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| Unsere Hausordnung steht: Keine Integration ohne Frauenrechte18. Juli 2018 in Buchtipp, 13 Lesermeinungen Leseprobe aus dem neuem Buch der Ministerin Julia Klöckner (CDU): Nicht verhandelbar. Integration nur mit Frauenrechten Gegenüber vielen patriarchalisch geprägten Zuwanderer darf es keine Toleranz bei intoleranten Geschlechterbildern geben Gütersloh (kath.net/Gütersloher Verlagshaus) Das Risiko, in Deutschland von einem Terroranschlag betroffen zu sein, ist geringer als die Gefahr, an einer Pilzvergiftung zu sterben, belehrte uns ein Risikoforscher im Januar 2015 im Deutschlandfunk Kultur. Statistisch betrachtet ist es außerdem viel wahrscheinlicher, dass ich mir beim Fensterputzen oder sonstiger Hausarbeit den Hals breche oder bei einem Autounfall sterbe, als dass ich Opfer eines sexuellen Übergriffs werde. Müssen wir jetzt also alle mal runterkommen und uns nicht weiter aufregen, oder darf ich als Frau dennoch Sorge vor Entwicklungen haben, auch, bevor sie mich persönlich betreffen? Anders gesagt: Muss man erst selbst Opfer werden, um mitreden zu dürfen? Selbst in seriösen Nachrichtensendungen wurden eine ganze Weile Äpfel mit Birnen verglichen, um Beschwichtigung zu betreiben oder und das ist ebenfalls als Argument sehr beliebt um nicht den »falschen« politischen Kräften Wasser auf die Mühlen zu geben. Gut gemeint, und man kann es nachvollziehen, aber es bringt uns nicht weiter. Schlimmer noch: Es vermittelt den Eindruck, als würden Medien und Politik die Menschen nicht ernst nehmen. Das ist, als wollten Sie einem Kleinkind erklären, es gäbe gar keine Gespenster unter dem Bett, sobald das Licht ausgeht. Rational haben Sie Recht. Faktisch wird das Licht nötig sein, damit das Kind schläft. Im Dunkeln sieht das aus der Perspektive eines Vierjährigen nämlich ganz anders aus. Für eine Frau um Mitternacht in einer dunklen Unterführung auch. Nein, ich vergleiche Bürger oder speziell Frauen nicht mit Vierjährigen oder setze sie auch nicht mit Kindern gleich bitte keinen Aufschrei. Worum es mir geht: Statistiken sind das eine, Gefühle das andere egal, wie alt man ist. Und obendrein: Es gibt zwar keine Gespenster unter dem Bett, aber es gibt Überfälle in dunklen Unterführungen. Und deswegen ist es weder klug noch in Ordnung, all jene zu belächeln oder gar zu diffamieren, die von Sorgen umgetrieben werden, obwohl ihnen persönlich noch nichts passiert ist. Der Begriff des »besorgten Bürgers« ist bereits gesellschaftlich nahezu geächtet. Klar ist auch: Nicht jede noch so groteske »Sorge« muss man zwangsläufig ernst nehmen, man kann dem Besorgten auch etwas Mitdenken abverlangen, wenn er meint »Die Asylanten nehmen mir alles weg. Die kriegen alles, ich krieg nichts.« Oder nach dem Motto: »Die vergreifen sich alle an unseren Frauen.« Das sind Pauschalurteile, die man zwar äußern kann, denen ich aber deutlich widerspreche. Ich meinte die Bürger, die gesellschaftliche Entwicklungen beobachten, differenziert beurteilen, die sich Sorgen machen, wie sich zum Beispiel der Umgang mit Frauen verändert, die sehen, dass Integration allzu oft in Sonntagsreden beiläufig erwähnt, aber nicht klar genug eingefordert wird. Schnell gehört man bereits zum falschen politischen Lager, wenn man als Bürger diese Sorgen äußert. Dabei ist es doch legitim. Genau dafür machen wir als Politiker übrigens Bürgersprechstunden, damit die Leute kommen und uns ihre Bedenken mitteilen können. Es widerspricht zudem der Logik aller politischen Konzepte, wenn wir persönliche Betroffenheit oder gar einen Opferstatus fordern, um politisch mitreden zu dürfen, vor allem dort, wo doch eigentlich Weitblick und nachhaltiges Agieren gefragt wäre. Selbstverständlich existieren in unserem Land noch Inseln der Glückseligkeit, auf denen es weder Integrationsprobleme, noch wesentliche Ausschläge in der Kriminalitätsrate und auch keine unsicheren Ecken gibt. Die Struktur unseres Landes ist ja tatsächlich unterschiedlich. Und deswegen ist es auch viel einfacher, in einem Dorf die 20 anwesenden Asylbewerber in die Kultur und den Alltag der Einheimischen zu integrieren und die drei dazugehörigen Kinder auf der Grundschule im Erwerb der deutschen Sprache zu fördern. Auch das ist Aufwand, aber sicher vorbildlich zu meistern. Schwieriger wird es aber, wenn, wie in so manchen Berliner Schulklassen, schon 80 Prozent der Schüler sich nicht mehr auf Deutsch auf dem Schulhof und in der Freizeit miteinander unterhalten, weil sie es zu Hause gar nicht sprechen, und die anwesenden Lehrerinnen mit den verbliebenen deutschsprachigen Kindern eine Minderheit darstellen. Gefühlte Angst ist oft ungerecht. Sie verdächtigt Unschuldige, begegnet Anständigen mit Misstrauen und sät Zweifel, wo Vertrauen nötig wäre. Sie ist oft irrational, speist sich aus früheren schlechten Erfahrungen, aus verinnerlichten Warnungen in unserer Erziehung, aus der Nachrichtenlage, der eigenen Wehrhaftigkeit und auch aus der individuell sehr unterschiedlich verteilten Robustheit unter Frauen. Wir Frauen werden in dem Bewusstsein groß, dass wir Männern körperlich in der Regel immer unterlegen sind. Das ist nicht Sexismus, sondern Fakt. Wir werden als Frauen auch sozialisiert mit dem Bewusstsein: Sei misstrauisch bei Fremden. Das ist kein Rassismus, sondern Vorsicht und Vernunft. Es ist ein Schutzkonzept, das die eigenen Möglichkeiten und Begrenzungen einkalkuliert. Ich finde es immer ganz hilfreich, sich vor dem Verteilen guter Ratschläge selbst an die Nase zu fassen: Was würde ich selbst tun? Was würde ich meiner Tochter empfehlen, meiner Nichte, meinen Freundinnen? Und wenn es eine Diskrepanz gibt zwischen dem, was man selbst tun würde, und dem, was man anderen andient, sollte einen das misstrauisch machen. Gerade als Politikerin. Wer selbst im Taxi sitzt, hat gut reden über die Zustände nachts um drei in der S-Bahn. Was ich sagen will: Politik muss die Menschen dort abholen, wo sie stehen und ihnen ihr präventives Handeln nicht auch noch zum Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit machen. Wir alle schließen unsere Haustüre und das Auto ab. Die Polizei empfiehlt es sogar. Wir machen das, weil es vernünftig ist. Weil ein Unterlassen Leichtsinn wäre. Wir schützen unser Heim, Hof und unsere Familien, weil wir es auf dieser Welt nicht nur mit friedliebenden und freundlichen Menschen zu tun haben. Wir nennen es gesundes Misstrauen, denn Vertrauen ist etwas, das man sich erst verdienen muss, man bekommt es nur ganz selten spontan geschenkt. Sich sicher fühlen zu wollen, ist eine zutiefst menschliche Regung. Sich Sorgen zu machen um seine Töchter und Söhne auch. Männer und Frauen haben unterschiedlich hohe Risiken, von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen zu sein. Auf der Domplatte in Köln sind die Frauen sexuell belästigt worden, nicht die Männer. Es sind die Frauen, die sich im Zweifel körperlich schlechter wehren können als die Männer. Es sind die Frauen, die auch unter den Flüchtlingen eine Minderheit darstellen und somit allein schon zahlenmäßig unterlegen sind. Es sind die Frauen, deren Rechte weltweit in der Regel nicht selbstverständlich sind. Es sind die Frauen, die wieder mal als Erste betroffen sind von den gesellschaftlichen Veränderungen. Und es betrifft alle Frauen, die sich in Deutschland aufhalten, allerdings in unterschiedlicher Weise. Es sind jedenfalls die Frauen, die schon längst begonnen haben, sich auf die neue (Un)-Sicherheitslage einzustellen. Wenn selbst der SPD-Innenminister von Rheinland-Pfalz davon sprach, dass seine Töchter und Frau mit Pfeffergasspray in der Tasche joggen gehen, ist das zumindest kein Hirngespinst. Instinktiv tun wir das, was die Gefahr mindert, Opfer eines Überfalls, einer Nötigung oder einer Vergewaltigung zu werden. Das tun wir natürlich schon seit Jahren und nicht erst seit dem Flüchtlingszuzug. Ich glaube, kaum ein Mädchen in Deutschland kennt nicht die Ermahnungen seiner Eltern, welche Ecken nachts zu meiden sind, kennt nicht die Fragen: Wie kommst du heim, wer bringt dich nach Hause und den dringenden Hinweis: Auf keinen Fall alleine. Was hat uns das genervt als Teenager. Was soll denn schon passieren? Dieses Denken ist also nicht neu, es hat nur gerade einen neuen Dreh bekommen, eine neue Gefahrenlage. Immer wieder bekomme ich als Politikerin Post, gerade auch von Frauen. Von Müttern, die sich Sorgen machen um ihre Töchter und Enkelinnen, in was für einem Land und in welchem gesellschaftlichen Klima sie leben werden. Frauen, die nicht zusehen wollen, wie die Errungenschaften, die wir, die unsere Mütter und Väter erkämpft haben, für die Generation ihrer Töchter gerade den Bach runterzugehen drohen. Manche betonen gar vorweg, sie seien »nicht aus der rechten Ecke kommend«, weil sie schon gewohnt sind, mit diesem Vorwurf konfrontiert zu werden, wenn sie ihrer wachsenden Besorgnis vor patriarchalischen und gewaltbereiten Einstellungen manch eingewanderter Muslime Ausdruck verleihen. Ich zitiere hier einfach mal aus einer Mail aus dem Frühjahr 2018. Sie ist exemplarisch für viele: »Sowohl ich als auch Frauen im Bekanntenkreis wurden schon mit Respektlosigkeiten konfrontiert, die es so früher in unserem Leben nicht gab. Einige Frauen trauen sich abends schon nicht mehr alleine aus dem Haus. So kann es nicht weitergehen. Ich möchte mich als Frau in Deutschland sicher fühlen und keine Angst um meine Tochter haben, wenn sie alleine unterwegs ist«. Eine andere Mutter erzählt mir, dass es sie wütend macht, wenn man ihr erklärt, ihr und ihrer Tochter sei ja noch nie etwas passiert, sie würde sich die Gefahrenlage nur herbeireden. »Natürlich ist ihr nichts passiert«, sagt mir diese Mutter, »schließlich fahren wir sie jetzt ständig auch die Strecken, die sie vorher mit ihren Freundinnen mit dem Bus bewältigte.« Natürlich passiert nichts, der vorauseilende Gehorsam der Eltern spielt der Statistik sogar in die Hände. Sie verhindern, dass ihre Töchter zu Opfern werden, indem sie ihren Töchtern ein neues Verhalten antrainieren oder sie selbst fahren. Und genau da ist das Problem: Sie ändern als Frauen ihr Verhalten. Machen sich klein. Meiden Orte. Meiden Veranstaltungen. Wir passen unser Verhalten, unsere Kleidung, unsere Gewohnheiten an. Wieso verändern wir uns? Es stellt Integration allein schon im wörtlichen Sinne auf den Kopf, wenn die Integrationsleistung nicht den Neuankömmlingen als ein Einfügen in bestehende, gesellschaftliche Regeln abverlangt wird, sondern wenn die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft sich dem Verhalten zahlreicher integrationsunwilliger Neuankömmlinge anpassen. Im Sommer 2015, als die erste Welle von Flüchtlingen bei uns Zuflucht fand, schaffte es ein Schulleiter aus dem bayerischen Pocking bundesweit in die Presse mit einem Elternbrief, den er mit guten Absichten verfasst hatte, nachdem klar war, dass in der Sporthalle des Gymnasiums zukünftig 200 Asylbewerber untergebracht werden sollten meist junge Männer. In dem Brief legte er nahe, es sollte »eine zurückhaltende Alltagskleidung angemessen sein, um Diskrepanzen zu vermeiden. Durchsichtige Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke könnten zu Missverständnissen führen.« Gut gemeint, der »Shitstorm« ließ selbstredend nicht lange auf sich warten und zwar von zwei Seiten. Die einen bemängelten, es sei rassistisch, anzunehmen, dass freizügig gekleidete Mädchen Gefahr laufen würden, von den jungen Herren belästigt zu werden. Die anderen bemängelten, dass es ja wohl nicht sein könne, dass sich unsere Mädchen jetzt verhüllen sollen, um sich den Gewohnheiten muslimischer Zuwanderer anzupassen. Auch hier kann man sagen: Wer heute einmal morgens vor einer Schule steht und sich anschaut, in welcher Kleidung manche auftauchen, dem fallen auch so schon genug gute Gründe ein, etwas zur angemessenen Kleidung zu sagen. Ich hätte mir früher bei so manchem Outfit aus Hotpants und Spaghetti-Träger-Tops jedenfalls zu Hause den Satz eingefangen: »So gehst du nicht auf die Straße.« Darum geht es aber nicht. Sondern um die Frage: Halten wir die Mädchen zu »anständiger« Kleidung an, weil wir sie selbst nicht angemessen finden oder weil wir nicht wollen, dass sie Gefahr laufen, belästigt oder begafft zu werden, weil andere ihre Kleidung für unangemessen oder gar als eine Einladung zum Anfassen betrachten? Der Minirock als Provokation. In Deutschland war das ein Thema in den 60ern. Jetzt ist es wieder da. Es geht konkret um die Frage, wer hier sein Verhalten überdenken soll: Mädchen oder Männer? Es geht darum, mit wem wir hier, wie man so schön sagt, »Tacheles« reden müssen, damit das Zusammenleben funktioniert, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen. »Dieser Junge hat sogar seine Mutter und seine Schwestern immer nur in schwarzen Umhängen gesehen. Im Sommer im Café den deutschen Mädchen zuzusehen, ist für ihn wie Peep-Show«, das formulierte eine resolute Iranerin aus Köln, die sich mit ihrer Familie ehrenamtlich um einen damals 16-jährigen Jungen aus Afghanistan kümmerte. So wie die deutschen Mädchen würden in Afghanistan nicht einmal Prostituierte herumlaufen, hatte der Junge ihr gesagt. Er benimmt sich hier, weil sie ihm als Ersatz-Mutter ordentlich den Kopf gewaschen hat, aber es ist für ihn absolutes Neuland, Frauen allein und selbst in ganz normaler Kleidung auf der Straße zu sehen. Der Aufklärungsunterricht, den er und seine Freunde aus Syrien und Afghanistan durch das örtliche Gesundheitsamt über sich ergehen ließen, hat ihn zusätzlich sprachlos und mit hochrotem Kopf wieder auf die Straße entlassen. Er durfte lernen, dass Sex vor der Ehe für die deutschen Mädchen ganz normal sei. Ist es. Es stellt sich nur die Frage, ob wir mit diesen Männer nicht lieber über die Rechte der Frauen reden sollten. Über den Respekt, den Frauen hier genießen und über den Respekt, den wir von den Männern erwarten. Vielleicht auch darüber, dass Mädchen und Frauen in Deutschland alleine entscheiden, mit wem sie ausgehen, und auch, von wem sie sich trennen, wenn sie keine Lust mehr auf eine Beziehung haben. Und, dass das nicht die Brüder, die Cousins, die Väter oder das Dorf entscheiden. Es ist noch nicht lange her, dass der Mord an dem Mädchen Mia aus dem pfälzischen Kandel uns erschütterte. Ermordet in einem Drogeriemarkt von ihrem afghanischen Ex-Freund, der offenbar nicht einsehen wollte, dass ein Mädchen selbst entscheidet, welche Beziehung sie führt und vor allem: welche nicht. Die jahrelange Sozialisation in Kulturen, die Frauen nur als Besitz und nicht als Person betrachten, in denen Frauen sich den Anweisungen von Männern zu fügen haben und in denen Frauen übrigens auch zur sexuellen Verfügung zu stehen haben, verliert auch in der Fremde nicht ihre Strahlkraft. Da ist es in meinen Augen auch wenig hilfreich, wenn bis hin ins TV-Programm für Kinder und Jugendliche die Problemlage einseitig und unhinterfragt auch noch romantisiert wird. Der öffentlich-rechtliche Kinderkanal KIKA entfachte im Januar 2018 eine heftige Diskussion durch eine Dokumentation über die erste Liebe eines jungen Mannes aus Syrien und seiner 16-jährigen deutschen Freundin. Wie man aus dem Film erfahren kann, hatte das Mädchen bereits begonnen, sich anders zu kleiden, weil ihr Freund es nicht mochte, dass sie Klamotten trug, die kürzer waren als knielang. Er hatte schon mal gefragt, ob sie nicht auch Kopftuch tragen könnte. »Seine Frau« sollte nämlich nicht so rumlaufen. Was hier als herzzerreißende, kulturübergreifende Liebe inszeniert wurde, sparte alle kritischen Fragen zur Rolle der Frau aus. Mal abgesehen von der Frage, ob das wirklich das richtige Thema ist für einen Sender für Kinder zwischen drei und 13 Jahren, stelle man sich nur mal vor, im Sender KIKA liefe ein Film über die erste Liebe zwischen einem katholischen Jungen, der von seiner Freundin verlangt, sie solle sich anständig anziehen, weil »seine Frau« nicht so rumlaufen soll. Wir hätten jedenfalls einen Sexismus-Skandal schon im Kinderfernsehen. Zum echten Skandal wurde der Film dann, weil der angeblich minderjährige Diaa aus Syrien nach Recherchen der Presse innerhalb von Tagen plötzlich mindestens 20 Jahre alt war und der Sender eingestehen musste, dass der »Minderjährige« mit stattlichem Bart doch älter ist. Was die Reportage aussparte, war das sensible Thema, wie Männer wie Diaa reagieren, wenn sich die deutsche Freundin vielleicht wieder trennen will. Etwas, das in Syrien oder Afghanistan als Initiative von Frauen nicht üblich ist. Mia aus Kandel hat den verletzten Stolz ihres Ex-Freundes jedenfalls mit dem Leben bezahlt und deswegen müssen wir reden. Mit diesen Männern. Ihre Sozialisation werden wir nicht über Nacht verändern mit Hinweistafeln in Flüchtlingsunterkünften, sondern nur mit klaren Ansagen und Konsequenzen zur Frage, was geht und was nicht. Natürlich gibt es auch Beziehungstaten, begangen von einheimischen, hier sozialisierten Männern. Jeder Fall ist ein Fall zu viel. Wenn aber religiös geprägte Strukturen des Verhaltens offensichtlich sind, machen wir uns mitschuldig, wenn wir nicht hinschauen, präventiv aktiv werden. Wenn Männer in einer anderen Kultur sozialisiert wurden, in der Frauen weniger wert sind als Männer und nicht selbstbestimmt leben können, dann gehört das zur Analyse, darf aber keine Entschuldigung sein, darf nicht einfach hingenommen werden. Wer sich für unser Land entscheidet, der kann nicht davon ausgehen, sein intolerantes Frauenbild hier ausleben zu können. Wer es als aufnehmender Staat einfach »laufen« lässt, ist keineswegs tolerant, sondern schlicht ignorant. Wenn wir uns anhören und lesen, was in den Flüchtlingsunterkünften an Gleichstellung gelebt wird, dann sind wir noch Lichtjahre entfernt davon, diese Sozialisation zu durchbrechen. Betroffen sind auch hier vor allem Frauen: Diejenigen, die dort wohnen, aber auch diejenigen, die dort arbeiten. Die einen kennen es nicht anders, die anderen beugen sich den Umständen. Bereits im Sommer 2016 präsentierte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) die Ergebnisse ihrer Untersuchungen mit niederschmetternden Befunden aus Frauensicht. Frauen auf der Flucht haben demnach ein besonders hohes Risiko, Opfer körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt zu werden und das nicht nur auf der Flucht und auf den Transitstrecken, sondern auch während der Aufnahme in den Ländern der Europäischen Union. Im Klartext: Auch die Aufnahmestellen und Wohneinrichtungen in Deutschland sind für Frauen längst keine sicheren Orte. Die Ursachen liegen manchmal in der praktischen Unterbringung, aber auch in dem geringen Wissen der Frauen, was ihnen zusteht und was sie verändern können. Ganz konkret nennt der Bericht der FRA die Toiletten und Duschen in den Unterkünften. Der Weg dorthin sei ein Spießrutenlauf, die Türen seien oft nicht abschließbar, die Frauen in der Minderheit. Die Gefahr, von Männern belästigt oder gar vergewaltigt zu werden, sei extrem hoch. Hinzu käme, dass die Frauen die Vorfälle oft nicht melden würden, weil sie Angst hätten oder sich schämten. Angst, dass es sich negativ auf ihre Asylverfahren auswirken könnte. Angst, dass die Täter sich rächen würden, die ihnen ja täglich neu begegneten und in der gleichen Anlage wohnten. Angst, weil sie niemanden hätten, der sie schütze. Und am schlimmsten ist: Viele wissen nicht einmal, dass sie das nicht erdulden müssen. Dass sie sich wehren dürfen. Wir reden ja viel über die Sozialisation der Männer, aber wenig über die Entrechtung von Frauen, die man ihnen als Selbstverständlichkeit ebenfalls mit auf den Weg gegeben hat. Wer als Mädchen in dem Bewusstsein erzogen wird, dass der Vergewaltiger Recht bekommt, weil er ein Mann ist, dass man als Mädchen nichts wert ist und dass man selbst Schuld hat, wenn man belästigt wird, holt sich keine Hilfe. Und manchmal scheitert es an den passenden Ansprechpartnern. Wer als Frau in Deutschland bei einer Polizeidienststelle eine Vergewaltigung anzeigt, bekommt eine andere Frau als Ansprechpartnerin, weil wir wissen, dass es schwer ist, über die Tat zu reden. Noch schwerer ist es, das Ganze einem Mann zu erzählen. Praktisch fehlt es in den Flüchtlingsunterkünften an weiblichen Ansprechpartnerinnen, an weiblichen Dolmetscherinnen, um die Sprachbarriere zu überwinden. Es fehlt an Vertrauenspersonen und geschützten Räumen. Wie soll denn eine Frau, die gewohnt ist, dass sie keine Rechte hat, einem männlichen Dolmetscher erzählen, dass sie sexuell belästigt wurde? Oder, dass sie Angst davor hat. Es wäre eine Schande, wenn wir keine Lösungen finden gerade für Frauen, die in ihren Heimatländern bereits dieser Gewalt ausgesetzt waren. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn wir es nicht schaffen würden, sie wenigstens hier zu schützen. Manchmal verstehe ich dann ehrlich gesagt auch einige Reaktionen in Deutschland nicht mehr. Sind wir nicht ein Land, das entschieden gegen Sexismus aufsteht? Das entschieden gegen Übergriffe ankämpft? Dass entschieden Prävention betreibt und sich der Stärkung, oder wie man neuerdings sagt: dem »Empowerment« von Frauen verschrieben hat? Als sich in Hessen die Berichte häuften, dass Frauen sich in den Unterkünften nicht sicher fühlten, formulierten damals Vertreterinnen verschiedener Hilfsorganisationen wie der Paritätische Wohlfahrtsverband, Pro Familia, aber auch die Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauenbüros einen Brief an die Frauenpolitikerinnen im Landtag. Deutliche Worte waren damals darin zu lesen: Dass Frauen in den Unterkünften nachts in Straßenkleidung schliefen aus Angst vor Vergewaltigung, dass es auf den Fluren zu Übergriffen und Vergewaltigungen käme. Auch gegenüber Kindern. Wo genau blieb damals der #aufschrei im Land? Stattdessen wurde damals transparent: Wir hatten für diese Probleme schlicht noch nicht mal ein Konzept. Stattdessen wurde der Brandbrief an die Politik innerhalb kürzester Zeit vom Netz genommen. Der Vorwurf stand im Raum, man habe rechten Hetzern Munition geliefert. Den Frauen hilft das wenig. Die brauchen Menschen und Konzepte, die sie schützen. Auch andere Beispiele müssen uns wachrütteln, wie etwa die jesidischer Frauen und Mädchen, die sich an die Hilfsorganisation IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) gewandt hatten, weil muslimische Übersetzer sie bedroht oder ihre Aussagen in Anhörungsverfahren falsch oder verkürzt übersetzt hätten. Glaubt irgendjemand, dass diese Frauen ihre Probleme mit Männern an diese Männer weiterreichen? Die Probleme von Frauen in den Unterkünften theoretisch zu diskutieren, ist einfach zu wenig, solange wir sie praktisch in ihrer Problemlage lassen, ein bisschen verschämt wegschauen, weil wir das Problem nicht aufbauschen wollen. Frauen und Kinder zuerst, heißt es bei uns. Damit das in diesen Ausnahmesituationen in den Flüchtlingsunterkünften gelingt, braucht es gerade die Frauen in der Flüchtlingshilfe. Und wie gut, dass es viele Frauen gibt, die sich nicht nur für ihre Geschlechtsgenossinnen, sondern für alle Flüchtlinge einsetzen. Was diese Frauen »von der Front« zu berichten haben, ist teilweise aber echt starker Tobak. Vor zwei Jahren erschien in der Tageszeitung »Die Welt« der Erfahrungsbericht einer jungen Frau die mit viel Enthusiasmus und Hilfsbereitschaft hauptberuflich ihre Arbeitsstelle in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg angetreten hatte und bereits nach wenigen Monaten desillusioniert und frustriert kurz davor war, das Handtuch zu werfen. Sie erzählte anonym, ihren Kolleginnen ginge es nicht anders, manche seien schon gegangen, andere überlegten auch, aufzugeben. Mit 90 Prozent der Männer sei es schwierig. Als Frauen werden sie nicht ernst genommen, teilweise bedroht. Der Gang über das Gelände sei manchmal ein Spießrutenlauf. Männer, die ihr folgen, anzügliche Bemerkungen machen, sie auslachen. Verachtung und Aufdringlichkeiten sind an der Tagesordnung. Manche hätten versucht, sie heimlich zu fotografieren, eine Kollegin wurde bis in die U-Bahn verfolgt. Seither käme sie nur noch mit dem Auto zur Arbeit. Neuerdings ziehe sie nur noch Kleidung an, die ihre Figur nicht zeigt. Es sei keine Ausnahme, sondern ein Dauerzustand. Die Kolleginnen sagten, das gehörte hier dazu. Eine Alternative ist nur die Kündigung. Aufgeben. Wieder mal ein Rückzug. In ähnlicher Weise beschrieb auch die ehrenamtlich aktive Feministin Eva Quistorp ihre Erfahrungen in einer Unterkunft in Berlin. Sie ist Gründungsmitglied der Grünen. Die unerschütterliche, aber ehrliche Art, wie sie sich nicht unterkriegen lässt, weder von dem Security- Personal, das eher an Disco-Türsteher erinnert, noch durch die »sture Borniertheit« der Männer, denen sie penetrant immer wieder die Hand zum Gruß entgegenstreckt, damit sie sich gefälligst daran gewöhnen, dass in unserem Land andere Sitten herrschen, hat etwas Rührendes. Sie sagt, eigentlich bräuchte man in jeder Einrichtung eine auf Traumata geschulte Sozialarbeiterin, Dolmetscherinnen für die Frauenärztinnen, damit sie mit den Frauen überhaupt ins Gespräch kommen können. Die Extra-Zimmer nur für Frauen, seien ein guter Anfang, es braucht dort aber nicht nur Nähmaschinen, sondern auch Aufklärungsmaterial in allen nötigen Sprachen. Sie hat noch nicht aufgegeben, ihre Mitstreiterin aus alten feministischen Zeiten, die im Camp als Gynäkologin arbeitet, formuliert es so: »Eva, auch du wirst das Patriarchat hier in diesem Chaos nicht ändern können!« Und wenn wir nicht bald beginnen, wird diese Ärztin Recht bekommen. Genau betrachtet, ist der Rückzug in vielerlei Hinsicht inzwischen Programm. Scheinbar unabhängige Meldungen, sogar aus unterschiedlichen Ländern, beschreiben einen Rückzug, der sich schleichend breitmacht und die ersten Opfer sind: Frauen. Als im Herbst in Leipzig eine Joggerin überfallen und vergewaltigt wurde, gab die Polizei eine Warnung raus: Die Frauen sollten möglichst nicht mehr Joggen gehen in diesem Park. Schon gar nicht alleine. Man rät den Frauen also zum Rückzug. Ähnliche Warnungen kennen wir inzwischen auch aus anderen Städten oder auch aus Ländern wie Schweden, wo Probleme mit Grapschern und sexuellen Übergriffen auf Musikfestivals und die Unsicherheit im öffentlichen Raum eine gleiche ungute Dynamik entwickelt haben.16 Die ähnlichen Diskussionen auch. Nachdem die Polizei in der schwedischen Stadt Östersund nach zahlreichen Übergriffen auf Frauen eine Warnung veröffentlichte, diese sollten nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr alleine rausgehen, hagelte es Empörung. Es meldeten sich aber daraufhin aus ganz Schweden Frauen zu Wort, die sich zu ihrer längst existenten Angst abends im Dunkeln bekannten. Die Empfehlung der Polizei war auch in Schweden: Rückzug. Schauen wir nach Paris, dort ist das Phänomen des weiblichen Rückzugs in den Vorstädten flächendeckend vorhanden. Im Mai 2017 veröffentlichten Frauen aus dem Vorort La Chapelle in der Zeitung »Le Parisien« einen Brandbrief über die Zustände in ihrem Viertel. Die Frauen haben sich dort längst zurückgezogen, der Bürgersteig gehört dem Mann, die Plätze auch, die Bistros, die Parks. Man sähe dort keine Frauen mehr, wer sich als Frau rauswagt, wird angepöbelt und beschimpft, in vielen Sprachen. Als fremd im eigenen Viertel, bezeichnen die Frauen, die ihr Schweigen gebrochen haben, das vorherrschende Gefühl. »Die Straßen gehören heute den Männern« titelt die Zeitschrift »Emma« ihren Bericht über den Verlust des öffentlichen Raumes an die Männer. Ein Bericht aus Paris. Wollen wir warten, bis es ein Bericht aus Berlin ist? Wir haben Vorboten dieser Entwicklungen in ganz Europa. In London, in Schweden, in Paris. Bald auch Duisburg, Dortmund und Frankfurt? Es reicht nicht, mit Gender-Sternchen für die Sichtbarkeit der Frau in der Sprache zu kämpfen, wenn parallel die Frauen in den Parks, auf den Plätzen, in den Schwimmbädern und den Straßen mancher Viertel unsichtbar werden. Manche sagen: Es sind doch alles nur Einzelfälle. Verglichen mit der Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Menschen stimmt das auch. Ja, jeder Fall für sich ein Einzelfall. Prozentual betrachtet wenig. Jeder Fall ist aber einer zu viel. Müssen wir also alle mal runterkommen? So wie es der Herausgeber des Magazins »der Freitag«, Jakob Augstein, nach der Silvesternacht in Köln allen Ernstes twitterte: »Ein paar grapschende Ausländer und schon reißt bei uns Firnis der Zivilisation.« Hätte er das über einen Grapscher in einem deutschen DAX-Vorstand gesagt, würde der Zug der Empörten jedenfalls spontan anrollen. Thematisch kommen gerade neue Problemfelder hinzu. Probleme, die wir entweder bereits überwunden glaubten, oder auch welche, die wir uns gar nicht vorstellen konnten, weil sie uns fremd sind. Das Thema Kinderehe war über Jahrzehnte keines, mit dem man sich akut beschäftigen musste. Jetzt schon. Sexuelle Belästigung in einer neuen Dimension mit Gruppen von Tätern kannten wir nicht, jetzt steht es auf der Tagesordnung. Wir müssen darüber offen reden. kath.net-Buchtipp Bestellmöglichkeiten bei unseren Partnern: Link zum kathShop Buchhandlung Christlicher Medienversand Christoph Hurnaus, Linz: Titelblatt des neuen Buches der CDU-Ministerin Julia Klöckner: Nicht verhandelbar. Integration nur mit Frauenrechten Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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