wirklichkeitsbewältigung.

Der Moraltheologe und Salzburger Weihbischof Andreas Laun tat bei einer hochkarätigen Debatte unter der Fragestellung „Macht Religion psychisch krank?“ an der Grazer Universtiät deshalb gut daran, jenseits aller unbestreitbarer Phänomene von Krankem und Ungesundem innerhalb der Religionsgemeinschaften auch die Wahrheitsfrage zu stellen: „Wenn etwas wahr ist, muss ich es den Menschen sagen, auch wenn es bedrohlich ist. Wenn es tatsächlich die Gefahr gibt, dass der Mensch sein ewiges Leben verspielt, muss ich ihn warnen, auch wenn ihn die Warnung krank machen könnte.“

Laun widersprach dem weit verbreiteten Trend, unter Umgehung der Wahrheitsfrage nur über die psychischen Wirkungen religiöser Lehren und Praktiken zu diskutieren.

Damit war die Frage, „wie“ Religion auf die psychische Gesundheit und Stabilität von Menschen wirkt, wieder auf das „was“ der eigentlichen Botschaft von Gott ausgeweitet. Wie sehr diese Frage auch heute umtreibt, zeigte das mit rund 300 fragefreudigen Studenten vollbesetzte Auditorium ebenso wie die einleitende These der Grazer Philosophie-Professorin Sonja Rinofner, prinzipiell könne alles krank machen.

Es sei eine Frage der Dosierung, der Einstellung, der Motivation und der individuellen Stabilität, ob Arbeit, Liebe oder Religion krank machen oder nicht. Nicht das Abstraktum Religion, sondern die spezifische Weise, mit Religion in der eigenen Lebenspraxis umzugehen, könne krank machen. Aber, so die Philosophin weise, alles hänge auch davon ab, wie man „Krankheit“ definiert.

Hat Religiosität also dann „pathogene Effekte“, wenn sie „radikalen Thesen“ verhaftet ist, wie Sonja Rinofner meinte, die als Gegensatzbeispiele Karl Marx´ These „Religionen sind Herrschaftsinstrumente“ und Viktor Frankls Definition der Religion als „Ausdruck des Willens zum Sinn“ nannte?

Macht eine Lehre schon deshalb krank, weil sie „dogmatistisch“ (Rinofner) und mit besonderer Entschiedenheit vertreten wird? Ist es tatsächlich stimmig, wie der Psychiater und Psychotherapeut Walter Pieringer meinte, dass die Dosis das Gift macht?

Wäre es so, „dann können Sie alle Heiligen in die Psychiatrie stecken“, reagierte Bischof Laun, der darauf hinwies, dass die sowjetische Staatsmacht dies mit gläubigen Christen auch wirklich tat. Warum das Festhalten an einem Dogma, das sichere Für-wahr-Halten einer Glaubensaussage krank machen sollte, sei ihm schleierhaft, meinte der Bischof. Pieringer selbst relativierte seine „Dosis“-Theorie: „Christliche Radikalität ist nicht an sich ein Problem, sondern eine persönliche Entscheidung.“

Auch Pieringers These, dass „Religion kränkt“, dass Religion und jedes Gebot „eine Schieflage erwirkt und erzwingt“, weil sie uns zwingen, „uns strampelnd strebend zu entscheiden“, ließ Bischof Laun nicht in vollem Umfang gelten: Ja, Religiosität könne pathologisch werden, etwa wenn sie sich der Vernunft verweigere.

Auch müsse man in der Verkündigung Einseitigkeiten meiden und den Gott, der die Liebe ist, in den Mittelpunkt stellen. Die Zehn Gebote aber seien „die artgerechte Haltung des Menschen“. Judentum und Christentum seien keine Ideen oder Theorien, sondern die Beziehungsgeschichte Gottes mit den Menschen. Die Aufgabe der Kirche und ihrer Priester sei es, den lebendigen Gott zu verkündigen.

„Der religiöse Mensch braucht eine Gottes-Beziehung, kein Gottes-Bild“, meinte auch der Psychiater und Neurologe Raphael Bonelli. Aus psychiatrischer Sicht seien nicht die großen monotheistischen Religionen problematisch, sondern die kleinen Sekten mit ihrer Macht über Menschen.

Aus seiner psychiatrischen Praxis berichtete Bonelli Fälle, die oberflächlich einen religiösen Wahn nahelegen, tatsächlich sich jedoch als pseudo-religiöse Artikulation endogener Störungen entpuppten. So fühle sich beispielsweise ein religiös orientierter schizophrener Patient von Dämonen oder Teufeln bedroht, wo der nicht-religiöse Schizophrene Aliens und Ufos wähne.

Hatte Pieringer die „ekklesiogene Neurose“ als ein Zusammentreffen von väterlicher (Vater, Gott-Vater) und mütterlicher (Mutter, Mutter Erde, Mutter Kirche) krankmachender Dimension geschildert, so beschrieb Bonelli den Neurotiker als „Ich-haft“ und „eingesperrt ins eigene Ich“.

Der Neurotiker neige dazu, die anderen für sein Unglück verantwortlich zu machen und eigene Probleme auf andere zu projezieren – auf die eigenen Eltern oder auf die Kirche: „Wenn die Verantwortung weg ist, ist auch die Freiheit weg.“

Laut Bonelli gibt es „viel kranke Religiosität“, und religiöse Menschen würden leicht als verrückt gelten, aber Religion könne auch helfen, aus der Krankheit herauszukommen. Gleichzeitig bemächtigten sich Neurosen auch der Religion. Für den religiösen Wahn sei bezeichnend, dass sich der Patient nicht durch die eigene Lehre korrigierbar zeigt.

Bonelli wörtlich: „Viele Menschen, die psychische Probleme haben, sind religiös. Manchmal, wenn ich in eine Kirche gehe, frage ich mich: Bin ich noch auf der Klinik oder nicht?“ Der Psychiater erklärte seine provokative Aussage auf Nachfragen damit, dass die Kirche auch „ein letzter Zufluchtsort für sehr viele“ sei: „In der Krise halten die Floskeln des Zeitgeistes nicht mehr.“

Deshalb würden viele in solchen Situationen ihre Religiosität wieder entdecken. Psychisch labile und kranke Menschen fänden mitunter in der Kirche jene Barmherzigkeit, die ihnen die Gesellschaft nicht bietet.

Angesichts dieser Tatsache und weil, laut Bonelli, neurotische Störungen heute zunehmen, provoziert das Thema der Diskussion „Macht Religion psychisch krank?“ wohl – ohne damit beantwortet zu sein – auch die Gegenfrage, die Bischof Laun so formulierte: „Macht Gottlosigkeit krank?“

Die „typische Heidenangst“, die Angst „vor dem Fallen ins Nichts“ (Laun) könnte die religiöse Seite dessen sein, was Bonelli als „Heimatlosigkeit“, und damit als eine der Ursachen zunehmender neurotischer Störungen des heutigen Menschen beschrieb.

Viele Aspekte der „Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ wird ein interdisziplinärer Kongress beleuchten, der von 11. bis 13. Oktober in Graz stattfinden wird. Daran wirken Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten, Kirchenvertreter und Theologen mehrerer Religionen und Konfessionen, Religionswissenschaftler, Ethiker und Künstler mit.

Unter den Hauptvortragenden finden sich die Bischöfe Andreas Laun und Franz Lackner, die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, der kroatische Theologe Tomislav Ivancic und der Kölner Arzt und Bestsellerautor Manfred Lütz.

Nähere Informationen und Anmeldung im Internet unter: www.rpp2007.org



Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!

 





Lesermeinungen

Um selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen.

Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
kath.net verweist in dem Zusammenhang auch an das Schreiben von Papst Benedikt zum 45. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und lädt die Kommentatoren dazu ein, sich daran zu orientieren: "Das Evangelium durch die neuen Medien mitzuteilen bedeutet nicht nur, ausgesprochen religiöse Inhalte auf die Plattformen der verschiedenen Medien zu setzen, sondern auch im eigenen digitalen Profil und Kommunikationsstil konsequent Zeugnis abzulegen hinsichtlich Entscheidungen, Präferenzen und Urteilen, die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht explizit davon gesprochen wird." (www.kath.net)
kath.net behält sich vor, Kommentare, welche strafrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen, zu entfernen. Die Benutzer können diesfalls keine Ansprüche stellen. Aus Zeitgründen kann über die Moderation von User-Kommentaren keine Korrespondenz geführt werden. Weiters behält sich kath.net vor, strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.


Mehr zu

Gesellschaft

  1. Unschuldig angeklagt und verurteilt
  2. Scott Hahn: ‚Mit Kompromissen gewinnen wir nicht’
  3. Verkauf eines Feminismus-kritischen Buchs auf Facebook und Instagram gesperrt
  4. Österreichs Integrationsministerin richtet „Dokumentationsstelle politischer Islam“ ein
  5. Eine Kathedrale in Istanbul - und eine in Nantes
  6. US-Stadt will barbusige Frauen in öffentlichen Parks erlauben
  7. „Wäre das Kinderkopftuch eine christliche Tradition, wäre es schon lange verboten“
  8. CNN-Moderator Chris Cuomo: Amerikaner "brauchen keine Hilfe von oben"
  9. Fridays For Future Weimar: „Die Polizei diskriminiert, mordet, prügelt, hehlt“
  10. Ich bin ein 'weißer Mann', aber deshalb knie ich mich nicht nieder







Top-15

meist-gelesen

  1. Große Baltikum-Reise mit kath.net - Spätsommer 2025 - JETZT ANMELDEN und PLATZ SICHERN!
  2. DRINGEND - Weihnachtsspende für kath.net - Wir brauchen JETZT Ihre HILFE für das Heilige Jahr 2025
  3. Kirchenbesucher sorgten für Eklat bei Christmette in Freiburg
  4. Weihnachtsinterview von Bischof Bätzing kommt ohne Weihnachten aus
  5. War der Magdeburger Weihnachtsmarkt-Mörder doch ein Islam-Anhänger?
  6. Ab 20. Januar ist Schluss mit 'Gender-Wahnsinn' in den USA
  7. O Rex gentium
  8. Sr. Angela Maria Autsch - Der „Engel von Auschwitz“ starb vor 80 Jahren
  9. Weint eine Ikone der Gottesmutter in der Kathedrale von Łódź?
  10. Hugh Grant: 'Ihr Katholiken habt bestimmt mehr Spaß im Leben als die Protestanten'
  11. Heiliges Jahr der Hoffnung 2025. Geistliche Erneuerung und Verpflichtung zur Umgestaltung der Welt
  12. Pasha Lyubarsky, Berliner Jude: „Fünf historische Fakten zu Jesus“
  13. 'Wie glücklich doch die Menschen sind, die einen Glauben haben!'
  14. O Emmanuel
  15. Neue Internetseite mit Informationen über die Kardinäle der Katholischen Kirche online

© 2024 kath.net | Impressum | Datenschutz