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| Ein Prophet in Zeiten des globalen gesellschaftlichen Umbruchs!18. Oktober 2014 in Deutschland, 1 Lesermeinung Bischof Rudolf Voderholzer, Regensburg zur Seligsprechung Pauls VI. Regensburg (kath.net) Mut hatte Paul VI. - dass er mit seiner Enzyklika Humanae Vitae über die menschliche Sexualität den Plausibilitäten einer vermeintlich aufgeklärten westeuropäischen und nordamerikanischen Sicht widersprach, war ihm bewusst. In einer Ansprache an das Kardinalskollegium sagte er am 23. Juni 1978: Es war dies eine schwer durchlittene Entscheidung, ( ) von der ich wusste, dass sie gegen die Erwartungen der Christenheit stand (zitiert nach: Joseph Ratzinger, Paul VI. Papst der Ökumene und Anwalt der Völker. Predigt beim Gottesdienst zum Papstsonntag am 2. Juli 1978, in: Ders., Kirche Zeichen unter den Völkern [JRGS 8/1], S. 683). Joseph Ratzinger kommentierte die Entscheidung 1978 mit den Worten: Er konnte der Telekratie und der Demoskopie widerstehen, weil sein Maßstab nicht der Erfolg und der Beifall war, sondern das Gewissen, das sich an der Wahrheit, am Glauben misst (Joseph Ratzinger, Predigt beim Gedenkgottesdienst für Papst Paul VI. im Münchener Liebfrauendom am 10. August 1978, in: Münchener Ordinariatskorrespondenz 20, 1978). Liebe und Leben gehören zusammen: Das war die Botschaft Papst Pauls VI., die zu verkünden ihn im Sommer 1968 sein Gewissen drängte. Die eheliche Liebe bindet Frau und Mann zusammen, sie beflügelt die Sinnlichkeit, die Herzlichkeit und die Hingabe, in der sie das Geschenk neuen Lebens empfangen und weitergeben. Sie ist Fundament und Atmosphäre eines Lebensraums, in dem Menschen gedeihen, wachsen und sich entfalten können. Eine künstliche Mauer, errichtet zwischen der Liebe und dem Leben, ist wie ein Fremdkörper, der unseren Lebensraum verändert. Sie wirkt wie Pflanzengift: praktisch, billig, einfach. Unsere Erdbeeren lachen uns herrlich rot an. Aber das Gift konzentriert sich langsam und schleichend im Boden, im Bach und schließlich auch in unseren Körpern. Die künstliche Mauer ist so wenig zukunftstauglich wie Quecksilber und Nitrate im Grundwasser. Wenn Liebe, Sexualität und die Weitergabe des Lebens nicht mehr zusammengehören, zerbröseln die Kraft, zueinander Ja zu sagen, der Mut zum neuen Leben und die erfüllende Geborgenheit der großen Liebe. Langsam und ohne, dass man es merkt. Was bleibt, ist eine mächtige und wachsende Sehnsucht. Ich glaube, der Zeitpunkt der Seligsprechung ist in vielfacher Hinsicht glücklich. Der Ab-schluss des Seligsprechungsverfahrens fällt in eine Zeit, die offen ist für die Argumente Pauls VI. Unsere Gegenwart ist gegenüber der von 1968 gekennzeichnet durch eine Hochschätzung von Bio-Lebensmitteln und einer Skepsis gegenüber allzu vielen chemischen Substanzen in Medikamenten, das Jahr 2011 brachte in Deutschland den Atomausstieg und dass das ökonomische Wachstum Grenzen hat, die insbesondere von ökologischen Rahmenbedingungen gesetzt werden, ist heutzutage deutlich. In einer Zeit, in der Natur und Natürlichkeit in vielen Bereichen des menschlichen Lebens Hochkonjunktur haben und vor allem auch die Wirkungen hormoneller Eingriffe in die biologische Fruchtbarkeit von Frauen zunehmend kritisch betrachtet werden, sind bessere Voraussetzungen gegeben für eine Rückbesinnung auf personale Werte wie Rücksicht, gegenseitige Achtung, gemeinsame Verantwortung, Selbstbeherrschung und Treue. Sie lassen den Vorzug eines natürlichen Weges der Empfängnisregelung gegenüber künstlichen Mitteln und Methoden nicht nur plausibel sondern geradezu modern erscheinen. Papst Franziskus spricht von der prophetischen Genialität seines Amtsvorgängers. Paul VI. ging es um die Ökologie menschlicher Liebe, als der Zeitgeist noch begeistert davon träumte, mit Chemie, Plastik und Atomstrom die schöne neue Welt zu gestalten. Es ist an der Zeit, Paul VI. zuzuhören. So sehr seine Schriften auch vom kurialen Äußerungsstil des vergangenen Jahrhunderts geprägt sind, so hilfreich sind dennoch seine Gedanken. Den vielen unerfüllten Sehnsüchten, die bei aller Skepsis, Rationalität und Pragmatik einfach nicht verstummen wollen, mögen sie dienen als Wegweiser einer nachhaltigen Menschlichkeit. Natürlich ist es falsch, Papst Paul VI. nur auf die Enzyklika Humanae Vitae zu reduzieren. Un-ter den vielen Eckpunkten seines Pontifikats möchte ich einige auswählen, die mir persönlich wichtig erscheinen: Paul VI. ist der Konzilspapst, dem das Gelingen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verdanken ist. Alle Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen wurden während seines Pontifikates vom Konzil verabschiedet. Er war es, der das Konzil nach dem Tod Johannes XXIII. fortführte und nach seinem erfolgreichen Abschluss seine Entscheide in das praktische Leben der Kirche umsetzte. Ausdruck seines Bemühens für die Weitergabe des Glaubens ist sein Credo des Volkes Gottes, das eine aktualisierte Form des Glaubensbekenntnisses darstellt. Paul VI. erkannte die theologische Kompetenz von Joseph Ratzinger und förderte ihn. Er berief ihn als Professor in die neu konstituierte Internationale Theologische Kommission, nach dem frühen Tod von Julius Kardinal Döpfner ernannte er ihn zum Erzbischof von München und Freising und nahm ihn umgehend ins Kardinalskollegium auf. Während seines Pontifikats öffnete Paul VI., der zuvor als Erzbischof von Mailand gewirkt hatte, die Türen weit für die Auseinandersetzung mit der Moderne. Er, der Intellektuelle, intensivierte den Kontakt mit Journalisten und Medien, Künstlern, Arbeitern und Philosophen. Das Museum Collezione Paolo VI arte contemporanea in seinem Geburtsort Concesio zeigt sehr eindrücklich, welchen Stellenwert für Paul VI. die zeitgenössische Kunst hatte.
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