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Der politische Wert der Barmherzigkeit

2. April 2008 in Weltkirche, keine Lesermeinung
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Von P. Raniero Cantalamessa OFM Cap., Prediger des Päpstlichen Hauses


Rom (kath.net/Zenit.org)
Wir sind es gewohnt, die Barmherzigkeit als ein gänzlich individuelles und "privates" Gefühl zu betrachten, das nur hinsichtlich des Verhältnisses des Menschen zu Gott oder zu seinen Mitmenschen vorkommt. Wird sie in ihren Implikationen aber richtig verstanden, so ist sie der revolutionärste und "politischste" Begriff, den man sich vorstellen kann. Es geht darum, jenseits des individuellen Lebens auf das soziale Leben jene Vorstellung anzuwenden, die jede der großen Religionen von ihrem Gott hat, wobei aus dem Gott, an den man glaubt, keine Waffe gemacht wird, die gegen die anderen zu richten ist, sondern ein Vorbild, das es nachzuahmen gilt.

Barmherzigkeit ist nämlich der Charakterzug, der stärker als jeder andere den Gott der Juden und der Christen, den Gott des Islams und den Gott (oder besser die Religion) des Buddhismus miteinander verbindet und sich daher am meisten für einen Dialog und eine Zusammenarbeit unter den großen Religionen zur Förderung des Weltfriedens anbietet. Barmherzig zu sein oder es nicht zu sein ist vor allem eine Frage der Treue oder der Untreue gegenüber dem eigenen religiösen Bekenntnis.Der biblische Gott stellt sich Mose mit dem Worten vor: "Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue" (Ex 34,6), und die ganze Bibel ist die Bestätigung dieses Wortes, bis hin zu Jesus, der die höchste Offenbarung der Barmherzigkeit des Vaters ist. Dives in misericordia, "Gott, der voll Erbarmen ist", ist der Titel, den Johannes Paul II. für seine Enzyklika über den Gott der Bibel wählte.

Aber auch Mohamed verkündete nicht nur einen allmächtigen Gott, bereit zu Zorn und Gericht. Er verwandte für Gott einen Namen, der in Arabien schon üblich war: "ar-Rahmân", "der Barmherzige", und dieses Wort wurde in der Formel vor jeder Sure des Korans bewahrt: "Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen".Im Buddhismus, in dem es keine Vorstellung von einem personalen Schöpfergott gibt, ist das Fundament anthropologisch und kosmisch: Der Mensch muss aufgrund der Solidarität und der Verantwortung barmherzig sein, die ihn an alle Lebewesen binden. Die Schriften des jetzigen Dalai Lama Gyatso Tenzin offenbaren auf jeder Seite einen großen Solidaritätssinn und besonderes Feingefühl gegenüber allen Lebewesen. Sie suggerieren zudem, wie diese Sicht in Politik, Wirtschaft und die anderen Lebensbereiche einzubetten ist, und schlagen für das dritte Jahrtausend eine "Ethik des Friedens und der Fürsorge" vor. Auch in der aktuellen Krise in seinem Tibet legt er die Suche nach dem Dialog und nach einer friedlichen Lösung des Konflikts mit China an den Tag.

Barmherzigkeit: "misericordia" ist ein lateinisches Wort, das sich aus zwei Wörtern zusammensetzt: "misereror" - "ich erbarme mich" -, und "corde" - "im Herzen". Die zugrunde liegende Idee ist die eines Menschen, der auf einen Fehler oder gar eine Beleidigung des anderen nicht sofort mit einer Verurteilung und dem Wunsch reagiert, den Feind zu vernichten, sondern bemüht ist, sich in seine Lage zu versetzen, seine Gründe abzuwägen. Vom Gott der Bibel wird gesagt, dass er barmherzig sei, "da er weiß, aus welchem Stoff wir gemacht sind".Versuchen wir uns vorzustellen, was passieren würde, wenn man sich anstrengte, den großen "Wert" der Barmherzigkeit in die politische Praxis zu übertragen. Dabei wollen wir unseren Blick nur auf einen der leidvollsten Konflikte der vergangenen Jahre in der Welt richten: Was würde geschehen, wenn Israelis und die Palästinenser - statt nur an das erlittene Unrecht zu denken - damit beginnen würden, auch an die Leiden der anderen Seite zu denken, an die Verzweiflung, in der jene sich oft befinden? Das der Barmherzigkeit entgegengesetzte Rezept, das heißt das "Auge um Auge, Zahn um Zahn", hat auch im politischen und militärischen Bereich gezeigt, dass es zu keiner Lösung führt und nur weitere Gewalt hervorruft. Barmherzigkeit ist kein Surrogat von Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern eine Bedingung dafür, diese finden zu können. Sie ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke.

Was von den internationalen Beziehungen zu sagen ist, gilt auch für die Beziehungen unter den Sozialpartnern, den Parteien innerhalb eines Landes und in diesem Moment besonders in Italien. Das Gegenteil der Barmherzigkeit besteht in der leider sehr verbreiteten Tendenz, den Gegner zu dämonisieren und lächerlich zu machen, seine Gründe abzuweisen, noch ehe diese abgewogen wurden. Es ist dies ein zutiefst antipolitisches und darüber hinaus antireligiöses Verhalten, wenn Politik heißt, die Interessen der "polis", des Staates, und nicht nur die der eigenen Seite zu wahren. Dante bezeichnete Italien traurig als "den Garten, der uns so grausam macht". Die Barmherzigkeit kann es in einen Garten verwandeln, der uns. so glücklich macht. Jesus hat verkündet: "Selig (das heißt: glücklich) die Barmherzigen".Barmherzigkeit ist für jede Art von Gemeinschaft das, was das Öl für einen Motor ist. Wenn sich einer in einem Auto auf die Reise begibt, das kein Öl mehr im Motor hat, so wird er sehen, dass alles nach wenigen Minuten zu brennen anfängt. So ist es bei einer Gemeinschaft, die der Barmherzigkeit entbehren will. Wie das Öl löst auch die Vergebung die Reibereien; sie "ölt" den Mechanismus der zwischenmenschlichen Beziehungen auf allen Ebenen, angefangen bei der elementarsten Gemeinschaft, die die Familie ist, bis hin zur internationalen Gemeinschaft.



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