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Wenn ich in einer Diktatur gelebt hätte

4. Juli 2017 in Kommentar, 6 Lesermeinungen
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Christ-Sein ist mehr als gute Laune und Scheinsiege. Es setzt einen ungetrübten Realitätssinn und Distanz gegenüber den Herrschern dieser Welt voraus - Diakrisis am Dienstag von Stefan Meetschen


Linz (kath.net)
Manchmal im Geschichtsunterricht, wenn wir über die NS-Diktatur und die DDR sprachen, habe ich mich gefragt, was ich wohl gemacht hätte, wenn ich zu anderer Zeit an anderem Ort auf die Welt gekommen wäre. Nicht 1969, sondern 1919, nicht in Duisburg, sondern in Leipzig. Wenn ich nicht in einem demokratischen System wie der Bonner Republik groß geworden wäre, sondern in einer Diktatur. Wäre ich ein opportunistischer Mitläufer gewesen oder ein Widerstandskämpfer? Ich weiß es nicht. Und die Antwort kann ja ebenso wie die Frage nur hypothetisch sein.

Vermutlich hätte ich mich aus allen politischen Dingen so weit wie möglich rausgehalten. Ich hätte mich wohl nicht in ein Parteibuch eingetragen, um Karriere zu machen oder bestimmte Erleichterungen des Systems zu ergattern, sondern mich weitestgehend unsichtbar gestellt. Meinen eigenen Garten hätte ich zu bestellen versucht. Symbolisch und wenn möglich real. „..., mais il faut cultiver notre jardin“ - wie es in Voltaires „Candide“ heißt. Vielleicht hätte ich mich wie der Waldgänger und Anarch Ernst Jünger, der für innere Emigranten ein gutes Vorbild sein kann, an Insekten und Käfern begeistert, um bei dieser mikroskopischen Beschäftigung den makropolitischen Kontext nicht allzu dicht an mich herantreten zulassen. Was nicht heißen soll, dass ich mich unter den Lebensbedingungen einer Diktatur nicht für Metaphysik interessiert hätte. Im Gegenteil. Gerade als Skeptiker kann mir sehr gut vorstellen, dass man in einem Klima der Angst, der Einschüchterung und der Denunziation einen sehr direkten Draht zum Allmächtigen aufbaut, einfach, weil es keine andere Form der inneren Sicherheit und Freiheitsgewinnung mehr gibt. Keine Zerstreuungsmöglichkeit. Man bezieht Kraft und Klarheit aus dem Gebet, wie es zum Beispiel die Mitglieder der Weißen Rose erlebten. Oder Nikolaus Groß. Oder Fritz Gerlich.


Ich hätte dazu vermutlich häufig den Rosenkranz gebetet und viel in der Heiligen Schrift gelesen, um mich an Jesus von Nazareth direkt zu orientieren. Es gibt ja leider, mag die Kirche als Ganze auch unsinkbar sein, keine Diktatur, die es nicht irgendwie geschafft hätte, kirchliche Würdenträger zu ihren ideologischen Werkzeugen und Sprachrohren zu machen. Vor diesen Personen und ihren Worten hätte ich mich gehütet. Ich hätte so häufig wie möglich das Sakrament der Eucharistie empfangen – vielleicht im Rahmen einer Untergrundkirche, aber bei den Beichtgängen hätte ich sehr genau geprüft, wem ich meine innersten Geheimnisse und Verfehlungen anvertraue, auf das die Barmherzigkeit Gottes herabgerufen wird. Ich hätte mein Gewissen – diese interne göttliche Instanz, die als Begriff so häufig missbraucht wird – im Spiegel großer Kirchenlehrer geschärft: Augustinus, Thomas von Aquin, John Henry Kardinal Newman. Vermutlich hätte ich auch Chateaubriand und Joseph de Maistre gelesen, um wenigstens aus der Entfernung zu verstehen, wie Politik funktioniert und zu welchen Verfehlungen sie in der Lage ist, wenn die Agierenden sich selbst absolut setzen.

Wichtig auch: der Kontakt mit Freunden, mit Gleichgesinnten. Ich hätte wenige Briefe geschrieben und wenig telefoniert und wenn dann nur in verklausulierter Form, um keinen Verdacht zu erwecken. Totalitäre Systeme durchdringen diese Kommunikationsräume. Ich hätte den persönlichen Kontakt, das persönliche Gespräch bevorzugt – und dieses lieber im Wald bei einem Spaziergang als in geschlossenen Räumen, die abgehört werden können, stattfinden lassen. Paranoia? Vielleicht, aber diese hypothetische Haltung stützt sich auf die reale Erfahrung von realen Menschen, die ich kenne und die abgehört wurden. In der DDR, in der Volksrepublik Polen.

Und wenn man mich vonseiten des Unrechtstaates aufgesucht hätte, wenn man mich zur Mitarbeit gezwungen hätte? Schwer zu sagen. Ich hoffe, dass ich stark genug geblieben wäre, um niemanden zu verraten, niemandem zu schaden. Deutlich gesagt: stark genug, um dem Teufel zu widerstehen. Ich weiß aber auch, dass man für fehlende Kooperation einen Preis zahlt. In jeder Diktatur war das so. Man wird denunziert, diskreditiert, diffamiert.

Warum ich das alles aufschreibe? Hier und heute? Im Wald bei Warschau im Sommer 2017? Fürchte ich, dass in West- oder Osteuropa wieder diktatorische Verhältnisse entstehen könnten? Fürchten sicherlich nicht, aber ich denke, man ist gut beraten, sich stets auf negative Entwicklungen einzustellen. Nicht nur auf der europäischen, sondern auf der globalen Ebene. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie lebt von Diskussionen und Streit, verschiedenen Optionen und Alternativen. Auch Religionsfreiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie lebt von Toleranz und Respekt, vor allem von Liebe zum jeweiligen Menschen, der glaubt. Was immer er auch glaubt. Solange der Glaube nicht destruktiv ist.

Deshalb wäre es traurig, wenn das, was ich hier als persönliche hypothetische Verhaltenregeln notiert habe, eines Tages auch in Europa wieder, wie in anderen Erdteilen (siehe Nordkorea), notwendig und hilfreich werden sollte. Was nicht heißt, dass man diese Regeln nicht jetzt schon beherzigen kann und darf. Auch in einer Demokratie und in einer freiheitlichen Kirche sind sie sicherlich nicht schädlich für das eigene Seelenleben. Schließlich geht es darum, sich nicht als Opfer gesellschaftlicher Trends, mit denen man nicht übereinstimmt, zu bemitleiden und in Verzweiflung zu suhlen, sondern zu denen zu gehören, die trotz all ihrer Schwachheit und ihrer Fehler zu den „Stärkeren im Geiste“ (Sophie Scholl) zählen. Christ-Sein ist mehr als gute Laune und Scheinsiege. Es setzt einen ungetrübten Realitätssinn und Distanz gegenüber den Herrschern dieser Welt voraus, egal ob sie links, rechts oder in der Mitte stehen, verschiedene Nuancen des Populismus vertreten. Die wahre Nachfolge geschieht im Vertrauen auf die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, die uns umfängt, auch wenn wir sie nicht sehen oder wie einen App herunterladen können.


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